Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
-87- Handwerksverlag. Die Unzufriedenheit über die geschilderten Verhältnisse waren die Gründe für den Handwerkeraufstand bei den Ratswahlen zu Beginn des 16. Jh. 1 Eine kaiserliche Kommission wurde zur Beilegung dieser Streitigkeiten hierher gesandt, die eine Ordnung für den Handwerksverlag er- ließ. Im Laufe des Jahrhunderts, als sich ein geschlossener Stand der Eisenhändler bildete, kam auch der Handwerksverlag wieder in bessere Ordnung. Erst um 1580, als sich Absatzschwierigkeiten bemerkbar machten, gab es auch im Messerverlag Unstimmigkeiten. 2 Die Zeiten der „Wierde“ waren vorbei, in denen die Händler nur mit großen Quantitäten Handel trieben, gutes und schlechtes Messerwerk aufkauften und reißend Absatz fan- den. Obwohl es üblich war, dass die Lieferungen an die Händler zu je 1000 Stück erfolgten, konnten manche Messerer nicht mehr als 100 Stück an ihre Verleger abgeben; diesen waren sie wirtschaftlich völlig ausgeliefert, sie nannten sich selbst „Leibeigene, deren man sich bedient, wenn man sie braucht und in Notzeiten sich selbst überlässt“ . 3 Mit Neid sahen die Messerer auf die Händler, die sich in schlechten Zeiten auf ihre Güter zurückzogen, vom erhandelten Kapital lebten und das Ge- werbe hungern ließen. Wie die Klingenschmiede mit den Messerern, so führten diese mit ihren Händlern schwere Kämpfe wegen Erhöhung der Messerpreise. Die allgemeine Preissteigerung Ende des 16. Jh. berechtigte auch die Messerer zum teureren Verkauf ihrer Waren, jedoch jahrelang konn- ten sie keine Erhöhung der Messerpreise erzielen. In diesen Zeiten beliefen sich die Gestehungskos- ten höher als ihnen die Verleger für die Waren bezahlten , 4 das Handwerk arbeitete also zum eigenen Verlust. Dabei mussten die Meister die Abnützung der Werkzeuge, wie Hämmer, Feilen, Durch- schläge etc., die Unterhaltskosten für sein Gesinde und seine Familie, die Fürlehen für Klingen- schmiede, Schleifer und Schroter berücksichtigen. Es kann daher nicht wundern, dass das Handwerk in kurzer Zeit sehr abnahm. Der Rat der Stadt, dem die Bedeutung des Handwerks für die Stadt nicht unbekannt war, befasste sich eingehend mit jenem Problem, überprüfte Preise, Erzeugungsmenge und Qualität und machte Vorschlag zur Besserung der Verhältnisse. Nach Meinung des Rates konnte eine wirksame Hebung des gesamten Handwerks nur durch den Zusammenschluss aller Verleger zu einer Kompagnie geschehen. Diese sollte, wie die Eisenhandlungskompagnie, von der kaiserlichen Kommission, die deswegen in Steyr tätig war, errichtet werden. Jeder Verleger hatte nach Aufrich- tung dieser „Messerhandlungskompganie“ alle Messer „Samt und sonders in diese Gesellschaft zu geben“ und durfte keinen Auswärtigen noch eine hiesige Privatperson damit beliefern. Nach dem Muster der Eisenhandlungskompagnie sollte auch jeder Bürger mit seinem Leggeld Zutritt haben und konnte seine Vorteile daraus ziehen . 5 Aber nicht nur das Handwerk, auch die Händler lehnten ganz energisch diese Einrichtung ab. Die Meister zweifelten, dass die Kompagnie ihre Schulden bei hiesi- gen und ausländischen Händlern zahlen würde, auch war man nicht sicher, ob diese Gesellschaft außer dem Verlagsfürlehen den wöchentlichen Geldzusatz, wie es die Verleger tun, geben würden; die Kompagnie müsste außerdem zu Marktzeiten Buchsholz, Leder und Messing kaufen. Die Messe- rer hatten also kein Vertrauen zu dieser neuen Einrichtung und lehnten sie ab; überdies wäre die Messerhandlung immer ein freies Gewerbe wie die Eisenhandlung und konnte von jedem Bürger betrieben werden. Eine Preiserhöhung allein wurde schon eine wesentliche Besserung ergeben . 6 Die Händler pochten ebenfalls auf das seit alter Zeit freie Gewerbe; es bestand sowohl für Bürger als auch für Fremde die „freie Messerhandlung“. Die Praxis hatte gezeigt, dass durch die drei Parteien - 1 vgl. S. 30; Klingenschmiede und Messerer waren die Anführer in diesem Aufstand. 2 Aus der Zeit um 1580 erhalten wir daher reichen Aufschluss über die Verlagsverhältnisse im Messerergewerbe. 3 1580 Beschwerde der Messerer über die Verleger, XI/5, St.A. 4 1550 zahlten die Händler den Messerern für 1000 „Mödl“ oder „Zweilinge“: 56 fl., für 1000 „Grazer“: 34 fl., 1580 zahlten die Händler den Messerern durchschnittlich 53 fl. für die „Mödl „oder „Zweilinge“; nur in 2 Fällen zahlten die Verleger 56 fl. und höchstens 32 fl. für die Grazer. 1556 war jedoch der Lebensunterhalt und sämtli- ches Zubehör wesentlich billiger; vgl. S. 57, Anm. 7; vgl. S. 59, Anm. 4; vgl. S. 62, Anm. 3. Ende des 16. Jh. betrugen die Gestehungskosten von 1000 Mödl oder Zweilinge: 54 fl. 4 ß 20 Pfg., von 1000 Grazer: 32 fl. 7 ß 24 Pfg.; 1580 April 18, Bericht des Messererhandwerks wegen der nötigen Reformation hiesiger Messerwerkstatt an den Rat der Stadt, IV/10/374, St.A.; vgl. 1580 Verzeichnis der Messerhandelsleute zu Steyr, ihre verlegten Messerer und die Preisvereinbarungen, IV/10/374, St.A.; Anhang Nr. 10; vgl. S. 84. 5 1580 Febr. 10, Bürgermeister, Richter und Rat an das gesamte Handwerk der Messerer, IV/10/374, St.A. 6 1580 März 14, Handwerk der Messerer an den Rat wegen der Messerhandlung, IV/10/374, St.A.
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