Die oberösterreichische Messerindustrie

1 A. Die Kulturgeschichte des Messers. Der Begriff Messer machte im Laufe der Jahrhunderte einen Bedeutungswandel mit, dessen Ursachen wohl im kulturellen Werdegang selbst zu suchen sind. In früher Zeit verstand man unter Messer das ein- schneidige Schwert mit breitem Rücken. Nach Thalhofers Fechtbuch sei das "Messer länger als der Degen und kürzer als das Swert". 1 Die alten "Sachse", "Waidmesser", Degen, Haumesser aller Art wurden neben den kleineren Klingen als Messer bezeichnet. Jede einschneidige Klinge mit Rücken galt als Messer. Im frühen 14. Jahrhundert trat eine Trennung der Messerer von den Schwertschmieden ein — letz- tere trugen in dieser Zeit bereits ihr eigenes Innungswappen. 2 Die ersten Anfänge einer Spezialisierung im Schmiedehandwerk trifft man bereits im frühen Mittel- alter. Die Waffenschmiede besessen seit alters her eine andere Technik, eine andere Geschicklichkeit und verwendeten andere Eisensorten als die Schmiede für landwirtschaftliche Geräte. Schon an der Wurzel des Schmiedehandwerks trat somit eine Teilung nach Fein-, und Grobschmieden in Erschei- nung. Erstere sorgten mehr für den städtischen, letztere mehr für den ländlichen Bedarf. Aus den Grobschmieden gingen die Hammer- und Kleinschmiede hervor. Dazu zählten nun auch die Klingen- schmiede und Messerer. Diese Kleinschmiede standen zwischen den im Besitz gefestigten Grob- schmieden und den technisch qualifizierten Feinschmieden und erfreuten sich im Allgemeinen nicht besonderer Achtung, außer in jenen Städten, wo sie anerkannte Qualitätsarbeit leisteten, wie in Nürn- berg und Steyr . 3 Dem Altertum war die Annehmlichkeit eines Messers und einer Gabel bei Tisch unbekannt. Man bediente sich beim Essen allgemein der Finger, in der Küche jedoch fand das Messer zur Vorbereitung des Mahles sehr wohl Verwendung. Im Mittelalter wurde der Gebrauch des Messers allgemeiner. Die älteste Form war ein Vorschneidmesser zum Zerlegen der Fleischstücke. Für den eigentlichen Ge- brauch bei Tisch gab es nur einzelne Messer, die man sich bei der Mahlzeit gegenseitig reichte. 4 Im 15. Jahrhundert erfuhr das kleineMesser des Vorschneiders jene Gestaltung, aus der das spätere Tischmesser hervorgegangen ist. Die älteste Form des Bestecks, diente auch noch im Mittelalter mehr den Vorbereitungen zur Mahlzeit als dieser selbst. Was früher in der Küche vorgenommen wurde, ge- schah nun vor den Augen der Gäste unter unmittelbarer Aufsicht der Gastgeber. Das Amt des Vor- schneiders entwickelte sich allmählich zu einem Amt bei Hofe und an der Tafel des hohen Adels. Er unterwies die Edelknaben in dieser Kunst und bediente sich verschiedener Messer: Größere Messer für die Braten, kleinere für Geflügelspeisen. 5 Neben dem großen Tranchiermesser und dem kleinen Zerlegmesser verfügte der Vorschneider Ende des 15. Jhdt. über 3 Messer mit breiten Klingen, die sogenannten Kredenzmesser. 6 Diese galten als wichtigste Tischgeräte, da auf diesen den Gästen das Fleisch gereicht wurde. Die Kunst des Vor- schneidens oder "Trincierens" erfuhr ihre Vollendung in Frankreich und Italien des 16. Jhdt . 7 Das deutsche Vorschneidebesteck bestand noch.im 17. Jhdt. aus 5 Gabeln und 6 Messern von ver- schiedener Größe und Form. Die Klingen der ältesten Tischmesser hatten geraden Rücken und leicht geschwungene Schneide. Die Klingenbreite entsprach der Breite des Griffs. Das frühgotische Tischmesser besaß eine etwas brei- tere, blattförmige Klinge mit geschwungener oder gerader Schneide. Seit dem Ende des 15. Jahrhun- derts wurden die Messer schmäler und zierlicher, mit auffallend spitzer Klinge. Gegen Ende des 16. Jhdt. hatten sie wieder breitere Klingen. 8 Die künstlerische Ausgestaltung der Griffe begann bereits in spätromanischer Zeit, wobei man in erster Linie Bein bevorzugte. Die Spätgotik verwendete Bronze. Nach 1520 strebte die Ausführung der 1 Beck Ludwig, Geschichte des Eisens, Bd. 1, 1884, S. 856. 2 Hack Irmgard, Eisenhandel und Messerhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ausgang des 17. Jhdt. Dissertation, philosophische Fakultät der Univ. Graz 1949. S. 144. 3 Bechtel Heinrich, "Wirtschaftsstil des Deutschen Spätmittelalters", München - Leipzig, 1930, S. 193. 4 Walcher Alfred: "Die Bestecksammlung im Schloss Steyr", in: Kunst und Kuns & Handwerk. Jg. XV 1912, S. 2. 5 a.a.O., Walcher S. 3. 6 Walcher S. 4 (Trincierbuch des Vincencio Cercio, 1581, der Vorschneider hatte 4 Messer und 3 Gabeln gleicher Form, verschiedener Länge). 7 a.a.O., Walcher S. 4 (Nürnberger Trincierbuch des Paul Fürst, 1652, Kunsthändler). 8 a.a.O., Walcher S. 7.

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