Die oberösterreichische Messerindustrie

95 Löffelerzeugung aufzubauen. Dies deshalb, da rostfreier Stahl weder eine Versilberung benötigt noch eine solche technisch durchführbar erscheint. Damit wandelte sich die Messer zur Besteckindustrie, freilich eine Erzeugung, die nur Fabrikate aus rostfreiem Stahl, nicht auch aus Silber und Alpaka umfasste. Doch diese umfassen heute mehr als 90 % aller erzeugten Bestecke. Natürlich zögerten die rührigen Metallwarenfabriken nicht, vollständig rostfreie Bestecke heraus- zubringen. Der Unterschied zwischen den Besteckfabriken, die aus Messerfabriken wurden, und den Metallwarenfabriken, die Bestecke in den Handel bringen, liegt, wie schon ausgeführt, allein darin, dass nur erstere über eine eigene Erzeugung geschmiedeter Klingen verfügen. Die Metallwarenfabriken treten als Käufer dieser Klingen auf. Sie sind gegenüber den Messerfabri- ken also Kunden und Konkurrenten zugleich . 1 Die Darstellung dieser Arbeit beschränkt sich auf die oberösterreichische Messerindustrie; sollten bei der ferneren Behandlung von Besteckexporten auch Metallwarenfabriken, der Systematik und der gleichlaufenden Branche halber, eingeschlossen werden, so wird dies besondere Erwähnung finden. B. Die Weltwirtschaftskrise: a.) Allgemein. Österreich, das nach 1918 so große Schwierigkeiten hatte, sich wirtschaftlich in den neuen Gege- benheiten des "engen Raumes", zu orientieren, war weitgehend darauf angewiesen, bedeutendeMen- gen von Konsumgütern, Roh- und Halbstoffen, mit Hilfe der Exporterlöse der Industrie aus dem Aus- lande einzuführen. Ein kleiner, an Nährboden armer, aber mit Industrien mit hohen Werkstoffvered- lungsfaktoren gut ausgestatteter Staat kann auch inmitten wirtschaftlich stärkerer Länder durchaus mit Erfolg bestehen. Allerdings muss eine gewisse Anlaufzeit vorhanden sein, um einerseits diese In- dustrien aufbauen und andererseits am Weltmarkt für deren Produkte Kunden finden zu können. Industrien waren in Österreich, wenn auch teilweise technisch nicht mehr ganz auf der Höhe, genug vorhanden. Es mangelte vor allem an Zeit und offenen Märkten. Österreich begann mit seinen Bestrebungen, verstärkten Anschluss an den Welthandel zu finden, gerade in einer Periode, welche in dem Jahrzehnt nach 1918 hiezu die denkbar ungünstigsten Voraus- setzungen aufwies. Gewiss konsolidierte Dr. Seipels Sanierung die Währung, so dass es Kienböcks vorsichtiger Finanz- gebarung nach allmählicher Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten gelang, den einst so misstrau- isch aufgenommenen Schilling zum "Alpendollar" aufzuwerten. Im Jahre 1929 sah es vorübergehend da und dort so aus, als wäre das Ärgste überstanden — aber der Schein trog. Die Creditanstaltskrise veranlasste auch die oberösterreichische Wirtschaft ihre Bemühungen um den Export zu intensivieren, aber wohin man sich wandte um im Welthandel die so sehnlichst erwar- teten Erfolge zu erzielen zeigte sich, dass man, wenn überhaupt, so nur in ganz kleinen Schritten vor- wärtskam. Eine jahrelang anhaltende weltallgemeine Depression, eine bis dahin in diesem Umfange noch nie beobachtete Wirtschaftsmüdigkeit bei vollen Warenlagern und sinkenden Preisen ließ allerorts ein im- mer bedrohlicheres Absinken der Kaufkraft erkennen. Diese Müdigkeit hatte fast alle Staaten der Erde wie eine epidemische Krankheit betroffen. Zweifellos trat eine tragische Wende in der weltwirtschaftlichen Entwicklung ein. Sonderbarerweise zeigten sich die ersten Anzeichen jener weltwirtschaftlichenWende im reichsten Lande der Erde, in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort waren im Zuge gewaltiger Bodenbear- beitungsmaßnahmen bis 1920 etwa 160.000 Quadratkilometer fruchtbares Getreideland bereitge- stellt worden, um Europa, wo 200.000 Quadratkilometer Ackerland, infolge der Kriegsereignisse, vor allem in Frankreich, verwüstet lagen, beliefern zu können. Zehn Jahre später hatten die Bauern in den vom Kriege heimgesuchten Staaten ihre Äcker wieder bebaut. 2 Europa konnte das Getreide aus Ame- rika nicht mehr abnehmen. In der Folge lagen riesige Getreidefelder brach. In der Kausalkette ergab sich hieraus die Austrocknung dieser Böden, Sandstürme verwüsteten 1 eigene Erhebungen. 2 a.a.O., Meixner, S. 349 ff.

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