Die oberösterreichische Messerindustrie

98 Nach der Statistik des auswärtigen Handels Österreichs konnten im Jahre 1928 an groben Messern und Scheren für den gewerblichen oder landwirtschaftlichen Gebrauch 3.958 q (3.905 q im Jahre 1927 — q = 100 kg) ausgeführt werden. Die Hauptmengen wurden nach Deutschland, die Schweiz und die Nachfolgestaaten, aber auch nach Frankreich, Finnland, Holland und Skandinavien versendet. Von den außereuropäischen Staaten zählten Argentinien, China und Japan zu den Hauptabnehmern. Exportziffern über Bestecke liegen leider nicht vor, wohl aber über die Ausfuhr von Taschenmessern ohne Federn (Taschenfeitel). Hier betrug die Ausfuhr 1.763 q, die sich vornehmlich nach der Tschecho- slowakei, Ungarn und den Balkanländern richtete. Als außereuropäische Abnehmer kamen Britisch-, Französisch- und Spanisch-Afrika, Niederländisch-Indien und die Türkei in Betracht. 2. Die Krise: So war die Situation der österreichischen Messerindustrie, als die große Krise auch die Schneidwa- renerzeugung erfasste und nahezu vollkommene Geschäftslosigkeit mit sich brachte. Die rückgängige Neigung vom Jahre 1929 auf 1930, welche im Umsatz ausgedrückt, ungefähr 20 % betragen hatte, verschlechterte sich von 1930 auf 1931 neuerlich. Der Prozentsatz an Umsatzrückgang betrug gegenüber 1930 etwa 33 %. Dazu kam, dass die erzielten Verkaufspreise äußerst gedrückt waren, meist musste die Ware zum Selbstkostenpreis abgegeben werden. Die Gründe für den geradezu katastrophalen Umsatzrückgang ergaben sich in erster Linie aus der allgemeinen Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Geldknappheit. Dazu kamen Sanierungs- und Sperrungsmaßnahmen gewisser Großbetriebe, die selbst schwer zu kämpfen hatten. Hier muss auf die Drosselung des Betriebes der Metallwarenfabriken verwiesen werden, insbeson- dere der Kruppwerke in Berndorf, was für manche Messerfabriken einen Bestellungsausfall von über 50 % gegen 1930 zur Folge hatte . 1 Drückende Absperrungsmaßnahmen und Einfuhrverbote mancher Länder, wie der Tschechoslowa- kei, kamen in der Absatzverminderung zum Ausdruck. Dazu traten noch die Einschränkungen der da- maligen Devisenverordnung, so dass in die Länder Jugoslawien, Ungarn, Polen etc. infolge Einstellung des Zahlungsverkehrs nichts geliefert werden konnte. Die Lage Ende 1931 und die ersten Monate des Jahres 1932 waren in der Messerbranche derart verzweifelt, dass man damals bei der größten Geschäftsumsicht und bei der ehrlichsten Hoffnungs- seligkeit, die bei einer Industrie unbedingt vorhanden sein muss, der Zukunft völlig hoffnungslos entgegensah. Vollkommenes Verlustarbeiten und namhaftes Ansteigen der Spesenziffer kennzeichnete jene Fir- men, die mit verminderter Kapazität ihr Dasein wahrhaft im Sinne des Wortes fristeten. Es war die Zeit, in die der schon erwähnte Selbstmord des Direktors eines Kreditinstitutes fiel, der mit Hilfe einer Fusionierung der gesamten österreichischen Messerindustrie die Probleme meistern wollte und dieser, seiner Lieblingsidee halber, ungedeckte Kredite gewährt hätte. Das war das Signal zum Zusammenbruch für den Großteil der österreichischen Schneidwarenin- dustrie. Lediglich die Hack-Werke konnten, wenn auch schwerstens belastet, der Ungunst der Zeit trot- zen und den Weg in eine neue, günstigere Wirtschaftsepoche finden . 2 Anerkennend sei hervorgehoben, dass die Arbeiterschaft in der Messerindustrie in schwerster Zeit durch vorbildliche Pflichterfüllung Großes geleistet hat, mit Hochachtung sei der Angestellten und Ar- beiter gedacht, die manchmal auf die Lohnauszahlung verzichteten, ja die eigenen bescheidenen Er- sparnisse, ihrer Firma zur Verfügung stellten, um die Existenz des Unternehmens zu retten. C. Erneuerung und Aufstieg: Langsam, ganz langsam nur ging es nach dem Schreckensjahr 1932 wieder aufwärts. Jeder Zoll musste erkämpft werden, jeder Meilenstein einer langsamen Entwicklung zeugt von Arbeitseinsatz und Schweiß unserer Unternehmer und Arbeitnehmer. Ausländische Märkte konnten wiedergewonnen werden, österreichische Schneidwaren begannen 1 a.a.O., Verlag der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Linz, Das Wirtschaftsjahr 1931 in Oberöster- reich, Linz 1932, S. 50. 2 a.a.O., Das Wirtschaftsjahr 1931 in OÖ. S. 50.

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