Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

3. der wanglosen Blätter. Steyr den 20. April 1848. Pfefferkörner. In das Intelligenzblatt der Wienerzeitung vom 3. l. M. hat sich ein komischer Druckfehler eingeschlichen; am Schluße eines Zeugnisses über die Vortrefflichkeit einer Haar¬ wuchspomade heißt es unter andern Unterschriften auch: Andrä Denner mi/p. Gerichtsgeschorner —! Dieses aufrichtige Bekenntniß danken wir nur der freien Presse! Bei dieser Gelegenheit sei es erlaubt, auf eine üble Gewohnheit des Wiener=Intelligenzblattes (auch anderorti¬ ger Zeitungen), hinzudeuten, namlich auf die üble, nicht mehr zeitgemässe Gewohnheit des Vorsetzens besonderer Eh¬ renworte bei Angabe verstorbener Standespersonen: — Da heißt es bei höheren Beamten, adeligen Personen, Bri Aus Wien. 9. April 1848. Nachts. So eben komme ich von der dritten Katzenmusik des heutigen Abends; sie galten: den Mechitaristen, dem päpstl. Nuntius, und dem Minister Grafen Taaffe. Erstere mußten das Aushängschild ihrer Druckerei, der zweite das päpstl. Wappen, der dritte die deutsche Fahne vom Balkon herab¬ nehmen. — Seit die Studenten die erste derartige Demon¬ stration dem Erzbischose und den Liguorianern brachten, ist die Katzenmusik der beliebte Ausdruck des Volksunwillens geworden; ein Volkshause mit grellem Gepfeise und Gequi¬ cke tritt auf, gewöhnlich um die Mitternachtsstunde, vor den Wohnungen derer, die sich durch ihre Haltung des allgemei¬ nen Volksvertrauens verlustig gemacht; ein Redner spricht in den unzweideutigsten Ausdrücken den Grund dieser De¬ monstrationen aus, und jede Nacht hat die Nationalgarde zu sorgen, daß die Katzenmusiken keine ernstliche Wendung nehmen. Dieß blieb bisher um so weniger zu befürchten, da sich größtentheils Leute der besseren Stände damit be¬ fassen, und wenn sich die Studenten in neuester Zeit davon fern hielten, geschah es einerseits, da solche Ruhestörungen den Pflichten der Garde zuwider laufen, anderseits aber, weil die sogenannten Pflahlbürger, deren Anzahl hier eine beträcht¬ liche ist, in diesem Treiben eine gefährliche Willkührherrschaft erblicken und es im Interesse der Studenten liegen muß, sich gerade jetzt die Sympathien aller Klassen zu erhalten. — Die folgenreichste Katzenmusik war die den hochwürdigen (111. P. P. Liguorianern gebrachte; diese wurden gezwungen, die Stadt zu verlassen und zwar so eilig, daß sie kaum Zeit sanden, ihre wichtigsten bewegl. Güter zu retten und sich mit einem karg zugemessenen Reisegeld zufrieden stellen mußten. Alsbald prangte über der Pforte ihres Klosters ein großer Zettel, der dasselbe als „Nationaleigenthum“ bezeichnete; dasselbe war der Fall bei dem Kloster der Büßerinnen auf der Landstrasse, das man für ihr Absteigequartier hielt und Rathswittwen u. dgl.: die wohlgeborne, oder hoch¬ geborne Frau N. N., der hoch= und wohlgeborne Herr N. N. u. s. w., während manchem schlichten braven Kinde der Erde das Wort Herr und Frau versagt wird, weil es weder Amt, noch Geld, noch Haus, noch Gewerbe besaß. — Wozu diese zopfigen Unterschiede? und sind diese noth¬ wendig, warum werden sie nicht auch im Verzeichniße der Abgereisten gemacht? Wenn es noch hieße: wohl¬ gestorben oder hochgestorben! — Aber eben im Tode sind wir alle gleich! ist oft einer so wohlgeboren und den¬ noch so übel gestorben! Also fort mit dem Schlendrian! Moschus. fe. wo man gleichfalls die Nonnen verjagte. Man kann sich kaum einen Begriff machen, mit welcher Hast nun der Nach¬ laß dieser ehrwürd. Herren und Frauen durchstöbert wurde, und in der That lüsteten sich die Schleyer von manchen Ver¬ hältnissen, die den üblen Gerüchten mit denen man sich her¬ umtrug, in keiner Weise widersprechen. Es würde wohl manchen meiner lieben Landsleute interessant sein, Einsicht zu nehmen in die Briefe, die in diesem Augenblicke haufenweise auf meinem Schreibtische liegen. Correspondenzen aus Ame¬ rika, Frankreich, Siebenbürgen und allen Provinzen Öster¬ reichs, größtentheils von Ordensbrüdern und frommen Frauen, Klosterfrauen und bürgl. Frauen, hauptsächlich aber nur Cor¬ respondenzen über die Gasse, wieder nur mit Frauen geführt, deren Frömmigkeit aber hiernach sehr bezweifelt werden kann, bilden dieses herrliche Archiv aus dem wohl manche Belege zu einer Geschichte dieses Ordens geschöpst werden könnten. Gern würde ich hier Stellen daraus anführen, wenn ich nicht befürchten müßte jedes sittl. Gesühl zu empören — jeden¬ falls wird aber noch manches davon an die Offentlich keit treten. Namentlich interessant ist das Tagebuch eines sol¬ chen Mönches, worin er seine Empfindungen in den letzten ereignißvollen Tagen gegen eine Frau ausspricht; es reicht bis zu dem Momente seiner Flucht. — Haarlocken und Strumpf¬ bänder sanden sich in vertraulicher Kammeradschaft zusam¬ menwohnend mit Geißeln, Heiligenbildern und anderen .... Bildern; — was man bei den Büßerinnen gesunden haben soll, will ich nicht nacherzählen; ich habe es nicht selbst ge¬ sehen, und kann es kaum meinem besten Freunde glauben. — Die Speisekammern waren mit Vorrathen auf Jahre gefüllt, nickt minder die Keller mit den vorzüglichsten Wei¬ nen. —— Doch genug hievon; ich schaudere, wenn ich nur an den Frevel denke, der seit Jahren in diesem verfluchten Hause unter dem Deckmantel der Heiligkeit getrieben wurde, wenn ich denke, wie groß immerhin noch ihr Anhang war, und was für berühmte Namen bis zum letzten Augenblicke

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