Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-72- Viergesellen wurde nun ihre „Kundschafft“, verlesen und geprüft . 1 Diese Nachrichten von ausländi- schen oder heimischen Werkstätten waren geheim zu halten und durften von den Gesellen nicht wei- tererzählt werden. Hatte der Geselle das Handwerk und die Lehrjahre „ehrbarlich und aufrichtig“ ver- bracht, konnte mit „Schenken und Zuschicken“ bewiesen werden, dass man ihn als redlichen Messe- rergesellen annahm. Bei der Schenke hatten die fremden Gesellen Gelegenheit von den Meistern zu erzählen, bei denen sie gearbeitet hatten, brachten Grüße von Steyrer Gesellen, die in der Fremde arbeiteten und ein enger Kontakt war bald hergestellt. Die Viergesellen, die jene Meister wussten, die Gesellen brauchten, nahmen nun das „Zuschicken“ vor. Es ging dabei ein Viergeselle mit dem Fremden zum Meister, der diesen mit Wein, Käse und Boot bewirtete. Passte es dem fremden Gesellen nicht bei diesem neuen Meister, so durfte jener ohne Einverständnis des Meisters den Arbeitsplatz nicht wechseln; er war dem Meister für die Bewirtung ja verpflichtet. Bevor der Geselle dem Meister diese Unkosten nicht ersetzt hatte, wurde er weiterhin nicht mehr gefordert. Neben der Aufsicht über die Arbeitszuweisung und ihre Durchführung war die Bruderschaft auch verantwortlich für die Einhaltung der religiösen Pflichten ihrer Mitglieder. Dies galt als eine ihrer Hauptaufgaben. Der gemeinsame Besuch des Gesellengottesdienste an Sonn- und Feiertagen, am Na- menstag der Schutzpatrone, der Hl. Maria und Barbara war strengste Pflicht; wer aus „Mutwillen oder Verachtung“ diese versäumte und das Opfer durch einen anderen schickte, stand in der Gesellen Strafe. Auf den Empfang der Hl. Sakramente zur österlichen Zeit wurde größtes Gewicht gelegt. Sie mussten nach „Ordnung und Satzung der christlichen Kirche mit Leistung aller Gebühr, die dazu ge- hörte und gebräuchlich war“, empfangen werden. Viele Gesellen wollten sich aber nicht fügen und die Bruderschaft musste einen Druck ausüben, um die Einhaltung jener Vorschrift zu erreichen. Das wich- tigste und bedeutendste Auftreten der Bruderschaft im ganzen Jahr war die Teilnahme bei der Fron- leichnamsprozession. Die Gesellen sollten die Träger der Fahne, der Engel und „Hebel“ samt dem Kreuz aus ihren Reihen in der Herberge erwählen. Diese Fahnenträger erhielten von der Bruderschafft ein „zimbliches Frühstück samt Trunkgaben“; bis 1 Stunde nach dem Umgang gingen die gesamten Zech- kosten aus der Bruderschaftskasse. Waren für das Tragen der Fahne nicht genug Messerergesellen in Steyr, dann sollten auswärtige geworben werden; dieser Fall trat jedoch nie ein. Es galt als besondere Ehre, die Fahne, das äußere Zeichen der Bruderschaft, tragen zu dürfen. An diesem „großen Umgang“ beteiligten sich auch die Meister und die Jungen des Handwerks; noch Ende des 19. Jh. trugen bei diesem Umzug die Messergesellen die Fahne, sie waren sich voll Stolz der einstigen Bedeutung ihres Standes bewusst. Mit der Reformation Luthers, die hier in Steyr besonders stark sich auswirkte, än- derte sich mancher Brauch der auf streng katholischer Grundlage aufgebauten Bruderschaft. Nach der Gegenreformation, als Meister und Gesellen wieder katholisch wurden, feierten sie den Geburtstag Marias, ihrer Schutzherrin, wieder mit dem alten Glanz; ein Festgottesdienst mit anschließender Pro- zession wurde abgehalten und die Tradition in jeder Hinsicht gepflegt . 2 Da eine öffentliche Einrichtung für die Unterstützung bei Krankheit, Tod und Verarmung fehlte, setzte sich die Bruderschafft die Erfüllung dieser caritativen wohltätigen Zwecke ebenfalls als ihre Auf- gabe; ja die Notwendigkeit zur gegenseitigen Unterstützung, zur Hilfe bei Krankheit und anderen Un- glücksfällen ergab der gemeinsame Lebenskreis, dem die Gesellen angehörten. Aus der Bruderschafts- kasse erhielt der Unterstützung suchende, ein zinsenloses Darlehen, im Todesfall Hilfe für die Hinter- bliebenen. Die Bruderschaft sorgte für ein würdiges Begräbnis jedes Mitglieds und deckte die Begräb- niskosten für unvermögende Gesellen . 3 1 „Kundschaft“ = eine Art Arbeitsbuch; 1546 durften Gesellen von schlesischen Werkstätten ohne glaubwürdige Kundschaft ihres Abschiedes nur 14 Tage gefördert werden. 1573 verloren sie auch das Recht auf 14-tägige For- derung. 1546 und 1573 Vergleichschriften, IX/28; nach der Ordnung von 1546 durften Nürnberger, Wendelstei- ner, Schwabacher und Schmalkaldner Gesellen auf den redlichen Werkstätten nicht gefördert werden. 2 Die Messerer besaßen einen eigenen Altar im „Wieserfeld“, den sie zu Fronleichnam schmückten. Auch heute heißt jener Altar noch „Messereraltar“ und bildet die 4. Station im Fronleichnamszug. 3 seit 1731 eigene Leichenbestattung. Protokollbuch IX/-792, Stadtmuseum.

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