Zwei Jahre Dollfuß - Zum 20. Mai 1934
interessen zugunsten des Gemeininteresses zurückzudrän– gen, so entsprach sie damit einem sich aus der politischen Gesamtlage und besonders aus der Wirtschaftskrise er– gebenden Notwendigkeit, naturgemäß mußten sich aber ,durch diese Bemühungen die beiden radikalen Parteien, die sozialdemokratische und die nationalsozialistische, am härtesten getroffen fühlen, da jede von ihnen sich an die Stelle des Ganzen zu setzen bzw. dieses unter ihre Diktatur zu stellen suchte. Die Regierung hatte übrigens die nötigen Maßnahmen getroffen, um alle parteipolitischen Einflüsse auf öffentliche In– stitutionen auszuschalten, Heer, Schule und Recht– sprechung von ihnen zu befreien und die Diszi– plin in der öffentlichen Verwaltung zu festigen. Handelte es sich hierbei einerseits um die Beseitigung trauriger Rückstände aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, so mußte damit andererseits auch den neuerlichen Versuchen be– gegnet werden, die ·staatliche Verwaltung im Interesse Moskaus oder Berlins zu zerrütten und moralisch zu zer– setzen. Die Krise, die noch ganz Europa durchzitterte, die Radikalisierung des politischen Lebens durch die Not der Zeit und die durch die Lösung vielfacher gesellschaftlichen Zusammenhänge bewirkte Desorganisation des öffentlichen Lebens machten da und dort energisches Eingreifen not– wendig, allein der Bundeskanzler erblickte darin nur durch die augenblicklichen Verhältnisse bedingte, vorübergehende Maßnahmen, keineswegs aber dachte er daran, damit einen dauernden Zustand zu schaffen. So notwendig ihm die Zusammenfassung aller positiven Kräfte zum Zwecke der Bewältigung der großen Aufgaben, die zu lösen waren, er– schien, so war er sich doch nicht eine:ii Augenblick im un– klaren darüber, daß dieses Ziel nicht durch mechanische Zwangsmaßnahmen allein- so notwendig sie für den Augen– blick waren -, sondern vor allem durch die Vertiefung des Gemeinschaftsbewufitseins erreicht werden könne. - 8
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