Zwanglose Blätter, Nr. 79, vom 16. Dezember 1848

329 men und Mähren entgegenkommen. Meine Herren! Was die gar so große Antipathie des slavischen Volkes selbst gegen den Auschluß an Deutschland betrifft, — ich spreche nicht von den aufgeregten Massen, sondern von dem wahren Kerne des Volkes, — so glaube ich nicht daran. Viele wissen gar nicht, was sie wollen; wo aber diese Antipathicen stecken, weiß man, sie stecken in der slavischen Aristokratie, in dem slavischen Gelehrtenthum, welches sich in einem großen slavischen Reiche leichter auszuzeichnen glaubt, als in einem vereinzelten slavischen Gebiete des großen Deutschlands. Kann sich aber Böhmen leicht los¬ trennen, ist es möglich? Es ist fast ganz von Deutschen umgeben, die für die deutsche Sache glühen; Sie werden es in den Zeitungen gelesen haben. Würde es aber mög¬ lich sein, daß ein schmaler Keil, ein slavischer, durch und durch czechischer Keil wirklich so beharrlich in seiner Anti¬ pathie hält, sich lieber an eine ungewisse Zukunft Galli¬ ziens anschließt, und man fragte mich, ohne Aufopferung der deutschen Interessen, also für einen ganz slavischen Keil, wenn dieser beharrlich keinen Verband mit Deutsch¬ land will, was meine Ansicht wäre, ob man mit der Schärfe des Schwertes sie zwingen müßte. Meine Herren! Diese Frage will ich nicht beantworten, und verweise auf die Nothwendigkeit. Dort, wo die Nothwendigkeit gebietet, aber auch nur dort, und inwieweit die eigene Eristenz in Frage gestellt ist, ist es erlaubt, fremde Nationalitäten zu zwingen. Anders gestaltet sich das Verhältniß im Süden; dort ist die eiserne Nothwendigkeit da, dieser muß für Deutschland erhalten werden, dort kommen wir aber auch nicht in Verlegenheit, die Antipathieen für Deutschland sind geringer, die Mischung ist viel bunter, und die dor¬ tigen Interessen sind zu sehr an die deutschen Interessen geknüpft. Meine Herren! Wenn ich den Minoritäts¬ antrag durchgehe, so muß ich aufrichtig aussprechen, daß er nur in dynastischen Interessen sei; wie wenig aber die Parthei der sogenannten Schwarzgelben in Oesterreich einer allgemeinen Sympathie, einer Liebe im Volke sich zu er¬ freuen hat, das wissen Sie selbst aus den Zeitungen. Die Völker ließen sich viel gefallen, es müssen sich auch die Dynastieen etwas gefallen lassen. Meine Herren! Ich bin nicht ohne Pietät, doch möchte ich in dieser Beziehung mit zwei Worten einer Anekdote erwähnen. Der selige Kaiser Franz hatte eine solche Abneigung vor dem Worte „Konstitution,“ daß sein Leibarzt selbst in Beziehung auf An die B Eure Befreiung von den auf dem historischen Rechte beruhenden Lasten, diese Befreiung ist die erste Seg¬ nung, welche der Reichstag den Völkern Oesterreichs ge¬ bracht hat, und welche bereits am 7. September d. J. durch die Zustimmung des Kaisers zum Gesetze geworden ist. Hans Kudlich der Sohn eines schlesischen Bauers war es, der zu¬ *) Eingesendet. Wir glauben nach dem Grundsatze: audiatur et altera pars, gegenüber den maßlosen Angriffen der servilen Wiener Presse, diesen Auf¬ satz aufnehmen zu müssen. Die Red. seine Leibesbeschaffenheit dieses Wort nicht gebrauchen durfte. Jetzt hätte er sich auch daran gewöhnen müssen. (Heiterkeit.) Meine Herren! Ich verkenne nicht, daß Oesterreich noch eine große Zukunft haben kann. Oester¬ reich ist aber geschieden in zwei Theile, in Deutsch¬ Oesterreich und Nichtdeutsch=Oesterreich. Die Zukunft von Deutsch=Oesterreich ist in Deutschland, die Zukunft von Nichtdeutsch=Oesterreich ist im Osten und gegen den Osten, mag sich nun Oesterreich als Bun¬ desstaat, mag sich dasselbe als eine kompakte Masse, als einen ungetheilten slavisch=magyarisch=romanischen Staat gestalten, diese Mission kann es auch auf diese Weise er¬ füllen. Lassen Sie uns daher mit dem nichtdeutschen Oester¬ reich Hand in Hand gehen, lassen Sie uns innigst damit verbinden, lassen Sie uns Schutz= und Trutzbündnisse schließen; aber Deutsch=Oesterreich selbst fordern wir für uns als ein untrennbares Glied, welches zum Körper ge¬ hört. (Auf mehreren Seiten: Bravo!) Ich schließe, nur eine kurze Bemerkung noch. Ich bin kein blinder Verehrer von Revolutionen, schon nach meinem Naturell nicht, aber ich erkenne die Revolution als ein nothwendiges Uebel an, welches darin, in dieser Nothwendigkeit, seine Rechtfertigung, seinen Rechtstitel findet. Die letzte Revo¬ lution in Deutschland und Oesterreich war aber nothwen¬ dig, der Bildungsgang, die Ausbildung der Wissenschaft, das Selbstbewußtsein des Volkes, das Erwachen in jeder Beziehung hat sie verlangt, hervorgerufen. Benutzen Sie jetzt diese Revolution, um keine zweite hervorzurufen. Meine Herren! Ich will hier keinen Schreckschuß machen, es ist nicht meine Art; aber glauben Sie, daß, wenn diese Revolution nicht ganz ausgebeutet wird, wenn Sie Deutsch=Oesterreich fallen lassen, wenn Sie hier nicht als das handeln, als was Sie handeln müssen, nämlich als die Vertreter der Deutschen, die für ihr heiliges Recht sich annehmen müssen, so werden Sie schlimme, sehr schlimme Ereignisse hervorrufen. Thun Sie nichts halb, wir brau¬ chen Sie, Sie brauchen uns. (Stimmen: Sehr wahr!) Entschließen Sie sich daher, und sprechen Sie aus: Unter keiner Bedingung werden wir Deutsch=Oesterreich fallen lassen. Deutsch=Oesterreich gehört zu uns, wie jeder an¬ dere Theil. Rechnen Sie darauf, daß die Herzen Ihnen entgegenschlagen, und, ich will den Fall nicht herbei¬ rufen, — aber erforderlichen Falles, rechnen Sie auch auf unsere Arme. (Bravo!) auern.?) erst**) seine Stimme für Euch erhob, der forderte, daß Euch die ewigen Rechte zurückgegeben werden, die an den Sternen droben hangen unveräußerlich. Kein anderer Stand erfreut sich eines Vertreters von so entschiedener Auffassung seiner Zustände. Für den Bürgerstand, dessen Verhältnisse mannigfaltiger ver¬ flochten sind, der eine viel härtere Bevormundung ertragen mußte und in seinem Gewerbe viel abhängiger ist für diesen Stand ist noch nichts geschehen. Hans Kudlich hat Die Red.

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