Zwei Jahre Dollfuß - Zum 20. Mai 1934

er sich als das alleinige Rechtssubjekt betrachtet, die kör– perschaftliche Idee, den vertikalen Aufbau und Selbstver– waltung grundsätzlich ablehnt. Der der Regierung von nationalsozialistischer Seite gemacht Vorwurf, daß sie da– durch, daß sie Österreich nicht nach dem Berliner Rezept reorganisieren wolle, undeutsch handle, erinnerte lebhaft daran, daß man auch um die Mitte des vorigen Jahrhun– derts den Widerstand der deutschen Mittelstaaten gegen die Eroberung durch Preußen als undeutsch hingestellt hatte, und doch hatte man es auch damals mit nichts an– derem zu tun als mit der Selbstbehauptung deutschen Lehens, das, wie Lagarde einmal (18?'1) bemerkte, nicht im Norden rechts der Elbe, sondern zwischen Rhein und Elbe heimisch ist. - Ist aber die Ablehnung der Gleichschaltung und des totalen Staates undeutsch? - In der ganzen Ge– schichte des deutschen Volkes läßt sich dafür kein Beleg aufbringen. - Es ist begreiflich, daß der Zusammenbruch von 1918 und seine zermürbenden Wirkungen im Deutschen Reiche die Sehnsucht nach Wiedererringung der früheren wirklichen oder vermeintlichen Machtstellung immer heißer aufflammen ließen und der nationalsozialistischen Bewegung immer neue Massen zuführten, da man von ihr Erlösung in der Form der Aufrichtung des Dritten Reiches hoffte, allein der Nationalsozialismus schöpfte hinsichtlich seiner Gestaltung, soweit er sie bisher überhaupt in An– griff nahm, nicht aus deutschem Eigenleben, sondern griff nach fremden Mustern. Nach der Totalitätslehre sollen Staat und Volk iden– tisch sein, der Staat den Bürger und Menschen völlig ein– schließen, ein Kollektivum, in dem sich das Wollen von sechzig Millionen Menschen zu überwältigender Wirkung zusammenballt. - Bei aller Anerkennung der Motive dieses Gedankenganges kann ihm keine Originalität zugesprochen werden. Schon S. Just hatte im französischen Konvente diesen totalen Staat verkündet, indem er erklärte: ,,Ein freier Staat besteht in der vollständigen Zerstörung alles 10

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