313 Zur Geschichte des Tages. Auch Herr Anton Ritter von Spaun hat jetzt de dato 26. November 1848 in der deutschen Anschlußfrage sein entscheidendes Votum gegeben, das sich in dem Satze kon¬ zentrirt: „Nur Oesterreichs Völker mit ihrer Regierung sind berufen zu erklären, unter welchen Bedingnissen, mit welchen Mitteln und Gebieten sie sich dem großen Deutsch¬ lande anschließen wollen oder können.“ Bezüglich dieses Ausdruckes „können“ dürfte eine freimüthige und gründ¬ liche Untersuchung des Verhältnisses der März= und Mai¬ revolution, der kaiserlichen Zugeständnisse und der prag¬ matischen Sanktion zu einander sehr fruchtbar sein, aber die Witterung ist dem Unternehmen nicht gün¬ stig. Doch erlauben wir uns zu bemerken, daß wir der Meinung sind, Niemand Anderer als Oesterreichs Völker und ihre Regierung hätten unsere Abgeordneten nach Frank¬ furt geschickt, und nach der beschlossenen Geschäftsordnung, da man doch wußte, wie die Stimmen der Einzelnen sich zu denen der Majorität verhalten würden, dieselben dort belassen, mithin hatten sich Oesterreichs Völker und ihre Regierung den Eventualitäten einer Majorität ohne Protest im Voraus unterworfen. Irren wir uns aber in alledem, warum wurden dann unsere Deputirte nach Frank¬ furt geschickt? Doch nicht blos darum, um das damals für konstitutionelle Freiheit und seine Nationalität begei¬ sterte Volk vorderhand zu beschäftigen und zu beschwichtigen? Man fängt jetzt in einigen Wahlbezirken an in den konstituirenden Reichstag mit Vorliebe und allerdings zum Danke einer Parthei, höhere Staatsbeamte zu wählen. Man führt an, daß ihre Praris unter dem alten Systeme für die Belebung des neuen von großem Nutzen sein werde. Somit müßte der, welcher in seinem Leben am heftigsten an den Zähnen litt, der beste Zahnarzt sein. Gewisse praktische Handgriffe sind freilich unentbehrlich, aber die erwirbt ein fündiger Kopf in fünf Jahren ebenso leicht, als in fünfzig, und ebenso verhält es sich auch mit den positiven Grundlagen — aber zu einem Deputirten, wie er sein soll, gehören wohl höhere Fähigkeiten, als z. B. zu einem Kreishauptmanne, wie er (damals als er's wurde) sein sollte. Zufällig fällt uns hier eine Anekdote aus dem Leben des berühmten englischen Schauspielers Garrik ein. Als man in ihn drang eine Deputirtenstelle anzunehmen, sagte er: Ich will lieber auf dem Theater eine große Rolle spielen, als im Parlamente die Rolle eines Dummkopfes. & Die zwei Partheien, welche einander gegenüber stehen, sind die demokratische und die konservative die man auch schwarzgelb schilt. Beide befinden sich in der nämlichen Lage. Die Demokraten ergehen sich in wolken¬ vollen Luftgebilden, und finden für ihre Theorieen wenig Grund und Boden; die Konservativen können hinwieder aus ihren alten Erinnerungen nicht heraus und schieben alles Unheil auf die neue Freiheit. Die alte Parthei will die Lilie auf dem Felde und der Vogel in der Luft sein. Die Freiheit soll ihr Ehre und Schätze bringen, dann will sie sie als Braut nach Hause führen. Sie hat die Sklavenketten zu lange getragen, so daß ihr Ohr an dem Klirren der Ketten keinen Mißton mehr findet. Wer an der Freiheit keinen andern als einen materiellen Ma߬ stab anlegen kann, der kann sie freilich nicht genießen, denn er hat keinen Sinn für sie. Die Freiheit ist für den wahren Staatsbürger und nicht Spießbürger, das, was die reine Luft für den Körper ist. Die reine Luft sättigt nicht den Körper, aber sie hält ihn gesund. Man liest im Moniteur, der französischen Staats¬ zeitung: „Die Zeitungen von Köln und Augsburg sprachen jüngst von einem Glückwünschungsbriefe des Konseilpräsi¬ denten Cavaignac an den General Windischgrätz. Diese Behauptung ist eine jener erbärmlichen Verleumdungen, deren Zielscheibe der Konseilpräsident ist. Sie verdient kaum die Ehre einer Widerlegung.“ Politische Wochenschau. Deutschland. Frankfurt. Präsident v. Gagern hat am 24. d. M. einen achttägigen Urlaub genommen, um sich von den für das Schicksal des Vaterlandes so entscheidenden Zuständen in Berlin durch eigene Anschauung zu unterrichten. Er ist auch noch an selbem Tage mit dem für einen Augen¬ blick von Berlin zurückgekehrten Herrn Simson nach der preußischen Hauptstadt abgereist. Am 3. Nov. l. J. ist das Reichsministerium durch den Beschluß der konstituirenden Nationalversammlung aufge¬ fordert worden, die Anerkennung der deutschen Central¬ gewalt in Oesterreich zur vollen Geltung zu bringen, die Interessen Deutschlands in Oesterreich überall zu wahren, und die den österreichisch=deutschen Völkern zugestandenen Rechte und Freiheiten gegen alle Angriffe in Schutz zu nehmen; — in welcher Art dieser Beschluß ausgeführt wurde, lehrt uns die Geschichte der letzten Wochen: weder die Reichskommissäre Welcker und Mosle konnten sich den österreichischen Autoritäten gegenüber jene Achtung ver¬ schaffen, welche der Centralgewalt und ihren Kommissären gebührt; noch auch wußte sich das Reichsministerium gegen¬
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