Zwanglose Blätter, Nr. 77, vom 9. Dezember 1848

321 weder Muth noch Energie. Jene Demonstration bildet den Anfang der eigentlichen politischen Bewegung im König¬ reiche Sachsen; Blums Rede überraschte Alle durch den markigen Vortrag, durch kurze, schlagende Sätze, und ich höre noch heute den Jubel, mit welchem sie aufgenommen wurde. Mir gegenüber saß Karl Herloßsohn, der beim Anstoßen des Glases mir ganz verwundert über den Tisch rief: „Wer hätte das von dem gedacht!“ Blums Rede hatte damals noch nicht den salbungsvollen Pastorenton, in welchem er sich gefiel, seit er Deutschkatholik geworden war und Predigten hielt. Er sprach damals weniger re¬ flektirt; man sah und hörte es ihm an, daß Alles unmit¬ telbar aus dem Herzen kam. Von jenem Tage im Kranich zu Leipzig datirt sich Blums enge Freundschaft mit Todt, der vom Mitgliede des Fünfzigerausschusses zum königl. sächsischen Bundestagsgesandten aufrückte, und jetzt als geheimer Legationsrath in Dresden dieselbe Freisinnigkeit sich bewahrt hat, wie einst als Burschenschafter und nach¬ her als Bürgermeister und Advokat zu Adorf. Blum machte nach und nach literarische Bekannt¬ schaften und gehörte bald zu den Leipziger Literaten. Er war ein fleißiger Mitarbeiter an der Zeitung für die ele¬ gante Welt und studirte eifrig fort. Den von mir aus¬ gegangenen Gedanken und Plan, ein Theaterlerikon herauszugeben, griff er lebhaft auf, und er hat mit Her¬ loßsohn und Hermann Marggraff das für Schauspieler sehr nützliche Werk bis zu Ende redigirt. Sein politischer Eifer war damals sehr lebhaft, aber fern von allen Ertravaganzen. Blum war ein heiterer Gesellschafter, und hatte Stunden, in denen man ihn für liebenswürdig halten konnte. Wenn ich ihn mir als freude¬ strahlenden Bräutigam am Hochzeitabende vergegenwärtige, und jetzt denke, wie er vor slavischen Soldaten nieder¬ knieen mußte, und aus dem mörderischen eisernen Laufe den Tod erwartete, — welch' ein furchtbarer Abstand! Er war ein häuslicher Mann, wie er denn überhaupt viele bürgerliche Tugenden hatte. Seine Frau ist die Schwester des jetzigen Parlamentsabgeordneten I. G. Gün¬ ther, der politisch mit ihm Hand in Hand gieng, wäh¬ rend beide über nationalökonomische Fragen ganz verschie¬ dener Ansicht waren. Blum nämlich, dem es an geregel¬ tem Wissen fehlte, schwärmte für die Utopie des Freihan¬ dels, wahrscheinlich weil das Wort „Frei“ in dem Worte steckt. Von der Sache selbst verstand er nichts, während Günther gerade darin umfassend unterrichtet ist. Im Jahre 1840 wuchs Blums Einfluß. Er wurde politischer Schriftsteller und schon damals von den jungen Leuten, namentlich von einem Theile der Studenten, als eine gewichtige Autorität betrachtet. Sein ganzes Wesen war geeignet, der Jugend zu imponiren. Ueber sein un¬ schönes Aeußere sah man bald weg; er blieb sich immer gleich, nichts brachte ihn aus seiner Ruhe und Gewichtig¬ keit; er argumentirte oft in sehr gewöhnlicher Weise, aber immer verständlich; seine Worte, die er mit tönender Stimme vortrug, flossen gleich mächtig und wohlklingend dahin; er würzte sie an passenden Stellen mit Schlag¬ worten und poetischen Floskeln, und da er stets nur ein lernbegieriges Publikum hatte, so regte er allemal an und erntete Dank und Beifall. Es ist nicht Zufall, sondern beruhet theilweise wenig¬ stens mit auf Blums wirklichem Verdienste, daß der ein¬ stige Gürtlerlehrbursche, der von den Geldleuten über die Achsel angesehene Theaterkassier bald in Leipzig eine öffent¬ liche Macht und eine politische Autorität wurde. Als die meisten Menschen noch politisch träge und feige waren, zeigte Blum große Thätigkeit und entschiedenen Muth. Beide ketteten die Jugend noch mehr an ihn. Er wurde endlich Mitglied der städtischen Behörde und Parlaments¬ mitglied. Er ist todt, und was an ihm zu tadeln ist, wird von der kalten, schneebedeckten Erde verhüllt, in die man seinen von Kugeln zerrissenen Leichnam eingescharrt hat. Aber man wird seine Leiche von der Donau an die Pleiße holen, und ihm, der zum Märtyrer für die Idee der Freiheit ge¬ worden, ein Ehrendenkmal setzen. Er hat eine Stelle in der deutschen Geschichte.“ Rede des Abgeordneten Wagner von Steyr über Oesterreichs Auschluß an Deutschland. Gehalten in der Sitzung der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt am 24. Oktober 1848. Die Gegner, die wir bis jetzt gegen den Majoritäts¬ antrag, und zwar sämmtlich speziell mit Beziehung auf Oesterreich, gehört, haben vorzüglich die politischen Ge¬ fahren hervorgehoben, die aus der bloßen Personalunion der deutsch= und nichtdeutsch=österreichischen Länder hervor¬ gehen werden. Sie haben ferner auf die Wirren der Zeit und darauf hingewiesen, daß es jetzt nicht angemessen sei, mit einem Definitivum in dieser Beziehung vorzugehen, sondern daß man einstweilen nur provisorisch etwas be¬ stimmen und einen Vorbehalt lassen müsse. Sie haben endlich darauf hingedeutet, daß sie wohl dafür wären, wenn die ganze Monarchie in das deutsche Reich einge¬ zogen würde; keineswegs könnten sie aber für eine Ab¬ trennung und eine theilweise Einziehung stimmen. Endlich wurde auch und besonders von dem vorhergehenden Redner herausgehoben, daß eine solche Abtrennung auf die allge¬ meine Antipathie in den österreichischen Ländern stoßen würde, wobei namentlich einiger Länder vorzugsweise er¬ wähnt wurde. Was nun die politischen Gefahren betrifft, so wurden allerdings viele Behauptungen mit schönen Worten aufgestellt, doch vermißte ich hiefür den Beweis. Beredtere Zungen als die meinige haben dieses Ihnen genügend besprochen. Man stellte einerseits die große Ge¬ fahr heraus, daß das nichtdeutsche Oesterreich von dem deutschen Oesterreich sich ganz abtrennte, andererseits der deutsche Einfluß in dem nichtdeutschen Oesterreich ganz auf¬

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