Zwanglose Blätter, Nr. 72, vom 22. November 1848

302 Buchhandel wieder zur Blüthe brächte, und dieselbe Macht auf¬ stellte, die das alte System in seiner Urkraft überwand, und daher auch dessen Epigonen zu bewältigen oder ihnen die deutsche Fahne in die Hand zu drücken im Stande sein wird. Die Hinrichtung des provisorischen Kommandanten der Wiener Nationalgarde, Wenzel Messenhauser, macht bei der Nationalgarde der Provinzen einen höchst ungün¬ stigen Eindruck und würde gewiß energische Erklärungen in's Leben gerufen haben, wenn die Preß= und Redefrei¬ heit gegenwärtig nur vom Gesetze beschränkt wäre, das heißt: wenn beide verläßlichere Garantieen besäßen. So ist es klüger die Untersuchung der hie und da laut ge¬ wordenen Meinung: es seie mit jenem Akte auf eine De¬ monstration gegen das hohe Institut der Nationalgarde abgesehen gewesen, vor der Hand auf sich beruhen zu lassen. Uns erscheint Messenhausers Wirken und Ver¬ halten bis zur Kapitulation Wiens darum legal, weil er vom Reichstage ernannt, seine Schuldigkeit that und auf die Proklamationen Windischgrätzs schon darum keine Rück¬ sicht nehmen durfte, weil der Reichstag (durch die letzte Sanktion seiner Steuerbewilligung vom Kai¬ ser als gesetzgebend anerkannt) doch gewiß über dem Fürsten steht. Was es übrigens mit dem Bruche der Kapitulation und der Herbeiführung derselben durch Messenhauser für eine Bewandtniß habe, darüber müssen wir die Aufschlüsse der befreiten Wiener Presse ab¬ warten. Eine der wichtigsten Fragen ist jetzt die Pazifikation Ungarns. Ungarn bestand stets als ein besonderer, mit dem übrigen Oesterreich blos konföderirter Staat. Es hatte seinen eigenen König, seinen eigenen Reichstag, eine eigen¬ thümliche Verwaltung und keine Staatsschulden. Im März versprach man den Ungarn ein besonderes Ministerium, ebenso freiwillig oder unfreiwillig wie den Oesterreichern Preßfreiheit, Nationalgarde und Konstitution. Diese Zu¬ sicherung wurde durch das vom ungarischen Reichstage entworfene und vom Könige in eigener Person sanktionirte Gesetz vom 11. April Grundlage des ungarischen Staats¬ rechtes. Dieses Zugeständniß war zweifellos unklug, allein es kann jetzt nicht einseitig gebrochen werden, wenn das Königswort nicht zur Perfidie oder zum Spotte herab¬ sinken, und die Regierung nicht den Weg der Revolution betreten will, gegen welche sie immer zu kämpfen vorgibt. Das formelle Recht Ungarns auf seine besondere staatliche Eristenz wird durch den nicht einmal völlig aufgeklärten Widerspruch Kroatiens und der fanatisirten Grenzer kei¬ neswegs aufgehoben. Daraus würde höchstens die Los¬ trennung Kroatiens und der Militärgrenze von Ungarn, aber keineswegs die Nullität des Gesetzes vom 11. April folgen, wenn man anders bei dem Neubaue des Staaten¬ gebäudes nicht alte Pergamente, sondern die Bedürfnisse der Gegenwart für maßgebend hält. Mag man die Ueber¬ griffe, die Tyrannei Kossuths und seiner Faktion noch so sehr verdammen, so fordert doch ein anerkanntes Recht Achtung, und ganz Ungarn wird hinter Kossuth stehen, wenn man das Gesetz vom 11. April revolutionär auf¬ heben will. — Wir wünschen daher, daß das Verhältniß Ungarns zu Oesterreich nicht durch eine bloße Kanonen¬ politik, sondern auch auf dem konstitutionellen Wege durch schleunige Ernennung eines tüchtigen Ministeriums und Berufung des Reichstages geordnet werde. Man suche die Ungarn durch klare und ehrliche Manifeste zu über¬ zeugen, daß Ungarn für sich allein auf thönernen Füßen steht, daß es der weltgeschichtliche Beruf Oesterreichs ist, als Großmacht den Vermittler der Kultur des Westens mit dem Osten zu machen, daß Ungarn daher nur als ein einzelnes Glied der Gesammtmonarchie seine entspre¬ chende Stelle findet, und daß es zu diesem Zwecke auf ein selbständiges Ministerium des Krieges und der Diplomatie verzichten, sich zur Ordnung der wahrhaft gemeinsamen Angelegenheiten dem allgemeinen Reichstage in Wien ein¬ verleiben und dem dortigen Konföderations=Ministerium Grätzer Zeitung. unterordnen müsse. Pfefferkörner. Nach der stenographischen Korrespondenz soll uns ein ganisirung der Nationalgarde abgesehen zu haben. Aber, Gesetzesentwurf zur Reorganisirung der Nationalgarde be¬ Gott sei Dank, ein Entwurf ist noch kein Gesetz und bei vorstehen, der folgende Bestimmungen enthält: 1) Nur, weitem nicht Alles, was die Gewalt jetzt entwirft, wird wer 10 fl. direkte Steuern zahlt, darf eintreten (sehr klug, ausgeführt werden können. um die Nationalgarde recht schwach zu machen.) 2) Die Nach derselben Korrespondenz will man, da die vor¬ Offiziersschärpen werden abgeschafft. 3) Alle Offiziers¬ stellen über dem Hauptmanne werden mit Militär=, gerückte Jahreszeit und die von den Magyaren verdorbenen Offizieren besetzt!!! Und das soll dann eine National= Wege sonst nichts gestatten, Ungarn cerniren — wohl in garde vorstellen, das eine Erfüllung des Versprechens der der Absicht ihm — der Korn= und Fleischkammer der Volksbewaffnung sein?! Der ganze Entwurf scheint es deutsch=österreichischen Provinzen — die Zufuhr der Lebens¬ vielmehr auf eine Reorganisirung des Verspre=, mittel abzuschneiden! Ungarn aushungern zu wollen ist chens der Volksbewaffnung als auf eine Reor=, wahrhaft ein pyramidaler Gedanke. 6 Drunteriühr ahaker Ater. Zul. Schinditer, Mirgatenr F. 1. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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