300 aus Anhängern jener Parthei besetzt werden müssen, welche am Reichstage die Mehrzahl bildet, so werden die Slaven nicht nur bei Hofe und in den höchsten Staatsämtern den Vorzug haben, sondern unter Begünstigung derselben wer¬ den auch die deutschen Provinzen immer mehr mit slavischen Beamten überschwemmt, die deutschen aber auf die Seite geschoben werden, so daß am Ende sie unsere Herren, wir aber in unserem eigenen Vaterlande ihre Knechte sein werden. Beachtenswerth ist in dieser Hinsicht die öffentliche Aeußerung eines hervorragenden czechischen Deputirten am Wiener Reichstage: „Es hänge jedenfalls von den Slaven ab,“ sprach er, „ob Oesterreich ein deutsches oder ein sla¬ visches Kaiserthum werde.“ Nach meinen obigen Andeu¬ tungen ist dieser Ausspruch keineswegs übertrieben; ja er spricht sogar noch zu wenig aus, insoferne es in der Na¬ tur der Sache liegt, daß die herrschende Parthei, wenn sie zugleich die überwiegende Mehrzahl ausmacht, nach und nach die Minderzahl nothwendig ganz in den Hinter¬ grund drängen und absorbiren muß. Ein in die Augen fallendes Beispiel davon gibt uns Großbritannien, wo die Irländer, ungeachtet ihre Zahl 7 Millionen beträgt, so wenig Geltung haben, daß man sie fast ganz übersieht, und das Reich nur schlechtweg das Königreich „England,“ seine Angehörigen aber, ohne Rück¬ sicht ihrer Nationalität „Engländer“ nennt. — Wie klassisch würde es klingen, wenn man unsere Monarchie einst das Kaiserthum „Czechien“ oder „Slavien“ nennen würde?!? Freilich sind nicht alle Slaven so aufrichtig wie der oben angeführte Deputirte; sie wollen uns nicht einschüch¬ tern, so lange die Frage wegen dem Anschlusse an Deutsch¬ land noch in der Schwebe ist; sie wollen vielmehr häufig unsere Besorgnisse für ganz grundlos, ja sogar lächerlick erklären, indem sie uns hoch und theuer versichern, daß nicht sie uns, sondern vielmehr wir ihnen gefährlich seien. Sie machen uns die schmeichelhaftesten Komplimente über unsere hervorragende Bildung, über unsere geistig Ueberlegenheit; sie wollen uns sogar glauben machen, daß deutsche Wissenschaft und deutscher Geist die Kraft habe, nicht bloß ihrer Zahl= und Machtüberlegenheit erfolgreichen Widerstand zu leisten, sondern sie nach und nach so zu durchdringen, daß sie am Ende aus Slaven zu Deutschen werden. Aber wenn wir solche Reden hören, so mögen wir an das Sprichwort denken: Fistula dulce canit, volucrem cum decipit auceps, Zu deutsch: Mit Speck fängt man Mäuse. Bei solchen Reden ist der Verdacht wohl nicht unge¬ gründet, daß sie damit nur unsere Vorsicht einschläfern wollen, für sich aber eine ganz andere Ueberzeugung haben. Und wenn die Herren Slaven auch so gerecht sein sollten deutscher Bildung und Wissenschaft den Vorzug einzuräu¬ men, so ist demselben doch so gut wie uns aus der Ge¬ schichte bekannt, daß im Kampfe der Nationalitäten, Gei¬ stesbildung und Wissenschaft von jeher unzureichende Waffen waren gegen die Ueberlegenheit an äußerer Macht und an Zahl. So wurde Griechenland trotz seiner h. Bildung von den halbwilden Macedoniern unterjocht und später auf seinen Trümmern das oströmische Reich errichtet, welches wiederum zwar einige Jahrhunderte in Kunst und Wissen¬ schaft blühte, aber dadurch die endliche Eroberung durch die Türken nicht abwenden konnte. So erwies sich auch im weströmischen Reiche Wissenschaft und Bildung als ein unzureichender Schutz gegen das Eindringen der nördlichen Barbaren, die zwar nach und nach römische Bildung in sich aufnahmen, aber dessenungeachtet die römische Natio¬ nalität vernichteten. Vor einem ähnlichen Schicksale kann uns nur die Ausführung des Eingangs erwähnten Frankfurter=Parla¬ ments=Beschlusses retten, vermög welchem nun die deutsch¬ österreichischen Provinzen mit den nichtdeutschen nur durch den gemeinschaftlichen Regenten in Verbindung bleiben, sonst aber ihre Angelegenheiten unbeirrt von denselben ein¬ richten sollen. Demgemäß werden auch die deutsch=öster¬ reichischen Deputirten am Wiener=Reichstage unsere Ver¬ fassung mit Ausschluß der Deputirten aus den rein¬ lavischen Provinzen, Galizien und Dalmatien zu berathen und zu beschließen haben. Durch den Austritt dieser nicht¬ deutschen Abgeordneten wird der Einfluß des Slavismus, der bisher wie ein Alp auf unsere Abgeordneten drückte, gebrochen und sie werden in die Lage gesetzt, unsere Ver¬ fassung mehr in deutschem Sinne einzurichten, dabei auf unsere deutschen Sympathieen, Interessen und Sitten ge¬ bührende Rücksicht zu nehmen, sowie überhaupt uns von den Uebergriffen fremder Nationalitäten zu schützen. Da¬ durch allein kann der Anschluß an Deutschland in commer¬ zieller und politischer Beziehung eine Wahrheit werden. Zoll= und Mautschranken können wegfallen, eine gleich¬ förmige Wehrverfassung hergestellt, und in der Gesetzge¬ bung und Verwaltung mehr Einheit angebahnt werden. Wenn ferner der Beschluß über das Personal=Unionsver¬ hältniß folgerichtig durchgeführt wird, dürfen in den deutsch¬ österreichischen Provinzen nur solche Beamte angestellt wer¬ den, welche in diesen geboren oder eingebürgert sind; so wie auch unsere Landeskinder beim Militär nicht mehr in nichtdeutsche Provinzen verlegt werden sollen; eine Konse¬ quenz, gegen welche unsere Rekrutirungspflichtigen und ihre Angehörigen gewiß nichts einzuwenden haben werden. Es fehlt freilich nicht an Einwendungen, welche gegen die Ausführung des ofterwähnten Beschlusses vorgebracht und wodurch die Ansichten der minder scharfsichtigen irre geführt werden. Wir wollen diese Einwendungen näher untersuchen, und ihren Werth genauer abwägen. Man wendet sich zuerst an unsern österreichischen Pa¬ triotismus, der darüber empört sein müsse, „wenn der österreichische Gesammtstaat getheilt werde“ „wenn das Band zwischen dessen Völkern gelöst und jede Gemeinschaft einzig auf die Person des Regenten eingeschränkt werde,“ „der österreichische Gesammtstaat würde aus der Geschichte verschwinden, „Deutschlands Zukunft beruhe auf Oester¬ reich,“ „Oesterreich, das alte Bollwerk Deutschlands gegen Osten, das deutschen Geist an die fernen Ufer der Donau trug, werde auch deutsche Freiheit nach jenen Gegenden (Schluß folgt.) bringen,"*) u. s. w. *) Sieh die Erklärung der 35 österreichischen Abgeordneten in Frankfurt, welche gegen §. 2 und 3 der Reichsverfassung gestimmt haben.
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