Die oberösterreichische Messerindustrie

114 Arbeiter tätig sind. Die zunehmende maschinelle Gestaltung des Arbeitsflusses verlangt jedoch immer weniger nach gelernten Arbeitskräften. Um Fließbänder bedienen zu kennen, bedarf es kaum einer mehrjährigen Fachausbildung. Dazu die bevorstehende Automation! Der Einsatz weniger, aber bestens geschulter Fachkräfte, eine zweckmäßige Rationalisierung der Erzeugungsmethoden, sorgfältig überlegte Planung, Anpassung an die Bedürfnisse und Wünsche der Hauptabsatzmärkte bei der Auswahl der Fertigungsprogramme und ständige Entwicklung formschöner neuer Typen und geschmackvoller Modelle: darin liegt die Voraussetzung, dass die Erzeugnisse der österreichischen Messerindustrie zusehends in vielen Ländern als beliebte Importartikel betrachtet werden. Der große Vorteil, der den österreichischen Messerfabriken noch zu Gute kommt, liegt in der Preis- gestaltung der Österreichischen Stahlwerke, die auf eine weitgehende Förderung heimischer Export- betriebe abgestellt wird. Auch darin liegt, im Verein mit der Erfahrung und der Tüchtigkeit unserer Fabrikanten und ihrer Mitarbeiter, eine wesentliche Voraussetzung der schonen Erfolge, die wir weiterhin dieser alteinge- sessenen Industrie wünschen. b.) Die Solinger Schneidwarenindustrie Das Solingen von heute weist mehr als 1100 Betriebe mit etwa 16.000 Arbeitskräften auf, die Stahl- waren herstellen. Darunter sind verhältnismäßig wenige umfangreiche Fabrikunternehmen, dagegen mehr mittlere und vor allem kleine und kleinste Betriebe. Während das Arbeitsgebiet der großen Firmen meist recht vielseitig ist, also Besteck, Arbeits-,Ta- schen- und Rasiermesser sowie Scheren umfasst, sind die mittleren und erst recht die kleinen Betriebe durchwegs auf das Herausbringen von Erzeugnissen auf einem Sondergebiet eingestellt, sei es nun Manikürartikel, chirurgische Instrumente, Haarschneidmaschinen, Rasierklingen, Dosenöffner etc . 1 Das wirtschaftliche Gefüge der Solinger Schneidwarenindustrie zeichnet sich durch außerordentli- che Mannigfaltigkeit und Eigenart der betrieblichen Erscheinungen aus. In nahezu unveränderter Form haben sich einzelne im Laufe der wirtschaftlichen, technischen und sozialen Entwicklung entstandene Betriebssysteme und Übergangs- oder Mischformen erhalten und sind noch heute nebeneinander an- zutreffen. Diese Verschiedenheit betrieblicher Organisationsformen mit all ihren Vor- und Nachteilen tritt wohl kaum in einem anderen Gewerbe- oder Industriebezirk so klar zutage wie in der alten Klin- genstadt. Neben Fabriken mit mehreren hundert Arbeitern findet man in Solingen eine Vielzahl von Firmen, die über keinerlei Maschinenraum, sondern lediglich über ein Kontor und vielleicht einen klei- nen Lagerraum verfügen und trotzdem die Bezeichnung "Fabrikation feiner Stahlwaren" oder ähnliche Firmenaufschriften tragen. In diesen beiden, schon in ihrer äußerlichen Erscheinungsform so grundverschiedenen Betriebsfor- men "Fabrik" und "Fabrikation" mit ihren zahlreichen Zwischenformen, findet die Wesensverschieden- heit der in der Solinger Industrie gebräuchlichen Herstellungsarten ihren Ausdruck. In der Hauptsache muss demnach zwischen dem Fabrikations- oder Verlagsbetrieb einerseits, und dem Fabriksbetrieb andererseits unterschieden werden. Die für die Solinger Verhältnisse weitgehend charakteristische Betriebsart ist der Fabrikationsbe- trieb, wie die in der Solinger Schneidwarenindustrie gebräuchliche Bezeichnung für das im Laufe des 17. Jahrhunderts aus dem handwerklichen Meisterbetrieb entwickelte Verlagssystem lautet . 2 Das Wesen der "Fabrikation" liegt darin, dass der Unternehmer, der sogenannte "Fabrikant", nicht in seinen eigenen Betriebsräumen produziert, sondern die von den Gesenkschmieden oder "Schläge- reien" bezogene "schwarze Ware" durch verschiedene, für die einzelnen Herstellungsphasen jeweils in Betracht kommende selbständige Hausgewerbetreibende bearbeiten lässt und die Fertigung ledig- lich durch Stichproben der Teilarbeiten überwacht. Der Vertrieb der so hergestellten Erzeugnisse gehört mit zu den wesentlichsten Aufgaben seiner Verlegertätigkeit. 1 a.a.O., Franz Hendrichs, Solingen und seine Stahlwarenindustrie, S. 55. 2 Duisberg Ingrid: "Die Solinger Schneidwarenindustrie und ihre Produktions- und Absatzverhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg".

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