Die oberösterreichische Messerindustrie

54 sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Struktur zu den unser heutiges Leben beherrschenden Ver- hältnissen. Der "Universal-Kommerz", der immerkantilistischen Sinne vorzunehmende Zusammenschluss aller Erbländer zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum, kennzeichnet die 1. Phase dieser Zeit. 1 Eine Ver- wirklichung dieser Idee konnte vorerst nur durch eine Beeinflussung des Wirtschaftslebens im Wege der staatlichen Gesetzgebung und Verwaltung erreicht werden. Die Schwierigkeit des Problems lag darin, ob man die Belebung der Wirtschaft am besten durch eine Befreiung von den Bindungen des bisherigen mittelalterlichen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems und Förderung der persönlichen Initiative des einzelnen Menschen im Sinne des späteren Liberalismus — oder aber durch Lenkung und Planung seitens des Staates erreichen könne. Keinesfalls war für das Wirtschaftsleben die Staats- und Gesellschaftsordnung allein maßgebend. Die Gestaltung der äußeren Verhältnisse übte einen großen Einfluss darauf aus. Das zunehmende Zu- sammenwachsen der Donaumonarchie zu einem einheitlichen politischen und wirtschaftlichen Raume bewirkte, dass Gebietsveränderungen jetzt eine viel stärkere Auswirkung hatten als zur Zeit des alten ständischen Wirtschafts-Provinzialismus . 2 Die Monarchie wurde zunehmend zu einem einheitlichen Zollgebiet ausgestaltet — für den Export kam stets der Nordosten in Frage, also Polen und Russland an erster Stelle, aber auch Ungarn, wo allerdings zeitweise aus chauvinistischen Gründen deutschösterreichische Waren boykottiert wurde, galt als aufnahmefähiger Markt. Daneben wurden die Türkei, sowie die Levante - Staaten mit österrei- chischen Erzeugnissen beliefert. Triest und Fiume verdrängten Venedig als Umschlagplatz heimischer Güter . 3 Ende des 18. Jahrhunderts finden wir die ersten Ansätze der Industrialisierung im Wege großer Verlagsunternehmen. Die Landbevölkerung war ein dankbares Reservoir für die Gewinnung von Ar- beitskräften. Früher als so manche andere Regierung ergriff unsere österreichische Administration Maßnahmen für den Arbeiterschutz. 1786 nahm man sich der Fabrikslehrlinge an, 1816 wurden die Bezirksärzte zur Arbeiterfürsorge angewiesen und das Fabriksgesetz aus dem Jahre 1842 verbot die Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren. Rein soziologisch war sowohl die gewerbliche Produktion wie die Agrarwirt- schaft auf dem Grundsatz des Familienbetriebes aufgebaut . 4 Die Heranziehung von Frauen und Kindern war seit alters her bei den Gewerbebetrieben üblich. Dies lässt sich insbesonders bei den verschiedenen Kleineisenbetrieben beobachten. Hier war die Zahl der nicht gelernten Gehilfen (Ehefrauen, Töchter und andere Verwandte, Mägde) für den Erzeugungs- vorgang oft von ausschlaggebender Bedeutung. Einige bestimmte Zweige, wie etwa die Trattenbacher Kneipschmiede oder die Ahlschmiede, kön- nen wir, da fast alle ihre Angehörigen denselben Familiennamen trugen, geradezu als "Sippenge- werbe" bezeichnen, da sie anscheinend nur im engen Verwandtschaftskreise vererbt wurden. Bei den modernen Betrieben machte sich frühzeitig in Bezug auf Frauen- und Kinderarbeit weitge- hender sozialer Schutz bemerkbar. Nach diesem kurzen Exkurs in das Gebiet der Sozialpolitik wollen wir nun die allgemeine Wirtschaftslage unseres Vaterlandes im 19. Jahrhundert zum Gegenstand der Betrachtung machen. Die napoleonischen Kriege störten weitgehend die Entwicklung Österreichs. Erst in der Zeit des "Vormärz", in der "Biedermeierzeit", kehrte wieder ein gewisser Wohlstand ein. Es war die Zeit, in der Liberalismus und Frühkapitalismus allmählich begannen, die Wirtschaftsstruktur zu gestalten. Alles Wesentliche, Neue und Richtungweisende erwuchs aus einigen wenigen Familien. Der Unter- nehmertyp begann sich zu bilden. Das Geld spielte in der patriarchalischen Wirtschaft der damaligen Zeit noch lange nicht jene dominierende Rolle wie in späterem Jahrzehnten. Selbst sehr vermögende Unternehmer lebten meist recht einfach, "Was das Geschäft trug", wurde nach relativ geringen Ent- nahmen zum Privatgebrauch wieder im Betrieb investiert oder anders angelegt. Das Sparen galt als 1 Hoffmann Alfred: "Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich", Bd. 1, "Werden, Wachsen, Reifen", Linz 1952, S. 257 2 a.a.O., Hoffmann, S. 258. 3 a.a.O., Hoffmann, S. 465. 4 a.a.O., Hoffmann, S. 497.

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