Zwanglose Blätter, Nr. 78, vom 13. Dezember 1848

treten nicht als Deutsche, als Engländer, als Franzosen in das neue Land ein, sondern als Amerikaner. Dann ist das amerikanische Element bei ihnen vorherrschend, und auch ist nicht aller Tage Abend, — und ob diese Ver¬ schiedenheit der Sprachen und Stämme nicht noch manche Verlegenheit bereiten wird, das wissen wir nicht. Sollten wir denn nicht auch in einem Punkte Amerika voraus sein können, müssen wir denn immer Alles anderen Ländern nachahmen? Es ist nicht zu leugnen, daß das National¬ gefühl ein mächtiger Hebel für den Fortschritt sei. Man sprach von Vorbehalten, Provisorien, von Verschiebung einer definitiven Bestimmung in der Anschlußfrage; aber, meine Herren, wenn es je Zeit war, mit Bestimmtheit auszusprechen, ob Oesterreich zu Deutschland gehöre, so ist jetzt die Zeit dazu. (Von verschiedenen Seiten Zustim¬ mung.) Nach kurzer Zeit könnte es zu spät sein, spre¬ chen Sie es bestimmt aus, und zögern Sie nicht; Deutsch¬ Oesterreich gehört zu Deutschland, es will zu Deutschland gehören, es gehört dahin mit allen Momenten, mit allen Beziehungen, und mit Allem, was die Politik, ja die ge¬ wöhnlichste hausbackene Klugheit, möchte ich sagen, er¬ rathen kann. Alles, was nur in die Wagschale kommen kann, spricht dafür, daß Deutsch=Oesterreich bei Deutsch¬ land zu bleiben habe, und zwar unbedingt, wie jeder an¬ dere Bestandtheil des deutschen Landes. Dafür sprechen die staatsrechtlichen Verhältnisse, Sprache, Abstammung, Geschichte, die geistigen und materiellen Interessen, der Volkscharakter, und insbesondere auch der Eharakter der neuesten Bewegungen. Niemand wird leugnen, daß in derselben Weise, wie andere Länder, auch Deutsch=Oester¬ reich nach der Wiener Akte dem deutschen Bunde einver¬ leibt war. Aber die Rechte Deutschlands gehen weiter zurück, noch viel weiter zurück, als die pragmatische Sanktion. Sie gehen zurück auf den Anfang der deutschen Geschichte. Die Geschichte Oesterreichs und Deutschlands gieng immer zusammen, und selbst wo Oesterreich mit anderen deutschen Ländern im Kriege war ist dieser Hader ein gemeinschaft¬ liches Kennzeichen, denn dieser Familienhader hat sich leider oft bei den deutschen Stämmen wiederholt. Auch mit Sprache und Bildung gehört Deutsch=Oesterreich Deutsch¬ land an. Wer Oesterreich kennt, muß sagen, es ist deutsches Land. Gehen Sie in seine Gebirge, steigen Sie in seine Thäler herunter, betrachten Sie das Physische des Volkes, beobachten Sie seine Gebräuche, seine Sitten, Alles ist deutsch. Hier kommt nicht in Betracht, daß von 12 Mil¬ lionen die Hälfte auf die slavische Bevölkerung kommt. Wo ist die slavische Bevölkerung? Sie ist auf einzelnen Kern¬ punkten in Mähren und Böhmen, und hinab gegen die adriatische Küste, sonst ist sie nur an kurzen Säumen, Grenzstrichen, zerstreuten Punkten. Im Allgemeinen ist Deutsch=Oesterreich durch und durch deutsches Land, das mit seinem Bürgerthume, mit seiner Bildung und allen Sym¬ pathieen Deutschland angehört. Meine Herren! Unsere Zeit ist die Zeit des Erwachens der politischen Wahlver¬ wandtschaft. Seit der Völkerwanderung war der Staaten¬ bildungsprozeß ein rein mechanischer, man flickte zu, man riß ab, man vergrößerte sich durch Aggregation, das Licht des Geistes leuchtete auch hier, aus der freien Wissenschaft gieng die Erkenntniß des Organismus der Völker, das Selbstbewußtsein des eigenen organischen Lebens, das Ver¬ ständniß der eigenen Eigenthümlichkeiten hervor. Der große Gewalthaber Napoleon brachte das erst in der Wis¬ senschaft gestürzte Prinzip wieder zur Geltung; aber es war das letzte Aufflackern, der Organismus der Völker machte sich jetzt gewaltsam geltend. Ich leugne nicht die Geschichte nicht die Thatsachen, nicht gegebene Verhält¬ nisse, noch weniger, daß ich sie leugne, sehe ich ein, daß man sie beseitigen könne. Aber die natürlichen Bedürfnisse und Anforderungen der Thatsachen greifen so ineinander, daß man nicht weiß, wo das Eine aufhört und das An¬ dere beginnt, das gebe ich zu. Wie die erratischen Blöcke in der Geologie, machen den Politikern die vorgeschobenen Sprach= und Völkerposten sehr viel zu schaffen. Ebenso¬ wenig läßt sich leugnen, daß ein organischer Bildungs¬ gang in die Völker gekommen sei, und daß man Völker¬ verbindungen nicht mehr mit Kanonen diktiren kann, son¬ dern daß die Völker aus sich selbst in ihren Eigenthüm¬ lichkeiten sich entwickeln. Ob übrigens Nationalität, ob Volkswille, ob Verträge, ob abgerundete Territorien, ob die Interessen vorwiegend zu entscheiden haben, das läßt sich nicht lösen wie ein Schulerempel, und trotz aller Logik, und mit dem besten Willen winden wir uns ohne Wider¬ sprüche nicht hinaus, das sehe ich wohl ein; aber allen diesen Momenten muß Rechnung getragen werden, und alle finden ihre Grenze zuletzt an der Nothwendigkeit. (Schluß folgt.) Zur Geschichte des Tages. Nachdem bereits der Ban Jellachich zum Civil= und Militärgouverneur von Dalmatien ernannt worden war, ist nun auch der General Giulay an die Stelle des abge¬ setzten Grafen Salm, bis jetzt Gouverneur des Küsten¬ landes, zum Civil= und Militärgouverneur dieses Land¬ striches ernannt worden. Die Regierung erfüllt nur einen längstgefühlten Wunsch und hilft einem dringenden Be¬ dürfnisse ab wenn sie mehrere der gegenwär¬ tigen Provinzialgouverneure ihres Amtes enthebt, aber die Provinzen sähen bei alledem doch lieber wieder Civilgouverneure! Man bittet in Wien um Verlängerung des Belage¬ rungszustandes, da man glaubt, wenn er jetzt beendet würde, lebte die Schand= und Straßenliteratur, dann der Uebergriff des Associationsrechtes wieder auf. Diese Be¬ sorgniß ist ganz ungegründet, denn das bestehende pro¬

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