Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

Nro 9. Politische Wochenschau der zwanglosen Blätter. Steyr den 16. Dezember 1848. Schweiz. Die Gränze ist von Seite Deutschlands militärisch be¬ setzt, und es ist die Einleitung zu einem Vorschreiten ge¬ troffen, wenn nicht das Verhalten der Schweiz ein solches überflüßig macht. Man scheint einlenken zu wollen; denn bereits sind die lombardischen Flüchtlinge in die innere Schweiz gewiesen und unter Aufsicht gestellt, und dasselbe Verfahren scheint auch auf der deutschen Seite im Werke zu sein. Wenigstens sind einige Weisungen an die Regie¬ rungen der Gränzkantone abgegangen. Die deutsche Reichs¬ regierung wird aber dann auch sicher gerne anerkennen, was zur Abhilfe ihrer Beschwerden dient, da sie ohnehin nur ungern zu Maßregeln greift, die den Deutschen an der Gränze so lästig als den Schweizer=Nachbarn fallen würden. Frankreich. Ludwig Napoleon vertheilt schon für den Fall, daß er Präsident wird, die Ministerportefeuilles. Nach unserer Ansicht stellt sich die Aussicht für ihn immer ungünstiger. Folgende Wahlen sind bereits bekannt: In Brest haben die Fregatte la Proserpina und die Corvette l'Allier vor ihrer Abfahrt auf eine lange Reise ihre Stimmen dahin abgegeben, daß auf ersterem Schiffe Bonaparte 270, Cavaignac 170, und auf dem zweiten Bo¬ naparte 276 und Cavaignac 64 Stimmen erhielten. An Bord der französischen Flottenabtheilungen in der Bai von Neapel erhielten Cavaignac 620, Arago 391, Bonaparte 300, Lamartine 52, Ledru=Rollin 13 Stimmen. Einen ganz wichtigen Bundesgenossen hat Cavaignac an der Kaufmannschaft von Havre erhalten. Diese hat ein Umlaufschreiben an den gesammten Handelsstand von Frankreich gerichtet, worin sie auf den günstigen Einfluß aufmerksam macht, welchen die Erhebung Cavaignacs zum gegenwärtigen Rathspräsidenten auf die Geschäfte ausge¬ übt. Achtundfünfzig der ersten Handelshäuser von Havre sind unterzeichnet. Italien. Rom. Der Papst befindet sich noch in Gaeta, wird sich aber wahrscheinlich nach Monte Casino begeben. Viele Cardinäle sind in Neapel angelangt, auch mehre römische Prinzen, unter andern Borghese. In Rom erwartet man die alsbaldige Berufung einer „Assemblea Costituente“ zur Entwerfung einer Verfassung für ganz Italien. Der Minister des Auswärtigen, Graf Terenzio Mamiani della Rovere, hat dem Deputirtenrath einen Gesetzvorschlag darüber vorgelegt, welcher sogleich zur Berathung kommen wird. Der Kriegsminister ließ sowohl an die Nord= als Südgränze des römischen Gebietes Truppen vorrüken, weil man eine feindliche Demonstration des Königs von Neapel besorgte. Venedig. Die Oesterreicher errichten vor Malghera Forts, an welcher Arbeit sie aber von der Besatzung best¬ möglich gehindert werden. Die Nachrichten aus Rom haben in Venedig einen sehr widrigen Eindruk gemacht. Die hier liegenden päpst¬ lichen Truppen zogen am 4. Dezember nach ihrer Heimath zurük. Deutschland. Frankfurt. Für die Vorschläge über das Reichs¬ oberhaupt hat die vom Verfassungsausschusse der National¬ versammlung bestellte Kommission, bestebend aus den 3 Pro¬ fessoren Dahlmann, Waitz und Beseler ihr Gutachten an den Ausschuß zur weiteren Berathung erstattet. Dieß geht, wie man schon erwartet hat, dahin, daß ein erbli¬ cher Kaiser unter Einführung des Primogeni¬ turrechtes an die Spitze zu stellen sei. Preußen steht fest zur deutschen Sache. In der von dem König vorgelegten Verfassung heißt es: „Wir haben darin auch die bisherigen Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung deren fernere Beschlüsse auch bei der vorzunehmenden Reviston zu beachten sein werden, sorgfäl¬ tig berüksicht.“ Prinz Karl von Preußen ist nach Ollmütz abgereist. Ungarn. Kossuth hat um einen Waffenstillstand bis zum Früh¬ ling angesucht. Der amerikanische Geschäftsträger Herr Stiles hat das darauf bezügliche Schreiben Kossuths, das von Puszky contrasignirt ist, an den Fürsten Windisch=Grätz übergeben. Es gibt dieses Entgegenkommen zu mancher Vermuthung Anlaß, und es dürfte wohl sein, daß die Thronveränderung nun auch noch günstig auf die Unter¬ werfung der Magyaren wirken werde. Eine Regelung der Verhältnisse in Ungarn wäre sehr zu wünschen; denn ehe diese nicht eintritt, hat Wien auch nicht die Aufhebung des Belagerungszustandes, nicht die Rükkehr des Hofes und des Reichstages zu hoffen. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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