Zwei Jahre Dollfuß - Zum 20. Mai 1934
gen, die alle dem Herzen Nahrung zuführen". - Von dem– selben Kreise ging auch die Bewegung aus, die Preußen durch Entwicklung der Steinsehen Reformideen organisch mit Deutschland verbinden sollte im Sinne einer das ganze Volk durchdringenden korporativen Gliederung und Selbst– verwaltung auf eigenem Gebiete und öffentlichen Rechten und Pflichten gegenüber dem Staate. ,,Die der Regierung" - so hieß es in dem betreffenden programmatischen Ent– wurfe - ,,im engeren Sinne angehörenden Kräfte und Or– gane reichen längst nicht mehr zu, um alle politischen, wirtschaftlichen und erzieherischen Aufgaben zu lösen, es müssen ihr von unten organisierte Kräfte entgegenkommen; diese Assoziationen haben das gesamte nationale Leben zu umfassen, als ständische Korporationen müssen sie dann in ein bestimmtes Verhältnis zum Staate treten, als Träger öffentlicher Rechte und Pflichten Organe der Selbstver– waltung und der Staatsverwaltung werden." Damit war der Weg zur Auflösung des Gegensatzes, in dem die preußische absolute Staatsidee zu deutschem Leben stand, gewiesen, zur Gewinnung einer politischen Lebensform, die die deutschen Partikularitäten ohne Be– einträchtigung ihrer geschichtlichen und kulturellen Be– sonderheiten fest miteinander verbunden hätten. Die sich an die Theorien der französischen Revolution anlehnende liberalistisch-zentralistische Unionsbewegung verhinderte indessen in Verbindung mit preußischen Expansions– tendenzen diese Entwicklung. ,,Man wollte" - wie Kon– stantin Frantz in seiner „Naturlehre des Staates" sagte - „Einheit um jeden Preis, mag es biegen oder brechen, und zwar so weit als möglich einen Einheitsstaat, so wenig die innere Gliederung und die Geschichte Deutschlands, die beide handgreiflich auf föderative Verhältnisse deuten, dazu passen mögen." - Die mit dem preußisch absoluten Staatsgedanken operierende unionistische Bewegung konnte sich aber, da sie sich an der Natur des deutschen Volkes vergriff, nur mit Gewaltanwendung durchsetzen. 14
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