316 in eine liebevolle Sehnsucht nach einem Menschenangesicht. Und ebenso unheimlich wie auf einem kahlen Felshorn, das über die Wolken in's Leblose ragt, mag es sein auf dem hohen Throne, wenn man über das Volk sich so hoch er¬ hoben hat, daß es sich nicht mehr vernehmen läßt. Das brach den starren Rathschluß der Gewaltigen, und ein sanftes Gefühl — ein Bedürfniß der Liebe gab dem jungen Oesterreich einen jungen Kaiser. Er blühe! Ferdinand tritt nach einer Scene voll Trotz und Blut vom Schauplatze ab, er entkleidet sich der Krone und des Purpurs und wird ein Mensch wie wir. Sprechen wir daher nicht mehr von der Rolle, die er zuletzt spielte, und lassen wir ihm den schönen Nachruf eines guten Herzens in sein einsames Privatleben nachfolgen. Der italienischen Amnestie, der Herabsetzung der Militärdienstzeit wollen wir gedenken, und alle Partheien sollen ihm versöhnt häus¬ lichen Frieden und die zufriedene Ruhe eines schlichten Bürgers wünschen, nach der sein Herz sich wohl schon lange sehnte. Nun aber wenden wir uns dem jungen Kaiser zu, der blühenden Hoffnung unserer Tage. Wird er seine Regierung beginnen, während die alte Residenz seiner Väter für die unvermeidlichen Fortschritte und Ueberstürzungen der Zeit seufzet unter der unbarm¬ herzigen Strenge eines tief gekränkten und ebenso tief krän¬ kenden Feldherrn? Wird er schon in den ersten Tagen seiner Herrschaft im Widerspruche mit dem Begriffe einer beschränkten Mon¬ archie den wichtigsten Theil seiner Gewalt unbeschränkt einem Diener überlassen, und nicht gedenken des Evange¬ liums, das da spricht vom guten Hirten und vom Miethling? Wird er den streitenden Nationen noch länger den Der Dienst der Weg des Friedens den einenden Völkertag vorenthalten, und das Wohl von Millionen noch länger auf der Spitze des Degens ruhen lassen? Ein tiefwurzelndes Mißtrauen im Volke hat ihm den Thron erledigt, war es gegen ein Wollen, war es gegen ein Können — der Oheim und der Vater wichen von der glänzendsten Stelle, die dem Sterblichen bereitet ist, so schmerzlich auch die Augen der Mutter sich mögen losge¬ rissen haben vom Glanze der Krone und der Pracht des Purpurs. Jetzt ist die Zeit, in der der junge Sohn, der junge Kaiser, ein Saamenkorn des Vertrauens säen muß in die Herzen des Volkes. Er gebe uns den Frieden, durch einen beide Theile ehrenden Vertrag, durch eine freie Verfassung und wir fordern unsere Vertreter auf ihrerseits schnell und tüchtig Hand an das Werk zu legen, oder fühlen sie sich an Kraft und Kenntnissen zu schwach, Würdigern ihre Plätze zu räumen, bevor auch sie des Volkes Mißtrauen von ihren Sitzen drängt. Franz Joseph — zeige dich würdig des Namens der hier mitklingt. Mache uns frei vom Fluche, heile uns von den eiternden Wunden der alten Zeit. Erneuere und befestige jedem Stamme sein Recht und seine Nationalität, und während Andere herrschen über ein Volk, so werde du ein Beglücker der Völker! Keiner komme je wieder als Büttel in die Felder und Städte des Anderen, sondern als Bruder, dann wird dein Thron auf festeren Stützen stehen als je einer stand. Dann wird dein Wink alle Stämme für das Vaterland und dich bewaffnen und der Ruf „für das Vaterland und den Kaiser“ aufhören die Losung einer Parthei zu sein. Ein junger Kaiser — ein junges Oester¬ Aler. Jul. Schindler. reich! Hoch!! □- Bürgerwehr. Die Ordnung der Dinge, wofür sich die überwiegende Mehrzahl der von der Nation erwählten Vertreter ausge¬ sprochen hat, wird jetzt nicht selten bedroht. Unreife republikanische Bestrebungen gähren in vielen Städten. Mit ihnen suchen sich häßliche Leidenschaften des Hasses und der Schadenfreude zu verbinden, und das Kleinod der Freiheit ist schon vielfach durch muthwilliges Toben und Zerstören und durch blutige Straßenkämpfe besudelt worden. Man vergißt, daß selbst die volksfreundlichsten Staats¬ männer bei dem redlichsten Willen nicht im Stande sind es allen Partheien recht zu machen und die Gebrechen der Gesellschaft durch einen Machtspruch auf einmal zu besei tigen. An die Stelle des Gemeinsinnes droht allgemeine Zersplitterung treten zu wollen. Folgt ein Deputirter, der früher mit Fackelzügen gefeiert wurde, seiner reiflichen Ueberlegung und stimmt darin mit Einzelnen, die sanguinische Hoffnungen hegen, nicht überein, gleich werden Massen aufgeregt, die an jedem Straßenlärm Freude haben, und es werden dem Manne die Fenster eingeworfen, so daß Frau und Kinder ihres Lebens nicht sicher sind. Der Un¬ fug geht so weit, daß man irgend einer mißliebigen Aeuße¬ rung, irgend einer unbedeutenden Handlung wegen Pri¬ vatpersonen thätlich mißhandelt und ihre Habe zerstört. Diejenigen, welche solchen Frevel gleichgültig ansehen und geschehen lassen, wo sie ihn verhindern können, be¬ denken nicht, daß, wenn er einreißt, derselbe bei erster Gelegenheit sie selbst betreffen kann; denn die entfesselte Bosheit greift wie eine Feuersbrunst immer weiter um sich. Hier ist es die Aufgabe der Bürgerwehr, welche den Kern der redlichen und ehrenhaften Bürgerschaft in sich schließt, mit Ernst und Entschiedenheit einzuschreiten, wenn die ganze Einrichtung der Bürgerwehr nicht leeres Spiel werden soll. Ich verkenne es nicht, wie die Manneswürde dabei gehoben wird, daß sich der sonst den Künsten des Friedens nachgehende Bürger und Bauer wieder des Waffenschmuckes bemächtigt hat, der ihm entzogen war. Es ist höchst er¬ freulich, wie sich in der Bürgerwehr, wo Jeder denselben schlichten Waffenrock trägt und der Beamte neben dem
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