Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
-71- Seit alters her hatten die Messerergesellen ihr Gewohnheitsrecht, das nirgends aufgezeichnet war, doch jedem vertraut war. Hielt sich ein Geselle nicht daran, so wurde er verachtet. Nach Gründung der Bruderschaft im Jahre 1478 schrieben sie ihre Gewohnheitsrechte auf und legten sie durch die Meister dem Stadtrichter und dem Rat zur Genehmigung vor, die sie auch bestätigten . 1 Es war nun eine eigene Organisation entstanden, die den Gesellenstand in festen Schranken hielt, auf sein sittliches und ge- nossenschaftliches Verhalten großen Einfluss nahm. Die Leitung der Gesellenbruderschaft hatte nach dem Vorbild der Meisterzeche ein Zechmeister und die „Viergesellen“. Eine Änderung trat 1535 ein; ab dieser Zeit gab es keinen Zechmeister der Ge- sellenbruderschaft mehr. Die Leitung oblag nun den „Viergesellen“ allein; auch die Vertretung bei den Verhandlungen mit den Meistern hatten sie zu übernehmen. Die „Viergesellen“ hatten ihr Amt 13 Wo- chen lang auszuüben, am Wahltag selbst die „Irknkasse“ zu übernehmen und die „Irkn“ zur Vesperzeit abzurechnen. Nach der Wahl fand die Versammlung der Bruderschaft statt. Auf der Herberge wurde den Gesellen ihre Ordnung verlesen und über laufende Angelegenheiten berichtet. Alle 14 Tage trafen sich die Gesellen auf ihrer Herberge, hatten jedoch jede Zusammenkunft vorher dem Bürgermeister, dem Zech und den Viermeistern des Meisterhandwerks anzuzeigen. Eine Unterlassung dieser Anmel- dung zog Strafen nach sich. Die Einladung zu den Versammlungen erfolgte durch den Gesellenboten. Wer ohne triftigen Grund fernblieb, wurde ebenfalls bestraft. Zu diesen Versammlungen durfte kein Geselle mit einer Wehre, sie sei kurz oder lang, werde sie heimlich oder offen getragen, kommen. Man war also bedacht darauf, dass die Gesellen keine Beschlüsse gegen die Interessen und Privilegien der landesfürstlichen Obrigkeit, der Stadt und die Meister fassen würden und diese nicht bewaffnet durch- setzten. Bei allen Versammlungen stand, wie bei den Zusammenkünften des Meisterhandwerks, die Lade auf dem Tisch, in der alle wichtigen Urkunden, Dokumente und das Vermögen der Bruderschaft verwahrt wurden. Die Bruderschaft konnte sich nicht solche Reichtümer erwerben, wie das Meister- handwerk, doch sie besaß flüssiges Geld und auch feste Werte. Die Aufnahme eines freigesprochenen Jungen in die Bruderschaft war neben Erfüllung anderer Pflichten an die Zahlung eines ganzen Wo- chenlohnes in die Lade gebunden. Zu Beginn des 16. Jh. bestand dieser in 14-15 Pfg. 1573 betrug der Aufnahmebeitrag 1 Dukaten. Außerdem bestand die Verpflichtung am Jahrtag, dem Feste der Hl. Bar- bara, der Schutzpatronin der Bruderschaft, 1 „Jahrschilling“ zu bezahlen. Auch die Strafgelder flossen in die Lade. Nach Gewohnheit der Zeit hatte die Bruderschaft in festen Werten ihr Vermögen angelegt. Sie besaß von 1543-1620 das Haus Sierningerstraße 17, das während der Gegenreformation in fremde Hände gelangte. 2 Von 1543-1586 war ein kleines Haus im Aichet in ihren Besitz; von 1583-98 gehörte ihr in der Badgasse, unterm „Schauerstein“ ebenfalls ein kleines Haus. 3 Auch hatte die Bruderschaft viele Zehente und Bauerngüter erworben; die Verwaltung dieses gesamten Vermögens oblag bis 1535 dem Zechmeister, dann den 4 Gesellen. In Späterer Zeit wurde der Herbergsvater mit der Vermögens- verwaltung betraut. Bei ihm fanden die Versammlungen statt, die Zehrungen an den Festtagen, die Schenken und die „Irkn“; er war daher selbst der größte Rechnungsleger und musste das unbedingte Vertrauen der Gesellen besitzen. Auch oblag ihm die Eintreibung der Zehente. Der vom Rat bestellte Handwerkskommissär kontrollierte die Geldgebarung der Bruderschaft, 4 ebenso hatte das Meister- handwerk das Recht, die Zehentabrechnung zu überprüfen. Eine der Hauptaufgaben, die die Bruderschaft hatte, war die Arbeitsvermittlung der stellenlosen Gesellen durchzuführen. Diese ging nach dem üblichen Zeremoniell vor sich. Fremde zuwandernde Gesellen erhielten auf der Herberge im Beisein des Herbergsvaters die „Schenke“ oder den „Will- kommtrunk“. 5 Nach althergebrachter Gewohnheit mussten alle in Steyr arbeitenden Gesellen zur „Schenke“ kommen, wenn vier oder mehr neue Gesellen ankamen. Kamen oberländische Gesellen in Steyr an dann wurden alle Steyrer Messerergesellen aus den Werkstätten geholt. Im Beisein der 1 1535 Ordnung der Messerergesellen von Steyr, XI/5, St.A. 2 vgl. S. 55, Anm. 9. 3 nach den Steuerbüchern der angeführten Jahre, St.A. 4 1696 wollten die Gesellen dem Kommissar den Einblick in ihre Abrechnung verwehren, es gelang ihnen jedoch nicht. 5 Kam ein fremder Geselle an einem Wochentag, so schenkte ihm der Viergeselle 3 Kandeln Wein; kamen zwei Gesellen so erhielten sie 4 Kandeln; waren es aber drei, so bekamen diese 6 Kandeln.
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