Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

Sero. 13. zwanglosen Blätter. Steyr den 30. September 1848. Pfeffe Die Slaven haben neulich im Reichstage gesagt: „Wir wollen Gleichberechtigung aller Nationen im Kaiser¬ staate.“ Ei — das wollen wir ja auch — es handelt sich nur darum, was beide Theile unter Gleichberechtigung verstehen. Ich meine z. B. gleichberechtigt seien in einem Kaiserthum, d. h. in einem Aggregate verschiedener Staats¬ organisationen, die verschiedenen Nationen dann, wann keine im Völkerrathe im Stande ist, durch eine größere Anzahl von Vertretern und somit von Stimmen die Rechte und Ansprüche der anderen zu unterdrücken. Jede Nation, sie mag nun mehr oder minder zahlreich sein, müßte im Reichstage durch gleich viel Vertreter repräsentirt sein, wo¬ bei freilich alle Deutsche als solche, alle Slaven als solche u. s. w. ohne Unterschied der Landes= oder Provinzial¬ Eintheilung als Urwähler auszuscheiden wären. Die Slaven, auf ihre numerische Stärke pochend, scheinen aber den Be¬ griff der Gleichberechtigung ganz anders aufzufassen. Das bewiesen sie bei der letzten Präsidentenwahl im Reichstage zu Wien. Nachdem der Slave Strobach zum Präsidenten gewählt worden war, traf die Wahl zum Vicepräsidenten abermals einen Slaven und zwar den Abgeordneten Smolka. Zweiter Vicepräsident wurde (wenn ich nicht irre) Lassare. Smolka betrat nach seiner Wahl die Rednerbühne und sagte: er erkenne sie als eine Anerkennung der Gleichbe¬ rechtigung der Nationen. Das Verhältniß 2 zu 1 scheint somit den Slaven die mathematische Formel für Gleichberechtigung. Ich bezweifle nicht daß der Patriot Jellachich, wenn ihm das Pulver vorhält und seine Soldaten aushalten und das schöne Wittelsbacherhändchen ihm treu bleibt, die Richtigkeit dieser Formel beweisen wird. Einges Gottfried von Dreger, Oberbeamter der Staatskasse in Triest hat uns eine kleine Abhandlung unter dem Titel: „suceus et sanguis der neuesten europäischen revolutionä¬ ren Bestrebungen“ übersendet die manches wichtige Wort enthält. Nachdem er die natürlichen und unvermeidlichen Conflikte zwischen den Wünschen freier Völker und jenen der Dynastieen dargestellt hat, gelangt er zu folgendem Schlusse, der einen eben so großartigen als treffenden Ge¬ danken ausspricht. „Schwer krank liegt noch Europa am ansteckenden Uebel, unumschränkte Monarchie, darnieder. Selbst¬ herrscher Sultane stemmen sich noch mit ihren Cabineten, militärischen Mächten und Aristokratien unbezwingbar ent¬ gegen, und bedingen den Anschluß minder zahlreicher, freier Nationen an Freie, Selbstständige. Frankreich lichtete den Schleier. Allein es lehrt in neuester Zeit, wie schwer ein Volk seine Freiheit zu genie¬ Fen und zu erhalten versteht, und die Früchte der Ein¬ tracht und Einsicht zu sammeln, deren Ernte es jedes Opfer gebracht. Hiezu fehlt es der französischen, freien Nation in den untersten Sphären an entsprechender Volksbildung. örner. Unsere Minister sind schlau. Zur Sicherung ihrer rückwärts schwankenden Politik haben sie die Gutgesinnten erfunden — eine Ministerbarrikade. Die Gutge¬ sinnten sind Alle die, welche mit dem Ministerium stimmen, und die so frech sind nicht mit diesem zu stim¬ men, das sind Anarchisten, Ruchlose, Fluchwürdige und seit Nr. 167 der Abendbeilage der Wienerzeitung „Repub¬ likaner.“ Diese ministerielle Politik ist ebenso geistreich als tolerant, nur schmeckt sie etwas vormärzlich, sie ist aus Metternichs Schule. Der edle Jellachich will, sobald er über die Leitha gerückt ist, auf dem Marchfelde und später in den Straßen Wiens Privatissima über diese Politik lesen. Die Aktien des Ministeriums müssen trotz dem Justiz¬ lächeln des Advokaten Bach und trotz der Ehrenrettung des unvergleichlichen Kriegsministers und Volksfreundes, Graf Latour, nicht sehr brillant stehen, denn in der im vorigen Absatze angeführten Abendbeilage erinnern sie sich nach langer Vergessenheit plötzlich wieder, daß sie die de¬ mokratische Monarchie wollen. Es mag hingehen aber jetzt nicht mehr darauf vergessen! Am 25. September Mittags fand in Wien eine Mi¬ nisterkonferenz statt, welcher die Erzherzoge Franz Karl und Stephan (der Erpalatin) der Erstere doch wohl nur als Zuhörer, der Letztere als Berichterstatter beiwohnten. Oder bereitet man langsam den alten Staatsrath, in dem kaiserliche Prinzen als solche Sitz und Stimme führten, vor? Das paßt wahrlich schlecht in eine demokratische Monarchie, in der es wesentlich ist, daß nur der Landes¬ fürst und der Deputirte zur gesetzgebenden Versammlung als solcher privilegirte Personen sind. ndetes. Wie, ist das auch bei dem deutschen Volke der Fall? Nein, und ewig nein! Deutschland fehlt es zum Genusse seiner Freiheit, nur an Einheit und Muth, allen übrigen freien Völkern als Vorbild eines einigen, freien Volkes zu dienen, und sich selbst zu beglücken. Furcht und Achtung vor den rechtlich bestehenden Dy¬ nastieen, alte Anhänglichkeit an manch innig geliebtes Herr¬ scherhaus lassen den deutschen Gemeinsinn nicht reifen. Solange die gekrönten Häupter nicht freiwillig ihre Diademe in den Schoß der Völker Deutschlands legen, und mit den Unterthanen stolz darauf sind, durch dieß Opfer die erste stärkste, größte, freie Nation der Welt, ein einiges Deutschland zu begründen, und der französischen und italienischen Nation die Richt¬ schnur zu geben, ist jede Hoffnung — Traum. Deutschland würde die nachbarlichen Nationen: Polen, Ungarn, Croatien, Böhmen und Illirier frei erklären, sie als Föderativ=Staaten ohne Auflösung des Verbandes un¬ ter Oesterreichs konstitutionellem Kaiser und Könige schir¬ men, die Lombardei und das venetianische Gebiet mit Oesterreichs Zustimmung unter nur einige Zeit dauernden

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