Zwanglose Blätter, Nr. 72, vom 22. November 1848

301 Eine Weissagung Napoleons. Napoleon sprach einst zu Las=Casas: „Frankreich wird abermals Republik, denn keine Hand wird es wagen, sich eines Szepters zu bemächtigen, der ihr zu schwer ist. Das Haus Orleans, obgleich beliebt, ist zu schwach. Es hat zu viel von den andern Bourbonen, und wird deren Schicksal theilen, wenn es nicht etwa, welche Ver¬ änderungen sich auch zutragen mögen, hinfort dem Bür¬ gerstande anzugehören vorzieht. Noch einmal wird Frankreich Republik sein, Deutsche, Preußen, Polen, Italiener, Dänen, Schweden und Rus¬ sen werden sich mit ihm in einem Kreuzzuge zu Gunsten der Freiheit vereinen. Die Fürsten werden sich beeilen, den Völkern Zuge¬ ständnisse zu machen, sie werden im Besitze einer be¬ schränkten Gewalt sich selbst konstitutionelle Könige nennen. Auf diese Weise wird das Feudalsystem seinen Todesstoß empfangen; gleich dem Nebel auf den Gewässern des Ozeans wird es beim ersten Strahle der Sonne der Frei¬ heit zerstoben sein. Aber hiebei wird es nicht bleiben; das Rad der Re¬ volution wird nicht aufzuhalten sein, sein Ungestüm wird sich verfünffachen, und seine Schnelligkeit in gleichem Ver¬ hältnisse zunehmen. Die Staaten Europa's werden vielleicht während ei¬ niger Jahre in einem beständigen Zustande der Bewegung sich befinden, und dem Boden in dem einem Erdbeben vorhergehenden Momente gleichen; endlich aber macht sich die Lava frei, und mit der Erplosion ist Alles zu Ende. Der Bankerott Englands wird die Lava sein, welche die Welt erschüttern wird. Glauben Sie mir, Las=Casas, ebenso wie die Reben, welche man in die Asche des Vesuvs und des Aetna pflanzt, die köstlichsten Weine erzeugen, ebenso wird der Baum der Freiheit unerschütterlich werden wenn er in jener Lava Wurzel geschlagen hat, die alle Länder überschwemmen wird. Möge er Jahrhunderte hindurch grünen und blühen. Diese Ansichten kommen ihnen in meinem Munde son¬ derbar vor, nichtsdestoweniger sind es die meinigen. Ich war zum Republikaner geboren, aber das Schick¬ sal und die Opposition Europa's haben mich Kaiser werden lassen. Jetzt erwarte ich die Zukunft.*) *) Wir geben diesen Aufsatz als historisches Kuriosum. Die ersten Worte des Kaisers sind bereits eine Wahrheit geworden. Wir theilen den Wunsch des großen Todten, daß der Baum der Freiheit unerschüttert grüne und blühe, aber das ge¬ bietet uns beizufügen, daß er in der milden Lenzluft des Friedens und der humanen Bestrebung gedeihen, und daß kein Blutregen seine Wurzeln tränken möge. Zur Geschichte des Tages. Man schreibt aus Wien: „Die Befestigungsarbeiten unserer Bastionen haben begonnen, sobald sie vollendet sind, wird das in der Stadt lagernde Militär dahin ver¬ legt werden. Es heißt, es werden ungefähr 30,000 Mann hier bleiben.“ Die stattfindenden außerordentlichen Ver¬ stärkungen der Befestigungen Wiens deuten darauf hin, daß die herrschende Militärgewalt, das unverantwortliche Ministerium des konstitutionellen Thrones einen Angriff von Außen erwartet. Woher soll dieser kommen? Sichert sich die gegen Ungarn bestimmte Armee, im Falle daß sie zurückgeworfen würde, ein festes Winterquartier? Oder beabsichtigt das österreichische Kabinet ein so feindseliges Auftreten hinsichtlich der §§. 2 und 3, daß es ihm nöthig erscheint, das deutsche Wien in den Stand zu setzen eine deutsche Belagerung auszuhalten? Nach Berichten des österreichischen Korrespondenten (der Hofzeitung) kommen von Olmütz wiederholte Auffor¬ derungen nach Schönbrunn, der Residenz des Fürsten Win¬ dischgrätz, Gnade — Milde angedeihen zu lassen für Recht. Nichtsdestoweniger lesen wir täglich standrechtliche Urtheile in der Wienerzeitung kundgemacht — der Fürst scheint in der That nach jeder Seite hin unbeschränkte Ge¬ walt zu haben. Die am 12. November vom Finanzministerium kund¬ gemachte Uebersicht weist ein Defizit von 60 Millionen in einer eilfmonatlichen Periode aus. Es entstand außer Einnahmausfällen aus Ungarn und Italien, vorzüglich aus dem vermehrten Aufwande für das Militär. Fürwahr, Oesterreich muß seine kurze Freiheit theuer bezahlen. Es ist uns um eine Menge der zuletzt in Wien er¬ schienenen großen und kleinen, taktlosen Blätter durchaus nicht leid, auf's Lebhafteste beklagen wir hingegen das fort¬ dauernde Verbot der ostdeutschen Post der allgemeinen österreichischen Zeitung und mehrerer anderer Organe, die mit Kenntniß Würde und Gesinnung geschrieben waren. Dagegen erscheinen die Geißel, der Zuschauer u. dgl. mit hoher Genehmigung und schimpfen — es braucht nicht erst gesagt zu werden auf was und auf wen. Kuranda will die ostdeutsche Post nicht wieder erscheinen lassen und sich aus Oesterreich wieder wegbegeben. Nicht Oesterreichs Unglück treibt ihn aus dem Vaterlande, dessen er erst vor Kurzem wieder froh geworden war, sondern der Anblick des schamlosen Kriechens und des Bedientenhochmuthes jener Parthei, die man durch die Märztage für immer überwunden glaubte. Es dürfte sich unter d'esen Umständen bald wiederholen, daß Oesterreichs geistige Kraft sich noch Einmal im Norden Deutschlands konzentrirte, den deutschen

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