Zwanglose Blätter, Nr. 76, vom 6. Dezember 1848

318 Lebensart und durch die Manieren des Hofmannes suchte jedoch der Graf zu ersetzen, was ihm an Kenntnissen ab¬ ging; durch Ehrlichkeit des Charakters bemühte er sich, vergessen zu machen, daß sein Blick nur zu be¬ schränkt sei. Bald nach dem Kriege zum Kommandeur der Gardes du Korps ernannt, verheirathete er sich mit einem Fräulein v. Massenbach, der Tochter eines alten Dragonergenerales aus dem Jahre 1806. Aufgezogen als eine Art Menin mit der Prinzessin Charlotte, der jetzigen Kaiserin von Rußland, ist dieselbe durch alle Verhältnisse hindurch mit dieser in inniger Verbindung verblieben, wie sie denn auch jetzt noch mit der kaiserlichen Freundin einen lebhaften Briefwechsel unterhalten soll. Der Graf Bran¬ denburg ist somit ein hoffähiger Kavalier von reinstem Wasser — und solche Herren scheinen heute den Kronen¬ trägern die besten Ministerpräsidenten. Wenn sie nur auch Recht haben! Rundschau eines politischen Thürmers. Ach Gott, wie hat sich die Welt verändert, seit ich das Letztemal (2. September d. J.) von meinem Thurme auf sie niedersah! Ich stehe wie in einem schweren Traume und frage mich: ist der große März schon vorüber, oder haben wir ihn noch vor uns? — Windischgrätz hat das Standrecht in Wien aufgehoben und versprach in Zukunft jedem Kriegsgerichte Civilbeisitzer für Civilpersonen beizu¬ geben. Der Generalgouverneur Welden, der dieses kund¬ macht, zwackt aber schon wieder davon ab, und sagt im Widerspruche mit dem Erlasse Windischgrätzs: „Civilbeisitzer werden nur beigezogen, wo das die Militärgesetze erlau¬ ben.“ Wer von Beiden hat Recht? — Eine Deputation des Wiener Gemeinderathes hat dem Fürsten Windischgrätz eine Dankadresse überreicht, in der unter Anderem gesagt wird: „Der Gemeinderath habe die Milde und Humanität dankbar verehren gelernt, welche Se. Durchlaucht zu üben nicht ermüdeten.“ Diese Adresse ist vom 24. d. M. — Der berühmte Darsteller des Parapluiemacher Staberl, Theaterdirektor Karl Bernbrunn, ist eines der einflußreich¬ sten Mitglieder des Wiener Gemeinderathes. — Am 23. d. M. wurden die Dr. Becher und Jellinek erschossen, unter Anderem auch darum, weil sie die Proklamationen und Maßregeln des Fürsten Windischgrätz als ungesetzliche er¬ klärten. Was hat der Reichstag zu erwarten, der dasselbe Vergehen beging? — Das Morning=Chronicle nennt Blum (in Wien) den Vertreter einer fremden Macht. Das Frankfurter Parlament eine fremde Macht für Oester¬ reich! und doch scheint jene Zeitung Recht zu haben. — Der Abgeordnete Simon sagte neulich im deutschen Parlamente: Wenn man z. B. dem Könige von Preußen die Steuern verweigerte, so daß er Militär, Hofstaat u. dgl. nicht mehr zahlen könnte, werde er bald einsehen, ob er von Gottes Gnaden, oder von wessen Gnaden König sei. Der Kaiser von Rußland soll hierauf einen Flügeladjutanten mit einem Schreiben an Herrn Simon gesendet haben, das diesem das allerallerhöchste Mißfallen zu erkennen gibt. — Wien wird immer mehr befestigt zur Befestigung der Freiheit. — Thiers und Louis Philipp bauten auch um Paris forts détachées — Louis Philipp wohnt jetzt in Richmond. Der Kaiser hat dem Banus Jellachich einen Orden für sein schnekes Vorrücken nach Wien verliehen. War vielleicht schon sein Ausmarsch aus Kroatien ein Vorrücken gegen Wien? — Die steyermärkischen Stände haben an den Für¬ sten Windischgrätz ein Ersuchschreiben erlassen, er möge womöglich von der Befestigung des dortigen Schloßberges ablassen. — In Preußen ist Alles janz stille und jemüth¬ lich. Der jute Mond schaut vom Himmel herab wie ein weißes Plakat, von dem der Belagerungszustand den In¬ halt löschte, und die Minister sagen, sie wären zwar ver¬ antwortlich, aber sie hätten ihre Verantwortlichkeit einst¬ weilen dem General Wrangel zum Aufbewahren gegeben, und an den habe sich das Volk zu wenden. Unterdessen liebäugelt die Frankfurter Rechte mit dem König von Preußen, der aber, wie eine spröde Schöne, kokettirt mit den mann¬ schaftsreichen Generalen an der russischen Grenze. Alle fürchten sich. Auch der politische Thürmer, der sich hiemit in sein Thurmstübchen zurückzieht. ∆ Pfefferkörner. Auch bei uns in Steyr fangen die Rückwirkungen der Wienerzustände an sichtbar zu werden. Zum Beispiele war neulich an einem heiteren Spätherbstmorgen die deutsche Fahne vom Giebel des Berggerichtes verschwunden. Und schnell war ihre Spur verloren, Sobald sie wieder Abschied nahm. Da dieses Amtsgebäude unter allen übrigen hier das letzte war, welches sich den Schmuck der deutschen Fahne beilegte, so war es ganz konsequent, daß es sich das erste desselben wieder entledigte. Wir erstatten dem sich in be¬ scheidene Dunkelheit hüllenden Veranstalter der erwähnten Ueberraschung unter Anerkennung seiner echt deutschen Ge¬ sinnung hiemit unseren ergebensten und tiefgefühlten Dank. Mit einem Ergänzungsblatte Nr. 15. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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