Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-70- sich zu gewinnen. Dieses Geld verschwendeten die Gesellen oft auf Zechgelagen, kauften sich Kleider „von unzulässlicher Köstlichkeit“ und führten ein Leben, das inMüßiggang ausartete. Bummelnde, her- umschwärmende und zu Händeln aufgelegte, meist schon ältere Gesellen, waren nur schwer im Zaum zu halten. Neben den Unzuträglichkeiten und Zwistigkeiten zwischen Meistern und Gesellen, die sich aus den Forderungen nach immer mehr freien Stunden und Tagen ergaben, traten noch jene, die die Meister unmittelbar schädigten: die Gesellen arbeiteten in dieser Freizeit auf ihre eigene Rechnung und wurden scharfe Konkurrenz für die Meister des Handwerks . 1 Das soziale Problem zeigte sich also bereits in jener Zeit in seiner krassen Form. Die Gesellen waren abhängige Lohnarbeiter, ohne viel Aussicht auf Besserung ihrer gegenwärtigen Lage. Nur einem kleinen Prozentsatz aus ihren Reihen war es gelungen, die Meisterwürde zu erlangen, da dies mit großen finanziellen und technischen Schwie- rigkeiten verbunden war . 2 Hier trat der Zunftgedanke unverhüllt hervor. Man suchte der bevorrechte- ten Klasse der Meister möglichst ausreichende Daseinsmöglichkeiten zu sichern, jedoch unter Aus- schluss des freien Wettbewerbs , 3 dass die Sorge um tüchtigen Nachwuchs hierbei in den Hintergrund trat, ist nur zu klar. Auch wenn der Bewerber alle die geforderten Bedingungen erfüllte und es wider- strebte der Zunft, ihn aufzunehmen, musste der vorwärtsstrebende Geselle trotz seiner Fähigkeiten auf die Meisterwürde verzichten. Die Zulassung zur Meisterwürde war also derart erschwert, ein Selb- ständigwerden der Gesellen fast unmöglich, sodass daher die Gesellenzeit als keine Übergangszeit zur Meisterzeit angesehen werden kann; es mussten viele Gesellen ihr Leben lang unselbständig bleiben. Die momentane Lage des gesamten Handwerks war ebenfalls maßgebend, ob die Möglichkeiten Meis- ter zu werden, grösser oder geringer waren . 4 Für verheiratete Gesellen gestaltete sich dies noch we- sentlich schwerer, da nur ledige Gesellen geachtet waren. Ihre Zahl vermehrte sich jedoch immer mehr und sie suchten daher auf unredliche Art zu erreichen, was ihnen sonst nicht möglich war: Sie wurden auf „unredlichen“ Werkstätten Meister. 5 Diese Werkstätten, die ohne landesfürstliche Genehmigung errichtet wurden, bedeuteten große Konkurrenz für die redlichen, daher standen auch schwere Stra- fen, wenn ein Geselle hier arbeitete. 6 Ein Meistersohn verwirkte sich sogar das Meisterrecht! Schon im Jahre 1529 waren in „Wilhalmbspurg, Piesing, Purkhstall, Weitten, Rabenstein und anderen un- ziemblichen Orten“ diese „Staudenwerkstätten“ entstanden; die hier erzeugten Messer wurden an keiner Mautstätte verzollt, sondern heimlich verführt, so dass der Kaiser hiefür keine Gefälle einziehen konnte . 7 Die Errichtung dieser Werkstätten kann als Selbsthilfe der Gesellen angesehen werden, je- doch eine Regelung all dieser Fragen wurde dadurch keineswegs erzielt. Auch die Gesellenbewegun- gen und -aufstände erfüllten ihre Ziele nicht. 8 Die Gesellen versuchten seit der Mitte des 15. Jh. durch korporativen Zusammenschluss eine Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage zu erzielen. An diese sozia- len und wirtschaftlichen Gründe schlossen sich kirchliche und gesellige, die gemeinsam die Errichtung einer eigenen Bruderschaft bewirkten. 1 vgl. S. 70. 2 vgl. S. 67 ff. 3 Im Mittelalter und an der Wende zur Neuzeit gingen verliehene, erworbene und ersessene Rechte jeder ver- nünftigen Erwägung, dass eine Änderung von Vorteil sei, voran; Bechtel 217. 4 1573 Vergleichschrift; ein Geselle musste in Steyr, Steinbach und Waidhofen 5 Jahre gearbeitet haben, ehe er Meister werden konnte, in Wels und Enns: 3 Jahre, in St. Pölten: 2 Jahre, IX/28, St.A. 5 Die Gesellen, die hier arbeiteten, hießen „Fretter“. 6 Ein Geselle, der dreimal auf einer Staudenwerkstätte gearbeitet hatte, durfte auf einer redlichen nicht mehr gefördert werden. 1573, Vergleichschrift, IX/ 28. 7 Michael Größ zu Ybbs und Leonhard Vischer zu Krems erzeugten auch auf unredliche Weise Messer. Auch an anderen Orten waren diese verbotenen Werkstätten entstanden. 1529 die Messerer der 5 niederösterreichi- schen Werkstätten an den König. 238/114/S, HKA. 8 Trotz strengen Verbotes „ohne des Meister Wollen aufzustehen und zu feiern“ kam es zu Gesellenaufständen. 1564/61 Okt. 9, Messerer von Steyr an Bürgermeister, Richter und Rat, OBA.

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