Zwanglose Blätter, Nr. 78, vom 13. Dezember 1848

324 tung verschafft werden. Kriegsmaßregeln sind noch im Zuge, und wir hoffen, daß in Bälde auch dort wieder der innere Frieden hergestellt und der Boden zur endlichen Beilegung der eingetretenen Wirrnisse geebnet sein wird. Ad 2. Das Kriegsgericht zur Untersuchung und Ab¬ urtheilung der bei dem Oktoberaufruhr in Wien bethei¬ ligten Individuen ist eine Folge des Belagerungszustandes. Bereits ist das Standrecht für diese Fälle außer Wirk¬ samkeit getreten, und der Gestion des Militärgerichtes die unter den Verhältnissen gestattliche Modifikation dahin er¬ theilt worden, daß zu der Untersuchung Beisitzer aus dem Civilstande beigezogen und behufs der Aburthei¬ lung von Civilpersonen die Beachtung der Civilstrafgesetze vorgezeichnet wurde.*) Ad 3. Die Hinrichtung des Mitgliedes der deutschen Nationalversammlung, Robert Blum, erfolgte in Gemä߬ heit des von dem Kriegsrechte gefällten Urtheilsspruches. Die provisorische Centralgewalt der deutschen Bundes¬ staaten hat aus diesem Anlasse zwei Abgeordnete als Kom¬ missäre mit der Vollmacht hierher gesandt, sich dieserwegen mit den österreichischen Behörden in Verbindung zu setzen, und die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um dem von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a. M. er¬ gangenen Gesetze vom 29.— 30. September d. J. Aner¬ kennung und Geltung zu verschaffen. Diese Kommissäre haben nach ihrer Ankunft das Ersuchen um die Einsicht in die Untersuchungsakten gestellt, welche ihnen ohne Anstand gewährt wurde. Die in Folge dessen von denselben an *) Dieß ist uns ebenso erfreulich als neu zu vernehmen!! das Ministerium gelangte Eröffnung läßt voraussetzen, daß sie durch Einsicht der Untersuchungsakten die Ueberzeugung gewonnen haben, es sei bei der Aburtheilung der Abge¬ ordneten Blum und Fröbel das zur Anwendung gekommene österreichische Kriegsgesetz weder in formeller noch in ma¬ terieller Rücksicht verletzt worden, sondern in beiden Be¬ ziehungen von dem Militärgerichte seiner Pflicht getreu und dem Gesetze gemäß geurtheilt und gehandelt worden. Die¬ selben haben — ohne diese Thatsache in Abrede zu stellen - gegen den diesfälligen Vorgang aus dem Grunde Ver¬ wahrung einzulegen befunden, weil dabei das deutsche Reichsgesetz vom 29.—30. September nicht beachtet wor¬ den. Zugleich forderten die Herren Kommissäre, daß dem fraglichen Gesetze sofort in Oesterreich volle Wirksamkeit eingeräumt werden soll. Die thatsächliche Nichtbeachtung jenes deutschen Reichs¬ gesetzes aber findet schon in dem Umstande genügende Be¬ gründung, daß zur Zeit als die Verhaftung und Verur¬ theilung der genannten Individuen erfolgte, dasselbe nicht einmal noch offiziell dem österreichischen Ministerium be¬ kannt, also noch weniger im gesetzlichen Wege den öster¬ reichischen Gerichten maßgebend geworden war, und dieses auch in so lange nicht werden kann, bis nicht überhaupt das neu zu gestaltende staatliche Verhältniß zwischen Oester¬ reich und Deutschland in beiderseitigem Einverständnisse bleibend geordnet ist. In diesem Sinne sind die entsprechenden Weisungen dem österreichischen Bevollmächtigten bei der provisorischen Centralgewalt zur weiteren Mittheilung an dieselbe zuge¬ gangen. Rede des Abgeordneten Wagner von Steyr über Oesterreichs Auschluß an Deutschland. Gehalten in der Sitzung der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt am 24. Oktober 1848. (Fortsetzung.) Der Redner vor mir und Andere sprachen von den Anti¬ pathieen, welche eine Trennung des deutschen vom nicht¬ deutschen Oesterreich in so vielen Ländern finden werde; ich möchte in Beziehung auf ein Land dieß besonders wie¬ derholen. Es ist Tirol. Ich glaube, daß diese Antipathie und beziehungsweise Sympathie nicht dem konglomerirten Oesterreich, sondern der Dynastie Oesterreichs gilt, und wenn von dem Reiche die Rede ist, die Sympathieen na¬ mentlich dem deutschen Oesterreich gelten, aber nicht auf Gallizien und Ungarn, und auf das Beisammenbleiben dieser Länder ausgedehnt und ausgelegt werden können. Man spricht von der Anstandslosigkeit, wenn die ganze Monarchie in das deutsche Reich eingezogen werde; es müsse daher die Sache aufgeschoben werden, bis die Ver¬ hältnisse in Oesterreich geordnet sind. Gegen die Theilung aber sprachen sich diese Redner bestimmt aus. Meine Herren! Vom deutschen Standpunkte aus, und das ist mein Standpunkt, könnte ich Dieß nicht wünschen. Ich verlange für Oesterreich, als großes Ganzes, keinen über¬ wiegenden Einfluß in Deutschland. Ich würde anderer¬ seits fürchten, wenn so viele fremde, sich wider¬ strebende Elemente eingezogen werden, die — wie man weiß — nach allen Richtungen hin auseinander streben. Denken Sie an Gallizien und Italien. Warum sollten wir die Ordnung unserer Verhältnisse wieder aufsparen und auf unbestimmte Zeit hinausschieben? Ein mächtiger Hebel für den Fortschritt ist das Nationalgefühl. Dieses Nationalgefühl kann aber nicht so mächtig wirken, wo so viele verschiedene fremde Elemente zusammengebun¬ den. Man spricht so viel von Amerika, aber in Amerika sind ganz andere Verhältnisse. Dort ist nicht das sprach¬ liche Element, nicht das Element der gemeinschaftlichen Abstammung, welche die verschiedenen Staaten aneinander binden; aber sie haben Eine Geschichte, Eine Erinnerung ihrer Freiheitsbildung, sie haben einen eigenen Bildungs¬ gang, und bedenken Sie, meine Herren, die Auswanderer, die hinüberziehen nach Amerika, lassen gewissermaßen auf dem Ocean die verschiedenen Erinnerungen zurück. Sie

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