Die oberösterreichische Messerindustrie

53 Kaufleute, auch die Steyrer, nahmen im "Fondaco dei Tedeschi" am Canale Grande Aufenthalt. 1 Über Wien und Brünn gingen heimische Waren nach Polen und Russland und die Länder des Nordens und Nordostens blieben durch Jahrhunderte treue Kunden der Messerwerkstätte Steyr. Freistadt und Krems waren Umschlagplätze für den einst blühenden Handel mit Böhmen, Mähren und Schlesien. Auch westliche Länder kauften Steyrer Messerwaren. Insbesondere mit Nürnberg bestand lange Zeit hindurch rege Geschäftsverbindung. 2 Um 1770 hören wir neuerlich, dass "beträchtlicher Messerhandel nach Ungarn, Siebenbürgen und in die Türkei" betrieben wurde. Oftmals kamen sogar türkische Kaufleute nach Oberösterreich, um hier Eisen- und Stahlwaren einzukaufen. Nach wie vor bildete der Export nach dem Südosten einen Haupt- faktor im gesamten Messerhandel des Gebietes von Steyr, bis ins 19. Jahrhundert fanden Steyrer Mes- ser ihren Weg in die Länder der "Hohen Pforte" . 3 Wenn auch eine Ausfuhr von losen Klingen nur im bescheidenen Umfange stattfand, so sei sie trotz- dem erwähnt. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts strenge verboten, erfolgte in dieser Zeit die Passbrie- ferteilung betreffs dar Klingenausfuhr in kleinem Rahmen. Dieser Export beschränkte sich in erster Linie auf Ungarn, wo in den dortigen Messerwerkstätten die Klingen verkaufsfertig gemacht wurden . 4 In Steyr glaubte man auf Grund alter Freiheiten das alleinige Recht zur Klingenausfuhr zu besitzen und so kam es um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer Beschwerde der Steyrer Messerer an die Eisenob- mannschaft über den Waidhofner Messerermeister Josef Prunsteiner u. a. Meister aus diesem Orts die sich anmaßten, Messer- und Gabelklingen nach Ungarn zu verführen, wo doch nur die Steyrer die Bewil- ligung dazu hätten. Der unbefugte Klingenhandel der Waidhofner wurde mit 10 Dukaten bestraft . 5 Einige Jahre später scheint dennoch ein Vergleich zustande gekommen zu sein, denn der Steyrer Meister Carl Doppler schloss wegen der Klingenverhandlung nach Ungarn mit den Waidhofnern Mes- serern einen Kontrakt . 6 Der Export loser Klingen erhielt sich bis ins 19. Jahrhundert und stellte einen wichtigen Einnahmsfaktor im Handelsverkehr unseres heimischen Gewerbes dar. Böhmen blieb weiterhin ein wichtiger Abnehmer. Nach Aussagen der Eisenobmannschaft gingen auch viele Eisenwaren über Freistadt nach Breslau, obwohl in ersterer Stadt ein hoher Transitzoll für alle Eisenwaren erhoben wurde, was dem Verschleiß keinesfalls förderlich war . 7 Über Krems, wo der Kaufmann Suter an der Spitze der Eisenhandelsgesellschaft stand, die nicht weniger als 5 Magazine besaß, fanden Steyrer Geschmeidwaren ihren Weg nach Krakau und in den schlesischen Raum Breslau. Der Handel mit dem Deutschen Reich erreichte im 18. Jhdt. beachtlichen Umfang. Von Linz gingen im Jahre 1768 2.500 q Geschmeidwaren nach Regensburg. 8 Löw gibt 1832 an, dass mit Messern ein ergiebiger Handel getrieben werde, insbesonders Italien sei das Mekka des Schneidwarenhandels. Von dort aus nehmen die Steyrer Fabrikate ihrenWeg in alle Welt- teile. Die Versendung und Verpackung erfolgten zu dieser Zeit bereits nur mehr in Dutzend, der heutigen Maßeinheit in der Besteckindustrie. In vergangener Zeit rechnete man zu hundert oder 1000 Stück . 9 Dieser Überblick zeigt uns, dass bereits seit langem heimische Messerwaren den Weg in die weite Welt gefunden haben. Der Niedergang des Handwerks konnte nur für kurze Zeit den Export zum Erlie- gen bringen. Heute künden österreichische Messer in vielen Ländern von inländischer Qualitätsarbeit, von der Konkurrenzfähigkeit und Schlagkraft unserer Schneidwarenindustrie. G. Das 19. Jahrhundert: a.) Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung Österreichs. Das Zeitalter vom Regierungsantritt Maria Theresias bis zur Revolution des Jahres 1848 ist eine Pe- riode des Übergangs von den bisher im Wesentlichen noch immer mittelalterlichen Grundlagen der 1 a.a.O., Hack, S. 159. 2 a.a.O., Bittner, 584/7. 3 Hofkammerarchiv Wien, Altes Kommerz, 291/5032/F. 140. A – Z. 4 s. Klingenabsatz. 5 St. A. Steyr, 12/42. 6 La. A, Linz, Index 159; Eisenobmannschaft. 7 Der Industriestand von Oberösterreich. 8 Staats. A. Wien, Nachlass Zinzendorf, S. 144. 9 a.a.O., Löw, S. 22

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