Die oberösterreichische Messerindustrie

93 Seit dem Jahre 1922 nahm diese Firma als erste in Österreich die fabrikmäßige Erzeugung von Ta- schenmessern auf. Ansonsten umfasste das Erzeugungsprogramm Messer aller Dimensionen, die viel- fach exportiert wurden. Leider blieb das Glück dem Unternehmen nicht lange treu, die Schilling-Stabilisierung brachte das Ende der Hochkonjunktur der Nachkriegszeit. Eine wesentliche Herabsetzung des Arbeiterstandes war unvermeidlich, um 1925 zählen wir nur mehr ca. 200 Dienstnehmer. Die beginnende Geschäftslosigkeit bestimmte weitgehend die Entwick- lung der "Merkurwerke". Trotz aller Anstrengungen, trotz bester Zusammenarbeit zwischen Unterneh- mern und Arbeiterschaft unterlag der Betrieb einer rückläufigen Entwicklung. Kurze Zeit nach dem Ableben des Gesellschafters Josef Pessl veräußerte Hr. Otto Christ das Unter- nehmen, welches kaum mehr 100 Menschen Arbeit geben konnte, an die Firma Franz Pils Söhne, die dank der Förderung seitens eines österreichischen Kreditinstituts anno 1931 einen großen Teil der ös- terreichischen Schneidwarenerzeugung beherrschte. 5. Messer- u. Stahlwarenfabrik Franz Pils Söhne, Sierning b. Steyr: In Sierning erwuchs in der Firma Franz Pils Söhne zusehends ein bedeutsamer Faktor der österrei- chischen Messerindustrie. Bedauerlicherweise schied im Jahre 1921 Franz Pils sen., ein noch heute anerkannter Fachmann unserer Branche, aus dem Unternehmen aus. Sein Bruder, Hr. Ludwig Pils, führte den Betrieb mit den Gesellschaftern Adolf Herzog und Richard Trommer weiter. Über die Firma Franz Pils Söhne versuchte nun ein ungenannt bleiben wollendes österreichisches Kreditinstitut entscheidenden Einfluss auf die österreichische Messerindustrie zu erhalten. Durch großzügigste Kreditgewährung wurden Ludwig Pils, Adolf Herzog und Richard Trommer in die Lage versetzt, 1929 die Firma "Joachim Winternitz Neffen" in Steyr und schon 2 Jahre später die "Merkur- werke" in Neuzeug zu erwerben, wobei in letzterer der Schwerpunkt der Erzeugung lag. Endziel dieser Bestrebungen war die Fusionierung der gesamten österreichischen Schneidwaren- industrie. Im Jahre 1931 fanden ca. 300 Arbeiter und Angestellte in dem, allerdings stark belasteten Unter- nehmen Beschäftigung. Man erzeugte Stahlheft-, Hohlheftbestecke, alle SortenMesser für Küchen und Gewerbebedarf, als Spezialität des Unternehmens galt die Herstellung von Stahlwaren aus nichtros- tendem Stahl. Der Betrieb exportierte nach Nord- und Südamerika, Schweden, Dänemark, Griechenland, in die Levantestaaten und nach der Türkei . 1 Die wirtschaftliche Lage in der österreichischen eisenverarbeitenden Industrie gestaltete sich zu Beginn der 30er Jahre immer trister, die Messererzeugung kam fast völlig zum Erliegen. Die Fusionsbestrebungen erfuhren eine neuerliche Intensivierung, lediglich die Firma "Josef Hack, Messerwarenfabrik" stand noch außerhalb der von manchen erstrebten Gemeinschaft. Im Jänner des Jahres 1932 kam es zur Katastrophe, der Direktor des vorhin erwähnten Kreditinsti- tutes, der übergroße ungedeckte Kredite an die Firma Franz Pils Söhne vermittelt hatte, beging mit seiner Familie Selbstmord. Jenes tragische Ereignis führte zum völligen Zusammenbruch der österreichischenMesserindustrie, lediglich das Hack’sche Unternehmen überstand heil diese schwerste Zeit der heimischen Schneidwa- renindustrie. Das Sierninger und Steyrer Werk der Firma Franz Pils Söhne kam für immer zum Stillstand, das Neu- zeuger Werk (Merkurwerke) wurde vorerst im verkleinerten Umfang von dem schon oftmals zitierten Kreditinstitut weitergeführt, welches als Geschäftsführer die Herren Franz Jagersberger und Dr. Adolf Jagersberger berief. 2 Im Jahre 1941 erfolgte der Verkauf des Werkes an die Hr. Otto Harmer und Dr. h.c. Hans Malzacher. Unter neuer Führung erfuhr der Betrieb einen erfreulichen Aufschwung, dessen nähere Darstellung einem späteren Abschnitt Vorbehalten sei. Am 18. August 1945 wurde die Firma Franz Pils Söhne in die Firma "Neuzeughammer-Ambosswerk, Gesellschaft m. b. H." verändert und zählt als solche heute zu den führenden Betrieben der 1 Compassverlag Wien; "Industrie-Compass", Österr. 1931-32, Bibliothek der Handelskammer Linz. 2 Gewerberegister Steyr, 8269/17. 12. 1934

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