Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-59- besitzen, mussten im Stande sein, die verschiedensten Holzgattungen bis zum feinsten Hochglanz zu bearbeiten. Oft hatten sie sich Zwingen, Kappen und Bänder für die Griffe selbst zu erzeugen, hatten also Arbeiten auszuführen, die in das Handwerk der Gürtler fielen. Vor allem aber muss erwähnt wer- den, dass die Messerer kein Essfeuer halten durften und daher sich oft schwieriger Arbeitsmethoden bedienen mussten, um dieselben Wirkungen zu erzielen, die mit Hilfe eines Feuers erreicht werden konnten. Durch die Verschiedenartigkeit der Griffe im 16. und beginnenden 17. Jh. und uns unbe- kannte Herstellungsweise ist es nicht möglich eine Darstellung der einzelnen Arbeitsvorgänge zu ge- ben. Der Vollständigkeit halber will ich aber versuchen, die Beschalung und Beheftung von Besteck- messern einfacher Ausführung wiederzugeben, wie sie vor Anbruch des Maschinenzeitalters allgemein üblich waren . 1 Beschalung eines Essmessers mit Breitangel, Flachstollen, Buchsbaumschalen und 3 eingelegten Mes- singrosetten: Die geschmiedete und geschliffene Breitangelklinge wurde vomMesserer auf kaltemWege weiter- bearbeitet. Der Angel wurde durch Hämmern am Amboss gebreitet, dann mit dem Angelmodell in den Schraubstock gespannt und die Kontur gefeilt. Der Messereramboss, der kleiner war als der Schmie- deamboss, hatte links und rechts je 2 kleinere Löcher, die als „Stanzlöcher“ verwendet wurden; dieser Arbeitsvorgang erfolgte mit einem Durchschlag und hieß „Durchdornen“. Nun wurden auf einer Blei- platte, die als Unterlage diente, vom vorhandenen Messingblech, 2 das ca. ½ mm stark war, mit einem Stempel die „Rosetten“, d.s. Beilagscheiben der Nieten aufgeschlagen. Die vom Schroter hergestellten Scheiben wurden auf der Innenseite flach gefeilt und an die „Stollen“ 3 angepasst. Der Messerer spannte dann Angel und Heft in den Schraubstock und bohrte dieses mit einem Brustbohrer. Die Scha- len wurden zur Aufnahme der Rosetten mit einem Rosettenbohrer ca. ½ mm tief eingesenkt. Nun hat- ten die Messerer die beiden Schalen mit den Rosetten mit Hilfe eines vorbereiteten Eisendrahtes auf- zunieten. Dieser wurde in ca. 20 cm Länge zugespitzt, so dass er durch die Löcher leicht durchfand. Der Arbeitsvorgang ging folgend vor sich: Im Schraubstock wurde eine Schale mit bereits vorgebohrten Löchern eingespannt. Auf dem Draht wurde nun eine Rosette aufgespießt, der Draht durch das Loch gezogen, so dass die Rosette ungefähr in der Mitte des Drahtes saß. Der Draht wurde also durch das Loch der ersten Schale, den Angel und das Loch der zweiten Schale durchgetrieben; von der rückwär- tigen Seite wurde die zweite Rosette ebenfalls auf den Draht gefädelt und bis an die Schale geschlagen. Knapp bei der Schale wurde er mit einem Drahtmesser abgeschnitten. Dieselbe Arbeit wiederholte sich bei jedem Nietloch. Mit einer Nietfeile vernietete nun der Messerer die Schalen. Dann teilten die Meis- ter die Hefte mit einer „grobgehauten Messerfeile“ bis auf die genaue Kontur des Angels nieder und „schlichteten“ sie nach, d.h. feilten sie nach, so dass der Angel blank wurde. Dann bearbeiteten sie die flachen Seiten ebenso mit Feilen, so dass die Rosetten schön zum Vorschein kamen; oft verzierten die Meister die Ränder der Schalen mit Facetten. Mit einer Schabklinge wurde nun der ganze Griff abge- zogen und die Oberfläche weiter verfeinert. Die letzte Operation in der Messerwerkstätte war das „Ausbereiten“ der Griffe; dies erfolgte mit einer mit Leder bezogenen Holzfeile, die mit feinem, gesto- ßenen Sand beleimt war. Mit dieser Feile wurde der Griff weiterbearbeitet und dadurch erhöhter Glanz erzielt. 4 1 Über den Unterschied zw. Beschalung und Beheftung vgl. S. 42, Anm. 1. 2 Diesen Rohstoff bezogen die Messerer Steyrs im 16. Jh. Zugleich mit dem Buchsholz aus Nürnberg. Der Bedarf an dieser Legierung war sehr groß, daher die Handwerker über die Verteuerung Ende des 16. Jh. sehr klagten. 1565 kostete 1 q: 14 fl.; 1580: 20-22 fl.; 1580, IV/10/374, St.A. 3 Stollen = Ansatz bei Breitangelklingen; diese länger, niederer und breiter als bei Spitzangelklingen. 4 Seit 1565 ist die Verwendung von „gestoßenem Sand“ nachweisbar. Damals kostete 1 q 7- 8 fl., 1580 jedoch 17 fl. Gestoßener Sand bildete einen Ersatz für Schmirgel, der seit dem 19. Jh. zur Verfeinerung der Hefte verwendet wurde; man kann „ausbreiten“ dem heutigen Polieren gleichsetzen. vgl. S. 45, Anm. 2, 3; 1580, IV/10/374, St.A. Diese letzte Tätigkeit war oft die Ursache von Streitigkeiten. Die Meister verwendeten hiefür oftmals Mägde und Frauen, da sie ja billige Arbeitskräfte waren: doch die Gesellen wehrten sich dagegen, da diese Arbeit zu ihrem Aufgabenbereich gehörte, schon 1470 wurde verboten, Messer zum „Ausbereiten an der Bank“ an die Dienstbo- ten abzugeben; dies wäre Gesellenarbeit und jeder Geselle sollte sein Tagwerk selbst ausbereiten. 1573 wurde besonders über die Steinbacher geklagt, die für diese Arbeit „Weiber, Kinder und Dirnen“ genommen hätten; es

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