Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-86- 2. Der Messerhandel und seine Organisation Im Mittelalter war jeder bürgerliche Meister eines Handwerks berechtigt, Handel mit seinen Er- zeugnissen zu treiben. Den Messerern der Stadt Steyr wurde Mitte des 15. Jh. gestattet, nicht nur Handel mit ihren Waren zu treiben, sondern sie erhielten auch „alle anndre gerechtigkait ... ze han- deln als annder mitburger daselbs haben und als der rat zu Steir recht ist und so von alters herbracht haben ...“. 1 Das Gewerbe der Messerer, das nicht so sehr für die Befriedigung des lokalen Marktes als für den Export arbeitete, kam gegen Ende des Mittelalters mit dem Handel in immer engere Ver- bindung. Die Meister des Handwerks sahen sich bei den umfangreichen Handelsgeschäften außer- stande, diese auf die Dauer weiter zu betreiben; abgesehen, dass sie ihre Werkstätten schließen mussten, wenn sie auf Jahrmärkte zogen, erforderten die neuen Absatzgebiete auch lokale Kennt- nisse. Auch erforderte die Konkurrenz der Meister untereinander größere Anpassungsfähigkeit an den Bedarf, sie mussten beweglicher und rühriger sein und kommerziellen Sinn besitzen. Die Tätig- keit des Messerers, der anfangs Produktion und Absatz in seiner Hand vereint hatte, erfuhr eine Trennung; es entstanden allmählich zwei voneinander abgesonderte, selbständige Berufe. Die Meis- ter mit gewissem Kapital und kaufmännischen Talent stellten den eigenen Betrieb ein und widmeten sich ausschließlich dem Messerhandel, wurden zu kaufmännischen Unternehmern, zu hausindustri- ellen Verlegern. Jene Messerer gaben also die eigene Produktion immer mehr auf und befassten sich ausschließlich mit dem Absatz der Waren, die andere Meister herstellten. Der große Bedarf an Mes- sern, der schwungvolle Handel, der damit betrieben wurde, bildeten die Voraussetzungen für die Ausbildung des Verlagsverhältnisses, jener Organisationsform, durch die auch Klingenschmiede und z. T. auch Schleifer an die Messerer gebunden waren. 2 Diese Messerhändler schlossen mit ihren ver- legten Messerern Verlagsverträge durch die die beiderseitigen Verpflichtungen festgelegt waren; die Handwerker waren auf diese Handelshäuser also angewiesen. Neben den geschäftstüchtigen Messerern, die sich zu Großkaufleuten emporschwangen, befassten sich auch die Eisenhändler ne- ben dem Eisenverlag mit dem Vertrieb jener Waren. Ende des 15. Jh. als das Leben der Stadt auf allen Gebieten darniederlag, auch der Rad- und Hammerwerksverlag nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, traten ebenso für das Handwerk schlimme Zeiten ein. Infolge der Absatzstockungen sanken die Preise und Spekulanten fanden hier guten Boden für ihre Geschäfte. Diese kauften zu billigen Preisen die gesamten Erzeugnisse auf, verwendeten oftmals geliehenes Geld hiefür und be- reicherten sich in kurzer Zeit. Lorenz Gutprodt, der Begründer eines der größten Verlagshäuser, schuf auf diese Weise sein Vermögen. Dieser kam ganz mittellos nach Steyr, beteiligte sich mit ge- borgtem Geld in der geschilderten Weise amMesserhandel und erwarb in einem Jahr mehr als 7.000 fl. 3 In dieser Not beschlossen die Messerer ihre sämtlichen Erzeugnisse an einen Wiener Händler abzugeben, schlossen Lieferungsverträge mit diesem, der die Messer den Steyrern nach dem Tau- send zu bezahlen hatte. 4 Die gesamte Messerverhandlung wollte man also zentral regeln und hoffte so, eine Besserung zu erzielen. Jene Regelung war jedoch nicht von langer Dauer, schon 1 Jahr später hielten sich die Messerer nicht mehr daran und forderten vom Rat eine neue Ordnung für den 1 1468 Okt. 10, Graz, Friedrich III. vgl. S. 83, Anm. 4. Auf diese Gerechtigkeit, mit der auch die „Leutgebschaft“ verbunden war, stützten sich die Messerer noch zu Beginn des 18. Jh. Der Herbergsvater und Zechmeister des Handwerks Matthias Schoiber betrieb 1670 die „Leutgebschaft mit ausgestecktem Zeiger“. Auf ihn kam 2 Jahr- zehnte später Benedikt Klett zurück, der mit Rudolf Kernstock, dem Zechmeister, im Namen des gesamten Hand- werks gegen das Verbot des Rates, außer mit Messerwaren auch mit anderen zu handeln, einen Prozess führte. Dieser Streit kam bis vor die Regierung und wurde 1718 beigelegt. Einigen Messerern blieb weiterhin gestattet, jenen Nebenerwerb zu treiben. 1694-1718 Prozess des Handwerks gegen den Rat der Stadt, XII/42, St.A. 2 vgl. S. 50 ff. Diese Zerlegung der Produktionsprozesse trat auch in der Solinger Messerfabrikation ein. Hier hatte sich diese Teilung erst im 15. Jh. angebahnt. Der Fertigmacher wurde hier ebenfalls zum Verleger; er sammelte die Fabrikate der zerstreut liegenden Werkstätten; er nahm den Messerschmieden, den Hefte- und Bändema- chern ihre an sich unverkäuflichen Produkte ab und setzte sie zu Messer zusammen. In seinen Händen lag die Verhandlung. Kulischer 115; vgl. Thun, die Industrie am Niederrhein II. 24 ff. 3 1507, dieser war „noch vor Jahren ein armer Diener, jetzt aber habe er wohl 8. 000 fl. im Messerhandel erwor- ben“. Preuenhuber 176; andere Messerhändler fanden keinen Erwerb; ddo. 176. 4 ddo. 196.

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