Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

Nro. Politische Wochenschau der zwanglosen Blätter. Steyr den 28. Oktober 1848. Deutschland. Am 14. Oktober haben die Herren Reichscommissäre Major v. Teichert und Hauptmann v. Möring die Fre¬ gatte „Deutschland,“ das Kanonenboot „Sanct Pauli, die Dampfer „Hamburg“ „Lübek“ und „Bremen“ sammt den darauf befindlichen Mannschaften ganz, die Corvette „Franklin“ aber unter Vorbehalt der Genehmigung des Reichsministeriums, für die deutsche Centralgewalt unter entsprechender Feierlichkeit übernommen. Am 18. Oktober ist Erzherzog Stefan in Frankfurt angekommen. Gutachten des Ausschusses für die österreichischen Ver¬ hältnisse: 1) Die Absendung von Reichskommissären, um nach Maßgabe der von denselben einlaufenden Berichte die weiteren Maßregeln zum Schutz der deutschen Interessen zu ergreifen. 2) Die Aufforderung des Reichsministeriums in Oesterreich alle betheiligten deutschen Interessen zu wahren und der Auftrag an dasselbe, alle deutsch=öster¬ reichischen Truppen zur ausschließlichen Verfügung der gesetzlichen und verantwortlichen Organe zu stellen, welcher Vollzug dieser Anwendung den Reichskommissären zu über¬ tragen ist. Baiern. München erlebte Vorfälle, die der Stadt und den Behörden, welche Ruhe und Ordnung zu wahren haben, ihrer unbegreiflichen Lässigkeit wegen wahrhaftig nicht zur Ehre gereichen. Schon am 17. d. M. gab es einen Bierkrawall mit Zerstörung der Gebäude Verwun¬ dungen und Verhaftungen, und am 18. Morgens um 7 Uhr wurden diese Auftritte in der Art fortgesetzt, daß zu ernsten Maßregeln geschritten werden mußte, welches jedoch ziemlich spät geschah. Dabei wurde ein Schuh¬ machergeselle der Hauptanführer der Plünderer vom Schloßer¬ meister Born, „im Stande der Nothwehr“ erschoßen, Mehre verwundet, die Einrichtung der Bräuhäuser zertrüm¬ mert, Bäkerläden und Tabakgewölbe geplündert u. s. w. Der Tumult dauerte lange bis endlich der Generalmarsch die Bürgerwehr und Freikorps zusammenrief, welche mit den Linienmilitär=Abtheilungen die Plätze umstellten und sich der Zerstörer bemächtigten; etliche 50, theils Soldaten, theils Arbeiter wurden verhaftet. Die Straßen wurden militärisch besetzt, selbst Kanonen aufgeführt. Auf solche Weise wurde also in München der für ganz Deutschland denkwürdige 18. Oktober gefeiert. Würtemberg. In Ulm gab es eine blutige Schlä¬ gerei zwischen den würtembergischen und den österreichi¬ schen Soldaten; und dieß am 18. Oktober, an dem Tage der die deutschen Heere vereinigt gesehen. Hannover. An die Stelle der Oesterreicher, welche zu den in Thüringen aufzustellenden Reichstruppen kom¬ men sollen, welche man aber in ihrer Heimath nicht ent¬ behren zu können vermeint, traten 6000 Mann Han¬ noveraner. Preußen. Berlin. Auch hier wieder Unruhen. Seit einigen Tagen hatten die Erdarbeiter auf dem Köpeniger Felde allerlei Unfug verübt, eine Maschine zerstört und dgl. Es mußte Bürgerwehr zur Bewachung aufgestellt werden. Am 16. Oktober Mittags kam es zu einem traurigen Conflict. Die Arbeiter beschimpften die Bürgerwehr, wurden zu¬ rückgedrängt, sammelten sich wieder und griffen mit Stein¬ würfen an, es fielen auch einige Flintenschüße. Die Bür¬ gerwehr gab nun auch ihrerseits Feuer, und es blieben eine Anzahl Todte. Die Stadt gerieth in Allarm, es wurde Generalmarsch geschlagen, in einer Stunde war alles unter Waffen. Inzwischen hatten die Arbeiter Bar¬ rikaden erbaut, und von allen Seiten zogen Arbeiterhaufen mit rothen Fahnen durch die Stadt. Nachmittags um 4 Uhr brachte ein Arbeiterzug 5 blutige Leichen durch die Straßen. Das Militär wurde sogleich in den Casernen consignirt, aber als ein sogenannter Sicherheits=Ausschuß vermeinte, der Augenblick sei da, um die Säbelherrschaft zur alten Herrlichkeit zurückzuführen, erklärte die Bürger¬ wehr mit Entrüstung, daß, sowie ein Soldat auf dem Kampf¬ platz erscheint, sie mit dem Volke gemeinschaftliche Sache machen werde, und die blutige Verantwortlichkeit müsse dann auf die Häupter der Veranlasser fallen. Der politische Bestandtheil dieses Kampfes hängt mit den Vorgängen in Wien und mit der am 15. gehaltenen Feier des Geburtstages des Königs zusammen. Man hat unter den Arbeitern die Sage verbreitet, Preußen schike auf Verlangen der Centralgewalt 40 tausend Mann nach Oesterreich gegen die Demokratie, und bei dem Glükwün¬ schen soll der König den Deputationen gegenüber nicht freundliche Launen gezeigt haben, und seine bei dieser Ge¬ legenheit gesprochenen Worte, sind unter üblichen Entstel¬ lungen im Volke theils mündlich, theils durch fliegende Blätter fortgepflanzt worden. Er soll in seiner Antwort ganz besonders Gewicht darauf gelegt haben, daß Preußens Fürstenhaus „von Gottes Gnaden“ sei. „Ich mache Sie aufmerksam, meine Herrn“, sagte er, „daß wir noch eine angestammte Obrigkeit von Gottes Gnaden haben, die noch stark ist; dieß ist der einzige Grund und Boden auf dem das Wohl der Völker errichtet werden kann.“ Am 17. war wieder Ruhe eingetreten. Um 1 Uhr zogen die Arbeiter in großer Anzahl mit Musik und Fah¬ nen auf den Gendarmenmarkt, und schikten eine Deputa¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2