Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

-34- 5. Bedeutung des Eisenhandels für die Stadt. Als Zentrum des gesamten innerbergischen Stahl- und Eisenhandels erwuchs Steyr zum Knoten- punkt für die gesamte Eisenindustrie unseres Landes. Hier liefen alle Fäden zusammen, von diesem Ort aus knüpfte man neue Verbindungen an. Die Stadt war der Treffpunkt für die Gewerken aus dem Krems-, Steyr- und Teichltal, die Stahl und Eisen für ihre Sensenwerke bezogen. Die kleinen Land- schmiede der Umgebung, die Klingenschmiede von Kleinraming und Dambach, die Messerer aus Stein- bach, sie alle mussten nach Steyr, um die für ihre Werkstätten notwendigen Einkäufe zu tätigen. Steyr war der wirtschaftliche Mittelpunkt für die eisenverarbeitenden Handwerker, ihr Einfluss erstreckte sich weit über die engeren Grenzen hinaus. Die westlichen Gebiete Niederösterreichs standen in Ab- hängigkeit von dieser Stadt, nördlich der Donau war man auf Eisen und Stahl aus Steyr angewiesen: eine Stockung der Eisentransporte nach Steyr zog daher für das gesamte wirtschaftliche Leben unseres Landes unliebsame Folgen nach sich. Die vielen Werkstätten der Eisenhandwerker der Stadt mussten ihre Essen löschen und feiern, auch sämtliche Betriebe der Umgebung litten an Rohstoffmangel. Flö- ßer, Holzfäller, Fertiger und Eisenheber fanden keine Beschäftigung, die Einkehrgasthöfe an der Enns standen leer, die Fuhrleute fanden für ihre Gespanne keine Arbeit: es fehlte das lebensbringende Ele- ment des Landes, das den größten Teil seiner Bewohner im Bann hielt. 1 Wie die gesamte Wirtschaft im Eisenland unter dem Einfluss der Stadt Steyr stand, wurde diese auch bestimmender Kulturmittelpunkt, ja erlangte weitesten kulturellen Einfluss auf die Umgebung. Der Süd- osten von Oberösterreich und der Südwesten von Niederösterreich wurden von ihm erfasst und diesen Landstrichen dadurch eine einheitliche kulturelle Formung gegeben. Es war ein Kampf zwischen dem Erzberg im Süden und dem Mittelpunkt der Eisenverarbeitung und des Handels in Norden entbrannt. Anfangs bestimmte der Erzberg allein das kulturelle Gepräge seiner Umgebung. Von hier bezog man das Eisen, hieher lieferte man Holz und Lebensmittel. Allmählich, aber unaufhaltsam verschob sich das Schwergewicht nach Norden. Steyr wurde Kulturmittelpunkt des Eisengebietes, wurde Vorkämpfer für Kulturerneuerungen des Nordens, die sie nach Süden vortrieb. Die Großhändler Steyrs galten als soziales Vorbild dieser Landschaft, die Gewerken gelangten durch Verkehr mit ihnen unter ihren Einfluss und somit unter den der Stadt selbst. Hier waren den erhöhten Anforderungen entsprechend nicht nur La- gerhäuser und Gewölbe zur Stapelung von Stahl, Eisen und Getreide entstanden, sondern Herrensitze mit prunkvollen Fassaden, die den anspruchsvollen Bedürfnissen der reichen Eisenbürger Rechnung tru- gen. Das erworbene Kapital verwendete man wohl in erster Linie für den Ausbau des Unternehmens selbst, wurde aber auch den persönlichen Ansprüchen gerecht. Schon nach außen hin zeugen jene Bür- gershäuser am Stadtplatz der Stadt von der hohen sozialen Stellung der Eisenhändler, die sich imMittel- punkt der Gemeinde ihre Wohnsitze erbauten. 2 Kulturelle Zeugnisse aus jener Glanzperiode des Eisen- handels haben sich bis heute erhalten und künden von jener Blütezeit. Jenem Aufstieg der Stadt in bau- licher Hinsicht konnten die armen Landschmiede natürlich nicht gleichkommen. Jedoch die mächtigen Sensengewerken der Umgebung ahmten nach, was sie in Steyr sahen. Sie bauten Herrensitze, die sich wie Schlösser in den waldreichen Tälern unserer Heimat noch heute erheben und von dem kulturellen Geist der Gewerke Zeugnis ablegen. Unmittelbarem Einfluss Steyrs waren die Handwerker der gesam- ten Umgebung in sprachlicher Hinsicht ausgesetzt. Hier übliche Wendungen gebrauchten auch die Schmiede Niederösterreichs, des Ybbs-, und Erlauftals. Die Gebiete an der unteren Enns zwischen Altenmarkt und Steyr, an der Steyr und Krems zeigten die gleichen Wortformen; das Steyr-Kremstal konnte sich allerdings doch größere Selbständigkeit auf diesem Gebiet erhalten als das Ennstal, das fast völlig abhängig war. 3 Das Eisenland, das sich als breiter Übergangsgürtel zwischen dem altdeutschen Siedlungsgebiet im Westen und dem neueroberten Kolonialland im Osten erstreckte, trug dasselbe kulturelle Gepräge, 1 Als Folge von Rohstoffmangel ist die Auswanderung der Sensenschmiede des Krems- und Steyrtales im 17. Jh. anzusehen, die sich im obersteirischen Murboden niederließen: Familien Moser, Piesslinger Weinmeister, Kolle- er, Blumauer, u. a.; Forcher 23. 2 Die Wohnsitze der Eisenhandler: der Stadtplatz und Inner-Steyrdorf. vgl. Plan von Steyr aus den Jahre 1598, Anhang, Abbildung Nr. 34. 3 Grau 65.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2