Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
-76- 10. Die „Vereinigten niederösterreichischen redlichen Messerwerkstätten“. a. Gründe für den Zusammenschluss Das zum selbständigen Handeln herangereifte Gruppenbewusstsein der Zünfte, das Loslösen aus den engen Grenzen der einzelnen Orte tritt uns nicht nur bei diesem Handwerk entgegen; Zunft- bündnisse zwischen Meister derselben Gewerbe in verschiedenen Märkten und Städten sind bereits im 14. Jh. nachzuweisen. 1 Das Messererhandwerk war zu Beginn des 14. Jh. weit über Ober- und Niederösterreich verbreitet und erlebte in jenen Jahren eine Blütezeit. Es kann daher als natürliche Entwicklung angesehen werden, dass die Meister dieses hochentwickelten Handwerks mit seinem schwungvollen Exporthandel untereinander Verbindung suchten. Ausschlaggebend waren die ge- meinsamen fachlichen, wirtschaftlichen und handelspolitischen Interessen, die in der Gleichartigkeit der Betriebe verwurzelt waren. Um die schädliche gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden, versuch- ten die Meister dieses Handwerks durch gemeinsame Regelungen alle strittigen Fragen zu beseitigen und gesunde Existenz und Entwicklungsbedingungen für das Handwerk zu schaffen. Man betrieb also interlokale Gewerbepolitik. Die Regelung der Arbeitsverhältnisse, der Rohstoffragen, der Absatz und Handelsbedingungen galt als vornehmstes Ziel dieses Verbandes, der uns 1439 zum ersten Male als „vereinigte niederös- terreichische redliche Messerwerkstätten“ entgegentritt. Unmittelbarer Anlass zu diesem Zusam- menschluss war durch die ernstliche Zwietracht zwischen Meister und Gesellen von Wien im Jahre 1433 gegeben: die aufständischen Gesellen erhielten strengen Arrest und wurden auf ein Jahr aus der Stadt ausgewiesen. Doch die Gesellenfrage war trotz jenes Urteils nicht zur Ruhe gekommen und man versuchte nun durch einheitliche Regelung eine Änderung zu schaffen. 1439 schlossen die Meis- ter von Wien mit denen von Steyr, St. Pölten und Waidhofen an der Ybbs eine Vereinbarung, die am 23. Juni desselben Jahres dem Wiener Rat zur Genehmigung vorgelegt wurde. 2 Wenn auch jede Werkstätte ihre eigene Handwerksordnung hatte, die sich auf altes Herkommen und verliehene Rechte stützte und die immer neu bestätigt wurde, so ergab sich trotzdem die Notwendigkeit einer gleichmäßigen Ausrichtung besonders in den erwähnten Fragen. Es handelt sich also hier um eine freie, von den politischen Grenzen unabhängige, allein durch die Bedürfnisse des Gewerbes bedingte Einrichtung. Die Stadt Wien wurde zweifelsohne als Zentrum anerkannt, hier finden die Versamm- lungen der vereinigten Werkstätten statt: der dortige Rat hatte das Recht, die vereinbarten Artikel und Ordnungen zu bestätigen oder zu ändern, auch wenn sie von den außerstädtischen Handwerken angenommen worden waren. Im Jahre 1470 kamen die beiden kleineren Werkstätten Wels und Krems zu diesem Verband, wie aus den Beratungen dieses Jahres zu ersehen ist . 3 Im Laufe der Zeit wurde aber den Wienern der Mitbewerb der anderen Werkstätten unbequem, sie suchten durch kaiserliche Erlässe ihr Messererhandwerk zu schützen. 4 Wien musste jedoch seine Vorrangstellung an Steyr abtreten. Bei der nächsten Beratung im Jahre 1546 trat Steyr bereits als Sitz der Verhand- lungen auf, diese Stadt galt als „Hauptmesserwerkstätte“. 5 Erneut wurde auf den Zweck dieser Ver- einigung hingewiesen; da die einzelnen Werkstätten für sich ihre eigenen Handwerksbräuche pfleg- ten, waren nicht nur unter den Meistern sondern auch unter dem Gesinde viel Eigennützigkeit, Un- ordnung und Unzucht eingerissen, daher „haben wir uns von newem verglichen von veraint“; dadurch sollten alle Unstimmigkeiten beseitigt werden und gleicher und vereinter Handwerksge- braucht sollte zwischen den vereinigten Werkstätten herrschen. Die Handwerksprivilegien und Frei- heiten jeder Werkstatt sollten jedoch in keiner Weise verändert werden. Wien mit seiner Messer- werkstätte fand in jener Vergleichschrift und auch in sämtlichen späteren Vereinbarungen keine 1 Popelka 137/38. 2 Uhlirz 623; vgl. S. 47, Anm. 5. 3 1470 St. Thomastag des heiligen Zwölfboten, Messererordnung, (Wien, Steyr, St, Pölten, Waidhofen, Wels, Krems) wie S. 47, Anm. 5. 4 1481 Aug. 17, Friedrich III. verbot den Waidhofnern und St. Pöltnern den Verkauf ihrer Erzeugnisse in Wien außerhalb der Jahrmarktszeiten; Uhlirz 654. 5 1546 Sept. 14. Vergleichschrift der 5 niederösterreichischen Werkstätten. (Steyr, Waidhofen, Wels St. Pölten, Enns) IX/28, St.A.; auch Krems findet keine Erwähnung mehr, doch tritt seit dieser Zeit die Stadt Enns hinzu.
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