Pfefferkörner. Es gibt verschiedene Idiosinkrasien d. h. im Nerven¬ systeme des Einzelnen begründete unwiderstehliche Abneigun¬ gen. Manche Person kann den Ton einer Harmonica nicht vertragen, eine andere kann keinen Sammt angreifen, eine dritte fällt in Convulsionen, wenn ihr eine Katze in die Nähe kommt. An einer ähnlichen Idiosinkrasie leidet die Linzer¬ zeitung: sie kann die Preßfreiheit nicht vertragen. Es ist erstaunlich wie oft uns dieses Blatt versichert, was sie trotz der Preßfreiheit nicht drucken will. Und auch durch die That beweist sie täglich, daß sie sich vollständig in den alten Gran¬ zen halten will. Nur dann und wann bespricht sie ein Thema, das sie unter der Censur nicht hatte besprechen können, aber jedesmal auf so abschreckende Weise, daß sie ihre geheime Absicht immer treffend damit erreicht. Freund Moschus hat sich die Mühe genommen im Folgenden einen ihrer Aufsätze flüchtig zu beleuchten. In Nr. 45 der Linzerzeitung bemüht sich Jemand, die Bedeutung der drei Worte Preßfreiheit, National¬ garde und Constitution auf die d—stmögliche Weise zu erklären. Wie sehr ihm dieß gelungen, mögen die nachstehen¬ den Citaten beweisen, da der Raum dieser Blätter uns nicht gestattet, alle Lächerlichkeiten und todtgebornen oder krüppelhaften Ideen anzuführen, aus welchen der Aufsatz besteht: „Biedere Männer von Oberösterreich!“ ruft der Hr. Verfasser aus, „der Kaiser hat uns das Recht ertheilt, „zu denken und zu sprechen, wie es uns um's Herz ist; „er hat uns das Recht gegeben, unsere Gedan¬ „ken niederzuschreiben!“ Also das Recht zu denken und unsere Gedanken niederzuschreiben ist uns am 15. v. M. verliehen worden!!! Da hat der Hr. Verfasser freilich etwas zu schenken bekommen, was er sich nicht erwartet hatte! Aber da hat man's; das sind die Folgen dieser übermässigen Gaben! Das läßt er sich nun nicht mehr nehmen — das Denken und Niederschreiben! er hat es ja schriftlich, schwarz auf weiß! „Das Preßgesetz“ (so lautet dessen Definition) „ist „ein Gesetz, welches diejenigen in Schranken halten soll, Einges Mit Entrüstung gewahrten wir in den Händen des Publikums die gemeinsten Karrikaturen, deren Zweck es ist den jüngst gestürzten Staatsmann Oesterreichs zu verhöhnen. Wahrlich! Urheber so eckler Produkte kann kein Deut¬ scher sein; denn dieser tritt dem Verwegenen, welcher seine frevelnde Hand nach heiligen unveräußerlichen Menschenrech¬ ten ausstreckt, mit eherner Brust entgegen, behandelt aber den zu Boden Geworfenen mit Großmuth. Die Aufgabe jedes Biederen ist es immer, und ganz „die es sonst versuchen könnten, Zwietracht, falsche Ge¬ prüchte, falschen Glauben u. s. w. zu verbreiten, und „im Trüben zu sischen!“ Das geht gegen Euch, all' ihr Klatschweiber, schmähsüch¬ tigen Nachbarinnen, Basen, Muhmen und Kaffehschwestern! Das Preßgesetz ist fortan euer Strafcodex! „Solche Menschen,“ heißt es weiter, „sind die gefal¬ „lenen Engel, die nur eine Freude an dem Bösen ha¬ „ben, weil sie verzweifeln! Hüten wir uns vor „den Wölfen in Schafskleidern, welche her¬ „umschleichen und hetzen, damit sie selbst einen Fang „machen können!“ Der lose Schelm! der Hr. Verfasser hat gut reden; er ist sich keiner Verkleidung bewußt! Bei ihm ist alles Natur, durch und durch! Aber das werden die Wölfe bleiben lassen, ihn zu fangen! So klug sind die Wölfe schon, daß sie an ihm keinen Fang machen können! Weiter macht uns der Hr. Verfasser das Kompli¬ ment, „daß uns der Kaiser für tüchtig genug „halte, uns gegen schlechtes Volk zu schützen, die durch „Raub und Plünderung sich Mühe und Arbeit ersparen „möchten! Der Kaiser hat die Nationalgarde bewilliget!“ Biedere Männer von Oberösterreich! Diese Anerken¬ nung wird und muß euch freuen! Die Nationalgarde darf sich etwas einbilden darauf, zu einer Gensd'armerie eben gut genug zu sein! Männer von Oberösterreich! wenn ihr wissen wollt, was Mißbrauch der Preße sei, leset die Anrede an Euch in Nr. 45 der Linzerzeitung! Leset dieses geistige Armuthszeugniß des Hrn. Versas¬ sers, und schenkt ihm — euer Mitleid! Du aber, Vater im Himmel, censurfrei fleischgewor¬ denes, göttliches Wort! — erlöse uns von allen Zeitungen, die den neuen Wein der Preßfreiheit im Aushängschilde führen, ihren Gasten aber noch immer das abgestandene Ge¬ krank aus den Metternich'schen Kellern vorsetzen, und gib, daß Niemand die Volkskanzel besteige, der nicht die natür¬ lichen Poken überstanden hat, oder daß sich nicht Jemand anmaße, als Verfechter des vaterländischen Wohles den Sä¬ bel zu ziehen, der statt der Klinge einen langen Zopf in der Moschus. Scheide stecken hat. ndetes. besonders jetzt, Gesinnung und Gefühl der Masse zu ver¬ edeln, nicht aber niedrige Rachsucht zu wecken und zu näh¬ ren. Gemein ist, wer gegen Wehrlose kämpft — doppelt ge¬ mein, wenn er seine Waffe aus der Pfütze hohlt und nicht bedenkt, daß er dadurch nothwendig sich selbst besudelt. Das ist Manier der Gassenjungen und Höckerweiber. Möge sich darum Niemand bei einer schlechten Sache be¬ theiligen, und um lumpigen Gewinnes willen die Würde des deutschen Namens opfern! Sch. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur des nichtpolitischen Theiles F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.
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