Politische Wochenschau, Nr. 1 bis Nr. 9, Steyr 1848

tion an die Reichsversammlung, um bei dieser zu beantra¬ gen: 1) Untersuchung der gestrigen Vorfälle und Bestra¬ sung der Schuldigen, 2) feierliche Beerdigung der gefalle¬ nen Arbeiter auf Staatskosten; 3) Unterstützung der Ver¬ wundeten und der Hinterbliebenen der gefallenen Arbeiter; 4) Auszahlung des Taglohnes für gestern und heute. Diese Bitten wurden bewilligt, und am 18. war keine Stöhrung der Ruhe mehr. Italien. Wir dürfen uns nicht täuschen und glauben, die ita¬ lienische Revolution sei zu Ende. Die moralische steht da wie vorher in voller Kraft, nur die bewaffnete ist durch Radetzky's Umsicht und Kriegstalent und durch die tapfere Haltung seiner ausgezeichneten Armee bis jetzt zu Boden gedrükt, jedoch nicht vernichtet. Sie entfaltet im Geheimen die größte Thätigkeit, wirbt junge Leute mittelst Geld und Ehrenlokungen zu ihrer Fahne, welche dann plötzlich aus der Familie verschwinden, und wie man sagt ins Ausland ziehen, und immer neue Aufrufe des Sardenkönigs, allent¬ halben im Umlauf, rufen alle die, welche nicht Verräther des Vaterlandes sein wollen zu den Waffen. In Turin, als die Nachrichten der Wienerereignisse eintrafen, war allgemeine Aufregung. „Guerra! Guerra!“ ertönte es in den Straßen. Mailand. Radetzky hat 6000 Croaten zu Jella¬ chich abgesandt, — die Ungarn beharrten darauf heimzu¬ kehren, — es wurden gegen sie Kanonen aufgeführt. Genua. Die letzten Wiener Nachrichten haben hier allgemeinen Jubel erregt. Die Kriegslust erneuert sich mit Macht. Schon am 16. haben 2 Infanterieregimenter Genua verlassen, um an die lombardische Gränze vorzu¬ rüken. Von Mailand erwartet man jeden Augenblik Be¬ richte von einem neuen Aufstand, der zum Zeichen eines zweiten Einfalles dienen soll. Es wird hier eine Truppe dell' Independenza Italiana errichtet; deren General Gin¬ seppi Garibaldi sein wird. Die Zahl der Angeworbenen beläuft sich bereits auf 400, meistentheils Flüchtlinge aus den italienischen Nachbarländern, für deren Unterstützung und Erhaltung ein eigener Ausschuß nach Aufforderung des Circolo Italiano erwählt ist. Bei einer Generalver¬ sammlung des Circolo zur Besprechung dieser Angelegen¬ heit fehlte es nicht an rührenden Zügen von Vaterlands¬ liebe und Menschenfreundlichkeit. Mehre Herrn und Da¬ men reichten Ketten, Ringe und andere Geschmeide dar. Der Hauptgegenstand der öffentlichen Reden bei dieser Ge¬ legenheit war die Erneuerung des Krieges. Ein Prie¬ ster riß sein Ordensgewand vom Leibe, und schwur, daß er es nicht eher wieder anlegen wolle, bis auch der letzte Deutsche vom italienischen Boden vertrieben sei. Der Haß der Genueser gegen den deutschen Namen ist seit der Ankunft der vielen Flüchtlinge aus der Lombardei fast zur Raserei angefacht, wohl durch die Erzählungen von eini¬ gen wahren und unendlich vielen erdichteten Leiden und Gräueln, welche die Tedeschi gegen diese Flüchtlinge ver¬ übt haben sollen. Frankreich. Paris. Cavaignac verstärkt durch Dufaure und Vivien sein Kabinet, und vergrößert seine Majorität, wäh¬ rend er Thier's Candidatur und dessen Anhang schwächt. Toulon. Die Dampffregatte „Vauban“ ist nach der Küste von Italien abgegangen, um zu dem Mittelmeer¬ geschwader zu stoßen. Sie kam von Algier mit 150 Mann von der Fremdenlegion, lauter Italienern, welche dem Heere Karl Alberts einverleibt werden sollen. Sie sind bereits auf dem Marsche nach Piemont, eine Kompagnie bildend „Volontaires d'Afrique“ unter dem Befehle des Grafen Zuchi. Dieß ist zwar nur eine kleine Hülfe, aber sie zeigt den guten Willen der republikanischen Regierung. Wird jedoch in den Sitzungen der Nationalversammlung zu Paris der Minister der auswärtigen Angelegenheiten um Auf¬ schluß gefragt, wie Frankreich seine politische Aufgabe in Italien verstehe, ob die Regierung Angesichts der Er¬ eignisse in Oesterreich den König Karl Albert unterstützen werde, so kommt die Erklärung: in den auswärtigen Be¬ ziehungen hat sich nichts verändert, die Regierung ver¬ folgt alle Begebenheiten mit gleicher Aufmerksamkeit, auf weiter gehende Erörterungen kann sie sich aber selbst nicht einlassen, auch keinen Tag bestimmen, wenn sie dieses vermag. Französische Blätter über den Stand der italienischen Angelegenheiten: Die italienische Kriegsparthei, Gioberti (von der Turiner=Kammer am 18. d. M. zum Präsident erwählt) an der Spitze, bietet Alles auf, um den König Karl Albert zum Wiederbeginn der Feind¬ seligkeiten zu bewegen. Sie hat im sardinischen Kabinet den Beschluß herbeigeführt bei Frankreich und England einen dringenden Schritt zu thun, mit der Erklärung: wenn die Vermittlungsverhandlungen nicht soweit vorge¬ schritten seien, um den wahren Abschluß eines für die ita¬ lienischen Waffen ehrenvollen Friedens hoffen zu lassen, so werde Sardinien wieder die Offensive ergreifen. Der Marquis Ricci, als bevollmächtigter Minister, ist nach Paris, und hat sich zugleich an das englische Kabinet ge¬ wendet. Von beiden Seiten sind jedoch die Antworten ausweichend; namentlich von Seite des Pariser Kabinetes. Es scheint, entschloßen dem Prinzip der Nicht¬ intervention in Bezug auf Deutschland (Oester¬ reich) bei dem rußischen Hofe Geltung zu verschaffen, auch seinerseits diesem Prinzip in Bezug auf Italien nachkommen zu wollen. General Czarnowski organisirt eben 30 tausend Pie¬ F. W. A. montesen am rechten Ufer des Tessin. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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