Zwanglose Blätter, Nr. 71, vom 18. November 1848

293 Eswill! Und es ist eine nicht schwer zu entscheidende Frage, wer von Beiden seinen Willen für die Dauer kräftiger durch¬ setzen könnte. Der Wiener Zuschauer leistet durch Stellen wie die besprochene der Parthei selbst, der er dient, einen schlechten Dienst. Denn das Volk könnte glauben, er spräche so im Auftrage und im Sinne jener Parthei und wenn jene Parthei wirklich derlei im Sinne trüge man bedenke das Unheil, das daraus entspringen müßte! Weiter unten sagt der Wiener Zuschauer: Kein Kaiser oder König, so viele deren die Geschichte nennt, hat seinen Völkern je so viel Gutes gegeben. Im Besitze Seiner vollen Macht bekräftigt Er wieder¬ holt Sein kaiserliches Wort! Es schiene somit dem Herrn Zuschauer ganz in der Ordnung, wenn der Kaiser, weil er im Besitze seiner vollen Macht ist, sein gegebenes Wort bräche. Und es ist etwas ganz besonders Gutes, wenn kein König oder Kaiser, den die Geschichte nennt, je seinen Völkern gegeben hat — daß der Kaiser sein Wort zu halten verspricht! Ich kenne nur eine Moral für Kaiser und Zuschauer, für Könige und Kärrner, seien sie im Besitze ihrer vollen oder ihrer gebrochenen Macht, und die lautet: Wer sein Wort nicht hält, der ist kein ehrlicher Mann! Welches Urtheil aber wird ein Ehrenmann über den Charakter des Herrn Ebersbergs, des Redakteurs des Wiener Zuschauers, fällen, der in demselben Blatte den Gewalthabern in Wien zuruft: „Die Volksaufwiegler, Ihr Richter, sind in Eurer Gewalt*) sie — die Plünderung und Meuchelmord gelehrt und geübt. Menschlichkeit paart mit Gerechtigkeit, schont den Verführten aber straft die Verführer, denn Wolf bleibt Wolf und Verräther lernen nie Treue üben. — Nachsicht gegen Wenige in aufgereg¬ ter Zeit ist Grausamkeit gegen Tausende!!!“ *) Auch hier find die persönlichen Fürwörter, die sich auf die Gewalthaber be¬ ziehen, mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben — und der Aufsatz, aus dem obige Stelle entnommen ist, ist keine Adresse oder dgl., sondern lediglich — eine Fabel! Ist das nicht radikal gekrochen! Aler. Jul. Schindler. Was dürfen wir hoffen? (Eingesendet.) „Es giebt in der Geschichte des Menschengeschlechtes Epochen, in denen verdorrte Aeste vom Baume der Mensch¬ heit fallen, und gealterte und erschöpfte Institutionen in sich selbst zusammenbrechen, um einem frischen Safte und Institutionen Platz zu machen, durch welche die Völker erneuert werden, indem sie die Ideen verjüngen.“ Diese schönen Worte Lamartine's passen nicht nur auf die französische Revolution, sie passen auch für unsere Verhältnisse, sie sind wie für unsere Geschichte geschrieben. Der verdorrte Ast des alten Systemes bricht ab vom Baume, die gealterte und erschöpfte Form bricht in sich selbst zusammen, frischen Saft treibt der Frühling in den Stamm, und aus ihm sprießt ein neues grünes Laub¬ dach — unsere Zukunft hervor. Bauen wir daher emsig fort; vertrauen wir auf unsere wackeren Baumeister die Bevollmächtigten unserer Rechte, Gesinnungen und Wünsche! Bald werden wir den Frühling unserer Freiheit, wir werden bald den Sommer und Herbst unserer Errungen¬ schaften, mit einem Worte, wir werden eine von Gott gesegnete freudenreiche Zukunft bekom¬ men; wir werden sie bekommen, trotz des Wahnsinnes Derjenigen, die Völkerleiden mit Pulver und Blei zu lin¬ dern wähnen; trotz des Durstes der Despoten nach Bür¬ gerblut. Wir dürfen dieses zuversichtlich hoffen und er¬ warten. Revolution ist mit Krankheit zu vergleichen, und wehe dem Thoren, der selbe durch Gewaltmittel zu heilen ver¬ meint. Die Revolution kann durch Militärgewalt aller¬ dings so weit unterdrückt werden, daß sie für eine Zeitlang äußerlich verschwindet, allein dieses ist nur ein äußeres peripherisches Mittel; je äußerer, peripherischer die Hei¬ lung, desto kraftloser, unnachhaltiger ist sie. Einfach, sanft, dauerhaft und sicher kann man Revolution nur heilen, wenn man ihr den Grund hiezu benimmt, gesunde Be¬ griffe von dem Verhältnisse der Beherrschten und Herr¬ schenden verbreitet, und durch Thaten beweist, daß diese Begriffe Fleisch und Blut gewonnen haben. Wir dürfen hoffen, des Landesvaters verblendete Um gebung werde endlich zur Ueberzeugung kommen, daß all das Unglück nicht von Unten kam, sondern daß man Oben es nicht verstand, das biederste Erdenvolk dauernd zu be¬ glücken. Wir dürfen hoffen, des Volkes Glück und Rechte bald gewahrt zu sehen. S. A. Zur Geschichte des Tages. Innsbruck, 6. November. In der letzten Sitzung des Provinziallandtages entwickelte der Vicepräsident Dr. Schuler als Organ des Ausschusses für allgemeine Landes¬ angelegenheiten in einer geistvollen Rede den Antrag, dem Ministerium eine Denkschrift zu übermitteln des Inhalts: Es möge der gegenwärtige Reichstag, da sich von ihm eine entsprechende Lösung der großen Aufgabe, dem ge¬ sammten Oesterreich eine Verfassung zu schenken, nicht er¬ warten lasse, nicht mehr berufen,*) sondern vorerst eine Anzahl Deputirte aller Provinzialstände an das Hoflager Sr. Majestät einberufen werden, um darüber zu berathen, ob es nicht im Interesse der österreichischen Monarchie und *) Die Korneuburger werden aufgefordert, dem Herrn Dr. Schuler eine Dank¬ adresse zu überreichen. Wir bezweifeln sehr, ob der Stockpatriotismus des Dr. Schuler, der kaiserlicher ist als der Kaiser, dem Staate nützen wird. Diese Herren, die immer von Ruhe und Ordnung reden, machen dabei Rerolution in der Re¬ volution. Die Red.

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