Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
-42- das für den „Angel “ 1 vorgesehene Stahlstück auf den Meißel und der Schlager hieb darauf, bis die Klinge vom Stahlstück getrennt war; dies hieß man „abschroten“. Im zweiten Arbeitsvorgang wurde die bereits abgehackte Klinge in eine Feuerzange gespannt und das für den „Angel“ vorgesehen Stahlstück von einem Schlager ausgeschmiedet. Schon im ersten Ar- beitsgang wurde dieser in seiner Rohform bereits so dünn geschmiedet, dass Länge und Breite gegeben waren. Die weitere Verformung und Lochung geschah durch die Messerer. Die dritte Operation war das „Breiten“, die vom Essmeister ohne Hilfe des Schlagers allein ausgeführt wurde. Dies war der letzte Gang der Schmiedearbeit, bei dem die Klinge die genaue Kontur erhielt; die durch die schweren Schläge entstandenen Unebenheiten am Blatt wurden ausgeglichen und die Schneide bekam die rich- tige Stärke. Beim Breiten schlugen die Schmiede auch das Messerzeichen mit einem Stempel ungefähr in die Mitte des Klingenblattes ein . 2 Das Breiten erforderte viel Geschicklichkeit, Erfahrung und Form- kenntnis und blieb nur den tüchtigsten Schmieden, den Essmeistern, vorbehalten diese Arbeit wurde wegen ihrer Schwierigkeit zu allen Zeiten höher entlohnt als die übrigen Schmiedearbeiten . 3 Es ist an- zunehmen, dass noch im 16. Jh. auf die Formgebung der Klinge nicht so viel Wert gelegt wurde, wie später, als die Anforderungen der Käufer an die Formschönheit gestiegen waren. Man wird sich früher hauptsächlich mit der Formgebung durch das Schmieden abgefunden haben, da den Schmieden das Ausfeilen der Klingen untersagt war . 4 Auch das „Härten“ musste durch die Schmiede erfolgen, da den Messerern verboten war, ein eigenes Feuer zu halten das für diese Arbeit unbedingt erforderlich war . 5 Die Klingen wurden durch Erhitzen auf eine bestimmte Temperatur gebracht, in Öl oder Wasser je nach der Güte des Stahles abgeschreckt und auf einen Glutpfanne „angelassen“, d.h. langsam wieder er- wärmt. Hiedurch erlangte der Stahl Feder- und Schneidhärte; eine weitere Bearbeitung der Klinge nach dem „Härten“ war unmöglich, daher musste man sich mit der geschmiedete Klingenform zufriedenge- ben. Kleine Korrekturen konnten vielleicht auf dem Schleifstein vorgenommen werden. Zur Veranschaulichung des Schmiedevorganges für Klingen ohne „Ansatz“ soll abermals eine kleine Skizze dienen. 6 Fig. 1. Ausgangsmaterial Fig. 2. Ausgeschmiedete Rohform Fig. 3. Ausgeschmiedeter Angel Fig. 4. Gebreitete Klinge Das Schmieden einer Spitzangelklinge mit Ansatz: 7 Das Schmieden selbst vollzog sich wie bei Klingen ohne Ansatz. Eine Frumbstahlstange von recht- eckigem Querschnitt wurde unter raschen, kräftigen Schlägen des Schmiedes und Schlagers zu der ein- zelnen Klingenform ausgeschmiedet. Ein nebenstehender zweiter Amboss enthielt in dem 4 kantigen „Ambossloch“ ein „Gebelgesenk“. 8 Der Schmied steckte nun jenes Stück, das für den Angel bestimmt war, so weit in dieses Gesenk hinein, dass genug Material für den Ansatz übrigblieb. Unter raschen 1 Man unterscheidet „Flach- oder Breitangel“ und „Spitzangel“: Ersterer stellt die Verlängerung des Klingenblat- tes dar und ist ausgebildet zur Aufnahme von 2 Schalen als Griff. Diese bestanden meist aus Holz, aber auch aus Horn und Metall und wurden meist mit 3 Nieten aufgenietet. Seine Kontur deckt sich mit der Breitkontur des Griffes. Ein „Spitzangel“ dagegen besteht in einem vom Ansatz ausgeschmiedetem Vierkantdorn in einer mittle- ren Stärke von 4-5 mm, der nach rückwärts konisch verläuft. Dieser wird in ein vorgebohrtes Heft eingetrieben oder eingekittet und manchmal auch rückwärts vernietet. Das Griffmaterial ist auch hier wieder Holz, Horn, Bein und Metall; diese Art des Griffes wurde Heft genannt. 2 vgl. Kapitel Messerzeichen. 3 1488 Handwerksordnung der Klingenschmiede von Steyr: wenn ein Essmeister gut schmieden und breiten konnte, dann erhielt er 42 Pfg. Wochenlohn; konnte er aber nicht breiten, nur 35 Pfg.; diese Ordnung inseriert in die aus dem Jahre 1559, XI/4, St.A. 4 1723 klagen die Messerer über das Ausfeilen der Klingen durch die Klingenschmiede; XII/42, St.A. 5 Erst im Jahre 1765 wurde es 11 Messerern gestattet eigene Feuer zu halten! Verzeichnis der Messerermeister, ihrer Zeichen und jährlichen Rohstoffbedarfs, XII/42, St.A. 6 vgl. Anhang, Blatt 10. 7 vgl. Anhang, Blatt 11. 8 vgl. Anhang, Blatt 8, Fig. 2.
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