Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-66- b. Handwerksversammlungen Im 15. Jh. besaß das Handwerk uneingeschränktes Versammlungsrecht. Die Viermeister beriefen „bei Notdurft des Handwerks“ die anderen Meister zur Versammlung ein; ihrem Ruf hatten alle Folge zu leisten, ansonsten sie „zween grozzen ze wandl“ zu zahlen hatten. 1 Der Landesfürst versuchte wohl, sich bei Handwerksversammlungen Einfluss zu verschaffen; es sollte dort nichts beschlossen werden, was gegen den Landesherrn oder das Land selbst wäre . 2 Die Viermeister hatten jedoch weiterhin die Vollmacht Versammlungen einzuberufen. Eine Änderung trat erst 1505 ein. 3 Das uneingeschränkte Versammlungsrecht der Meister wurde aufgehoben; jede Zusammenkunft musste ab nun dem Bür- germeister der Stadt angezeigt werden, der ihre Abhaltung bewilligen musste, andernfalls die Ver- sammlung nicht stattfinden konnte. Auch hatte der Bürgermeister das Recht ein oder zwei Räte zur Versammlung zu verordnen. Das Handwerk wählte zwar seine Vorstände (die Viermeister) selbst, doch die Abhaltung von Versammlungen war an die Zustimmung der städtischen Behörde gebunden. Die Handwerksvorsteher waren in diesem Falle Amtsorgane der städtischen Behörden. Über den Verlauf jeder Versammlung hatte der vom Bürgermeister entsandte Rat, meist der Handwerkskommissär selbst, schriftlichen Bericht an den Magistrat zu geben. Die Einberufung von Versammlungen hatte die verschiedensten Gründe. Die Hauptversammlung des Handwerks fand am Jahrtag statt, dem großen Fest für das Handwerk; an diesem Tage trafen sich Meister, Gesellen und Jungen in der Herberge, zogen von dort in feierlichen Zug in die Stadtpfarrkirche und ver- brachten gemeinsam diesen Ehrentag. Es erschien auch eine Anzahl junger Burschen mit ihren Bürgen, um als „Messerjungen aufgedingt“ zu werden. 4 Auch die Freisprechung der Lehrjungen erfolgte bei dieser Hauptversammlung . 5 Die Gesellenfrage gab oft Anlass zur Einberufung einer Handwerksversammlung, die Förderung, Entlohnung und die Arbeit der Gesellen selbst galten häufig als ungelöste Fragen. Aber auch Probleme, die die Handwerksinteressen selbst betrafen, wie Materialbeschaffung, Klingenbezug durch die Schmiede, Beschau, und Zeichenfrage, Errichtung von neuen Werkstätten, Verhandlungen mit den Mes- serhändlern u. a. m. wurden hier auf den Versammlungen erörtert um teilweise bereinigt. Die Versammlungen fanden stets bei offener Handwerkslade statt, diese bildete symbolisch den Mittelpunkt des Handwerks. 6 In ihr befanden sich die Ordnungen und Freiheitsbriefe, die Versamm- lungsbeschlüsse und Protokolle. Außerdem wurden die Siegel und das Barvermögen hier aufbewahrt . 7 Die Lade, der man so große Verehrung entgegenbrachte, war kostbar und kunstvoll ausgestattet und mit Schnitzerei und Einlegearbeiten verziert. War die Lade geöffnet, dann galt äußerste Zurückhaltung als oberste Pflicht für jeden: Schelte und Schmähworte durften nicht gesprochen werden, auch das Tragen von Waffen war strenge verboten, ansonsten Strafgelder eingezogen wurden. 8 Die Zusammenkünfte fanden in der Meisterherberge statt; der Herbergsvater sorgte für das leibli- che Wohl der ihm anvertrauten Gäste. Die älteste Nachricht hierüber stammt aus verhältnismäßig sehr später Zeit, aus dem Jahre 1677. 1 1407 ? Juni 23, Freiheit Herzog Ernst, vgl. S. 36, Anm. 3. 2 1468 Okt. 19, Freiheit Friedrich III. vgl. S. 65, Anm. 3. 3 1505, Entscheid Maximilian I., XII/42, St.A. Diese Bestimmung wurde 1527 Apr. 1, für die 5 niederösterreichi- schen Lande bindend. Ordnung Ferdinands I., Thiel 513. 4 Unter „Aufdingen“ versteht man die Aufnahme eines Lehrjungen in das Handwerk. Sein Bürge musste sich verpflich- ten den Lehrmeister des Jungen zu entschädigen, falls ihm durch diesen Schaden erwachsen wäre. vgl. S. 68. 5 Mit der Freisprechung eines Jungen war sein Lehrverhältnis beendet, er galt nun als Geselle des Handwerks. vgl. die Eintragungen im „Aufding- und Freisagbuch“, XII/ 10, St.A. 6 Sie wurde meist im Hause des Zechmeisters aufbewahrt, der innerhalb der Stadtmauern wohnen musste. Als Schierfer Matthias 1633 Zechmeister war, aber außerhalb der Stadt seinen Wohnsitzt hatte, blieb die Lade bei Hans Englahner, Messerermeister in Steyrdorf. Auch der Zechmeister Christoph Klett 1667/70 überließ sie aus denselben Gründen Hans Leymüller; Meisterbuch, XII/9, St.A. 7 Das Barvermögen bestand aus: Auflagegeld = Jahrschilling und Wochenkreuzer aller Meister, außer demMeist- erboten und den Meisterwitwen; Aufnahmegeld der neuen Meister und der Jungen, Strafgelder für Überschrei- tungen der Handwerksordnung. 8 1677 war die Herberge beim Ratsherrn und Zechmeister des Handwerks Matthias Schoiber im Steyrdorf, Kir- chengasse 18.

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