Zwei Jahre Dollfuß - Zum 20. Mai 1934
sich dadurch mit irgendwelcher Verantwortung belastete. - Dr. Dollfuß hatte richtig erkannt, daß in dieser Kom– promißpolitik die stärkste Hemmung für den Wieder– aufbau der Wirtschaft lag, und bot deshalb alles auf, um die bürgerlichen Parteien in einer festen Arbeitsfront im Nationalrate zusammenzuschließen. Seine Bemühungen scheiterten indessen an dem Widerstande der groß– deutschen Abgeordnetengruppe, die kein Bedenken trug, eine Haltung einzunehmen, die sie taktisch auf eine Linie mit den Marxisten und den Nationalsozialisten brachte. - Die Regierung fand infolgedessen im Nationalrate nicht nur keinen willigen Mitarbeiter, sondern sah sich in ihren Bemühungen um die finanzielle und wirtschaftliche Reorganisation durch das parlamentarische Intrigenspiel am Franzensring in jeder Weise gehemmt. - Da trat das Ereignis vom 4. März 1933 ein. Der Nationalrat schaltete sich durch den Rücktritt seines Präsidenten, des sozial– demokratischen Abgeordneten Dr. Renner selbst aus, wobei es unentschieden bleiben mag, ob die Opposition diesen Akt aus Kurzsichtigkeit oder im Bewußtsein ihrer Un– fähigkeit vollzog und sich so jeder Verantwortung für eine weitere Verschlechterung der Wirtschaftslage entziehen wollte. Lag letztere Absicht vor, erwarteten die oppositio~ nellen Parteien, daß die Wirtschaftskrise sich nun noch mehr verschärfen werde, dann hatten sie sich bitter ge– täuscht, denn mit der Selbstausschaltung des National– rates, also mit dem März 1933, begann die eigentliche Reformarbeit der gegenwärtigen Regierung. - Sah sie sich einerseits mit der ungeteilten Verantwortung für die Füh– rung der Staatsgeschäfte belastet, so hatte sie andererseits wiederum freiere Hand hinsichtlich der Durchführung ihres Reformplanes gewonnen, der nunmehr nicht nur den Wiederaufbau der Wirtschaft, sondern auch die Er– neuerung des politischen Lebens umfaßte. - Das voll– ständige Versagen des Parlamentes zu einem Zeitpunkte, m dem die Existenz Österreichs und damit des alpen- (>
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