Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
-43- Schlägen auf das Gesenk wurde unter ständigem Drehen der Ansatz „abgesetzt“. In einer Hitze streckte der Schmied mit Hilfe des Schlagers den Angel aus. Der Ansatz mit Angel wurde nochmals glühend gemacht, letzterer in die „Auftreibröhre“ gesteckt, die Klinge in den Schlitz des „Auftreibstockes“ 1 ge- schoben und der Ansatz unter den Hieben des Schmiedes auf die Auftreibröhre aufgestaucht. Nach dem Auftauchen wurde der Ansatz in die zweite Form des „Gebelgesenkes“ eingelegt und die genaue Ansatzform im Gesenk ausgeschlagen. Sodann wurde der Angel zum Rücken geradegerichtet und der Essmeister übernahm die Klinge zum Breiten. Dieser gab der Klinge die genaue Form, Breite und Schneide, richtete die Klinge nochmals genau mit dem Angel ein und war somit fertig geschmiedet. Der Ansatz wurde durch Teilen verfeinert und die Klinge sodann gehärtet. Fig. 1. Ausgangsmaterial Fig. 2. Ausgeschmiedete Rohform Fig. 3. Klinge mit abgesetztem Ansatz Fig. 4. Klinge mit ausgeschmiedetem Spitzangel Fig. 5. Klinge mit aufgetriebenem Ansatz Fig. 6. Gebreitete Klinge 2 Die Erzeugung von Gabelklingen: Bis zum Ausgang des 17. Jh. liegen keine Nachrichten über die Herstellung von Gabeln in unseren Gebieten vor. Es mögen vielleicht 2 zinkige Gabeln als Verlegbesteck oder größere für die Verwendung in der Küche erzeugt worden sein. Von einem Essbesteck bestehend aus Messer und einer dazu passen- den Gabel kann erst seit dem Ende des 17. Jh. gesprochen werden. In jener Zeit waren die Gabeln sicher- lich nur primitiv ausgeführt mit höchstens 3 Zinken und einfach in der Form. In späteren Zeiten stellten die Käufer höhere Ansprüche auf Formgebung und Ausführung. Es wurde Gabeln verlangt mit oft 6 Fa- cetten, feine Absätze und Schnürchen, die postamentartig ausgebildet waren. Zur Herstellung dieser komplizierten Sorten standen dem Gabelschmied eine Reihe von Hilfsgesenken und Auftreibröhren zur Verfügung. Das Gabelschmieden erforderte noch größere Geschicklichkeit und längere Erfahrung als das Schmieden von Messerklingen; aber trotzdem konnten die Gabelschmiede die tägliche Produktion der Klingenschmiede nicht erreichen; der Erzeugungsvorgang war wesentlich umständlicher. 3 Das Schmieden einer Facettengabel mit Ansatz : 4 Das Ausgangsmaterial für die Gabelerzeugung war minderwertiger Stahl, da an die Schneidfähigkeit keine Anforderungen gestellt wurden. Ein Schlager schmiedete in einer Hitze das „Gabelblatt“, d.h. den für die Zinken vorgesehenen Teil, aus. Dann wurde das „Stangerl“, d. i, die Verbindung zwischen Ansatz und Blatt in einem „Gebelgesenk“ rund abgesetzt und nachgeformt. Zugleich wurde auch der Ansatz abgesetzt. Unter Zugabe für den Angel schrotete der Schmied die Stahlstange ab. Nun streckte der Schmied den Spitzangel aus. Die ganze Gabel wurde darauf in eine „Backenzange“ gespannt und mit einer Auftreibröhre der Ansatz aufgetrieben. In der gleichen Hitze wurden Ansatz und Stangerl nochmals im „Gebelgesenk“ nachgeformt. Mit einem Meißel wurde der Zwischenraum zwischen den Zinken, Zacken oder Stollen durchgehauen . 5 Die Gabel wurde dann vom Schmied über dem Am- bossloch mit dem Schmiedehammer gebogen und die Zinken gerichtet. Mit Feilen wurden Facetten und Ansatz fein gefeilt und die glühend angewärmten Zinken im Wasser gehärtet. Zur 1 vgl. Anhang. Blatt 9. 2 vgl. Anhang Blatt 12: Photographien von Messerklingen aus dem 19. Jh.; die Originale im Besitz des Herrn Josef Hack: Steyr. 3 1488 betrug die tägliche Produktion eines Essmeisters, der Messerklingen schmiedete, 150 „Schrott“= rohge- schmiedete Klingen, 200 „allerlay Schrott“ = Klingen minderer Qualität ebenfalls rohgeschmiedet. Handwerks- ordnung der Klingenschmiede von Steyr von 1559, in die jene von 1488 inseriert wurde. XI/4, St.A. Die tägliche Produktion eines Gabelschmiedes betrug um die Mitte des 19. Jh. nur 60 Stück Gabelklingen 4 vgl. Anhang Blatt 13, 5 Dies nach Beck. II, 419; um die Mitte des 19. Jh. verwendeten die Gabelschmiede von Kleinraming hierzu eine primitive Hebelpresse. Ein Schmied hielt nach dem Augenmaß die Gabel unter das Schneidewerkzeug, der zweite zog die Presse am langen Hebel nieder.
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