Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-61- Zwingenerzeugung: Aus Packfongblech wurden Streifen geschnitten, die die Länge der gerollten Zwinger haben musste. Die Schnittflächen wurden etwas angefeilt, weil dort die Lötstellen entstehen sollten. Mit einer Zwingenschere, auf der seitlich ein Anschlag war, wurde die Höhe der Zwinge rasch abgeschnit- ten, dann mit einer Spitzzange eingerollt und auf einem Draht aufgesteckt. Dort, wo die eingerollten Zwingen zusammenstießen, wurde ein dünner Längsstreifen Messingblech eingeschoben, der das Lot bildete. Nun wurde gestampfter Borax mit Wasser verdünnt und mit einer Feder auf die Lötstelle aufgestrichen. Die so aufgefädelten Zwingen erwärmte man sehr vorsichtig in einem kleinen Feuer, da die Schmelzpunkte des Packfongs und Messings sehr nahe beisammen lagen. Sobald der Messe- rer bemerkte, dass bei der ersten Zwinge das Messing zu fließen begann zog er das Drahtgerippe rasch durch die Flammen, damit die Packfongzwingen nicht abschmolzen; der Lötprozess war somit beendet. Die Zwingen wurden vom Draht abgezogen, auf einen konischen Auftreibdorn, der dem Durchmesser der Zwinge entsprach, aufgesteckt und auf einer Bleiunterlage auf dem Schraubstock mit einem Hammer aufgetrieben. Die Zwingen wurden auf diesem Dorn gefeilt, mit einer Lederfeile geputzt, poliert, oben und unten noch bestoßen, damit der Rand flach wurde. Bei besonders schönen Zwingen feilten die Messerer noch ein „Schnürl“ auf. Um die Beheftung einer Messerklinge anschaulich darzustellen, versuchte ich, diese Arbeitsgänge in einer kleinen Skizze darzustellen : 1 Fig. 1. Klinge mit Spitzangel Fig. 2. Gevierteilte Röhrenknochen der Rinder Fig. 3. Behackte Seitenflächen Fig. 4. Gebohrte und durch Teilen geformte Heftkontur Fig. 5. Heft aufgeschäftet Fig. 6. Zwinge auf das Heft aufgesetzt, Klinge eingekittet, rückwärts vermietet, Heft fassoniert und ausgebreitet Fig. 7. Packfongblech in der Stärke von 0,5 mm Fig. 8. Abgeschnittene Teile Fig. 9. Zusammengerollter Teil Fig. 10. Diese Teile aufgefädelt und vorbereitet zum Löten Fig. 11. Nach dem Löten am Zwingendorn auf trieben und „Schnürl“ eingefeilt. Die wöchentliche Arbeitsleistung eines Gesellen wurde bereits im 16. Jh. auf 200-250 Messer fest- gesetzt; 2 auch im 19. Jh. hatte sich die wöchentliche Erzeugungsmenge nicht geändert. Es führten aber nicht alle Meister mit ihren Gesellen und Jungen dieselben Arbeiten aus; eine Trennung in der Beschalungs- und Beheftungsarbeit war bereits im 16. Jh. eingetreten . 3 Der Großteil der Meister erzeugte Griffe für „Frumb-“ und „Hauffenwerk“, die übrigen betrieben die „Paarmes- serei“. Frumbarbeit stellte die Haupterwerbsquelle der Messerer dar, es war die begehrteste Export- ware, daher manche Messerer „Stückwerker“ für „Frumbarbeit“ in ihren Diensten hatten. Diese wa- ren selbst Meister, die für einen oder mehrere Verleger arbeiteten. 4 Der Stückwerker arbeitete in 1 Anhang, Blatt: 24. 2 1584, Vergleichsschrift, IX/28; die Entlohnung erfolgte bis zum Ende des 15. Jh. in Form von „Tagwerken“, später nach „Stückwerken“. 1584 erhielt ein Geselle für 100 Zweilinge 20 kr. für 100 Frumbwerk oder gute Messer 15 kr. war jedoch ein Geselle nicht im Stande „Stückwerk“ zu erzeugen, so erfolgte seine Entlohnung wöchentlich nach dem üblichen Satz. 3 1584, Vergleichsschrift, IX/28; St.A. 4 Mitte des 18. Jh. war es noch üblich, dass ein Stückwerker mehrere Verleger für seine Erzeugnisse hatte. 1546 wurde es verboten, die Stückwerker vor Erfüllung ihrer Lieferungsverpflichtungen dem 1. Meister gegenüber „abzureden“, die Arbeit liegen zu lassen und für einen andern Meister zu arbeiten. Nahm ein Stückwerker das Fürlehen seines Verlegers an (1580: 40 fl. bei einem behausten, 20 fl. bei einem unbehausten), so war er ver- pflichtet, für diesen zu arbeiten. Hatte er aber 2 Verleger, so war er jedemmit halber Zeit verbunden. Nach jedem „Haimbgeben“ = Ablieferung der fertigen Waren hatten die Stückwerker mit ihren Verlegern abzurechnen. Nach der Ordnung für Stückwerker und Verleger der Messerwerkstätte Steyr galten folgende Lohnsätze: 100

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