Die oberösterreichische Messerindustrie

28 Zunftverfassung blieb aber aus. Das Toleranzpatent gestattete auch Nichtkatholiken die Erlernung ei- nes Handwerks, was bis zu diesem Zeitpunkt verboten war. Auf Grund des Hofdekrets vom 5. Mai 1783 wurden alle Bruderschaften aufgelöst. Ein Circulare vom Jahre 1784 befasste sich mit der Beseitigung des Zunftzwanges bei den Eisen- und Stahlarbeitern und brachte für unser Handwerk eine wesentliche Umwälzung. Alle Arbeiter, die sich mit Eisen- und Stahlarbeiten abgaben, wurden zu einer Zunft vereint und hießen "Messer- und Zeugschmiede der 2. Klasse". Dass diese allerhöchste Verordnung in der Stadt Steyr, welche zu dieser Zeit 498 Personen dieser Sparte beherbergte, größte Unordnung hervorrief, lässt sich denken. Wir lesen in den Beschwerdeschriften von der völligen Unmöglichkeit, in einer Stadt, die in ihren Mauern so viele und so verschiedene Eisen- und Stahlarbeiter besitzt, für all diese nur eine Lade, eine Herberge etc. zu errichten. Nach einem Ausweis vom Jahre 1785 gab es in Steyr 17 verschie- dene "Abtheilungen Feuerarbeither". Dazu kam, dass manche Zünfte wirkliche Realitäten besaßen, ferner Unterbaue, Zehente usw., an- dere dagegen waren mit Schulden belastet. Eine Vereinigung hätte auch eine Verletzung der Eigen- tumsrechte mit sich gebracht. Die Landesregierung kam daher zu der Auffassung, dass die in Steyr und "dasiger Gegend beste- henden Zunftladen in Anbetracht der sich äußernden, fast unübersteiglichen Schwierigkeiten und nach sich ziehenden Kränkungen, sowohl des ganzen Körpers der Meisterschaften als deren einzelnen Indi- viduen, solchergestalt in ihrem aufrechten Stand zu belassen". So war auch dieser, wie so viele andere Reformversuche Kaiser Josefs II. gescheitert. Allerdings wurde jede Einschränkung in Bezug auf die Meisterzahl aufgehoben, die Gesellenzahl stand unter kei- ner Kontrolle. Möglichkeiten zur freien Entfaltung des Handwerke waren also gegeben. Die Regierung Franz II., brachte auf diesem Gebiet wieder einen gewissen Rückschritt. Die Zünfte wurden wieder befragt, ehe die Behörden eine Gewerbebefugnis erteilten, Meisterrechte sollten spar- sam verliehen werden, die Gesellenehe sollte verboten werden. 1831 erging von Kaiser Franz der Be- fehl, die Verleihung von Personalgewerben überhaupt einzustellen. 1835 erließ die Hofkammer eine Denkschrift, in der Verbesserungen im Gewerbewesen im Sinne der Gewerbefreiheit vorgeschlagen wurden. Aber erst im Jahre 1859 brachte die Gewerbeordnung mit dem entsprechenden Kundma- chungspatent die längst fällige Regelung. Die Gewerbe wurden in namentlich aufgezählte konzessionierte, die amtlicher Bewilligung bedurf- ten, und in sog. freie Gewerbe ein geteilt, das waren alle anderen, also diejenigen, die nicht aufgezählt wurden. Voraussetzung für die Ausübung eines freien, nicht konzessionierten Gewerbes war demnach: Besuch der Elementarschule, Vollendung der Lehrzeit, Nachweis der 3 Gesellenjahre, unbescholtener Lebenswandel, Erlangung des 24. Lebensjahres. Ein Beitrittszwang zu einer Zunft war nicht mehr vor- gesehen. Mit der Gewerbeordnung gelang es der Staatsgewalt, endgültig ihre Ideen durchzusetzen. Dieses Patent, welches, allerdings mit vielen Abänderungen und Novellierungen noch heute in Kraft ist, beschloss einen großen Abschnitt in den Auseinandersetzungen zwischen herrschaftlicher und ge- nossenschaftlicher Idee. 1364 und 1527 waren die Handwerksorganisationen noch zu stark und gesund und widersetzten sich mit Erfolg den Auflösungsversuchen der Landesfürsten. Entscheidend für die Gesetze von 1859 war wohl letzten Endes das Kapital, welches, verbunden mit den Ideen des Liberalismus, im Handwerksstande Eingang fand und zur Auflösung der mittelalterlichen Handwerksverfassung entscheidend beitrug. Im Rahmen von Genossenschaften lebten manche Handwerke und ihre Tradition noch bis zum ers- ten Weltkriege weiter, jedoch die einstige mächtige Stellung war dahin. b.) Die Leitung des Handwerks der Klingenschmiede, Schleifer und Messerer. In den vielen alten Handwerksordnungen, die uns überliefert sind, lesen wir immer wieder von den "Fürgesezten Maistern", die vom "Handwerch gesezt und gewält sind". Diese Meister, die in unserem Gebiet an der Spitze jener Organisationsform standen, die wir schlechthin als Handwerk bezeichnen, wurden alljährlich aus der gesamten Meisterschaft neu gewählt und hatten dem Rat der Stadt Steyr den Eid zu leisten. Sie gelten sodann als "geschworene Meister". Man liest immer von den Viermeistern, was wohl auf die Zahl 4 der gewählten Meister zurückgehen

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