Die oberösterreichische Messerindustrie
38 selbständig machen und suchte um Verleihung der Personalbefugnis an. Das Handwerk sprach ein energisches Veto, doch die NÖ Regierung entschied zu seinen Gunsten. Das Handwerk hatte seine Vormachtstellung damals längst eingebüßt und war von staatlichen Stellen abhängig geworden. Trotzdem laut Gesetz das Meisterstück im 19. Jhdt. längst nicht mehr gefordert war, galt es doch in unserem Handwerk als ungeschriebenes Gesetz, dass die Schmiede in Kleinraming als äußeres Kenn- zeichen ihrer Meisterwürde das Meisterstück schmiedeten. Dieses bestand aus einer schön gearbeite- ten und reich verzierten Klinge, die aus einem Stück geschmiedet wurde. Das Meisterstück wurde in der Familie als Symbol des Könnens für künftige Geschlechter aufbewahrt. Erst der völlige Zusammen- bruch des Handwerks fegte auch dieses Wahrzeichen einer stolzen Vergangenheit, wie alle anderen Zunftgebräuche, hinweg. Der jungeMeister hatte nach seiner Aufnahme ins Handwerk wohl alle Pflichten, nicht aber sogleich alle Rechte seiner Mitmeister zu übernehmen, insbesondere durfte er in seinen ersten Meisterjahren keine Gesellen halten, oder höchstens einen. Auch die Jungenhaltung war anfangs beschränkt. Zugleich hatte der junge Meister auch das Amt eines Meisterboten zu übernehmen, solange, bis ein neuer Meister aufgenommen wurde. Als solcher hatte er die Versammlungen der Meisterschaft anzusagen, Botengänge für die Zech- und Viermeister zu verrichten. Der damit verbundene Zeitverlust macht es verständlich, dass dieses Amt nicht sehr begehrt war. Wir treffen daher wiederholt in den Quellen die Notiz: "Die Meisterboten mögen fleißig ihr Amt verrichten." Die alten Ordnungen befassten sich sogar mit dem Verhalten der Handwerksgenossen gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Ein junger Meister hatte die Pflicht, sich um eine Hausfrau umzusehen und zu heiraten. Für einen fremden Gesellen war die einfachste Art ins Handwerk zu kommen, indem er eine Meisterstochter oder eine Meisterswitwe heiratete. Die Meisterin selbst war hochgeachtet, genoss großes Ansehen im häuslichen Kreis und war verantwortlich für Wohnung und Verpflegung ihrer Familie und des Gesindes. Dass man sich in Gegenwart der Meisterin züchtig und ehrbar zu verhalten hatte, wurde in den Ordnungen immer wieder betont. Es ist daher anzunehmen, dass dieser Punkt etwas zu wünschen übrigließ und darum mit besonderer Deutlichkeit darauf hingewiesen wurde. Alte Gewohnheiten, die seit Menschengedenken in Übung standen, wurden meist in den Hand- werksordnungen nicht erwähnt und als selbstverständlich angenommen, lediglich jene Punkte, die zu wünschen übrigließen, wurden herausgestrichen und neu festgelegt. Normen sittlich-religiöser Art finden wir in jeder Ordnung; so war es christliche Pflicht eines Meis- ters einen Kollegen, der infolge Verarmung das Meisterrecht nicht selbst ausüben konnte, zeitweise in seiner Werkstätte arbeiten zu lassen. Die Meisterversammlungen fanden alle Quatember in der Her- berge statt. Strenge war den Meistern verboten, hiebei etwas zu unternehmen, das "gegen Kaiser und Landesfürsten, gegen Richter und Rat von Steyr oder die Gemeinde hier" wäre. In einem solchen Falle würde die Handwerksordnung für ungültig erklärt werden und außerdem das Handwerk empfindlich bestraft werden . 1 Die Hauptversammlung war der Jahrtag des Handwerks, der in festlicher Weise be- gangen wurde und das größte Fest des Handwerks darstellte. 2. Die Schleifermeister. Auch bei den Schleifermeistern galten dieselben Bestimmungen zur Aufnahme ins Handwerk wie wir sie schon kennengelernt haben. Die Anwärter auf die Meisterschaft mussten Proben ihres Könnens liefern. Seit dem Jahre 1586 schöpfen wir aus dem Steyrer Handwerksbuch, das uns oftmals in sehr ausführlicher Weise die Proben der einzelnen Kandidaten schildert . 2 Schon in diesem Jahre wurde ge- fordert, dass der Bewerber die geschliffenen Stücke vor das Handwerk auf die Herberge tragen musste, wo die Begutachtung stattfand. Unter den Personen, die die Überprüfung vernahmen, befand sich immer ein Ratsverordneter, dessen Stimme entscheidende Bedeutung hatte, aber auch Messerermeister finden wir unter den Prüfern. Die- ser Umstand liefert uns neuerlich einen Beweis für die innige Zusammenarbeit zwischen den Handwer- ken. Von den 70 Eintragungen über Meisterproben, die im Laufe der Jahrhunderte abgelegt wurden, sind interessanterweise nur 20 Bewerber mit gutem Kalkül versehen worden, die anderen hatten "schlecht 1 La. A. Linz, Klingsch. Kl. R., Bd. 2. 2 Stadtmuseum Steyr, Handwerksbuch der Schleifermeister.
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