Zwanglose Blätter, Nr. 70, vom 15. November 1848

294 Presse, gegen welche man jetzt zu Felde zieht, und für diese Freiheit müssen alle Nationalitäten einstehen. Innsb. 3. Mittelst standrechtlichen Urtheils vom 8. d. M. ist Robert Blum, Buchhändler aus Leipzig, überwiesen durch sein eigenes Geständniß, wegen aufrührerischen Reden und bewaffnetem Widerstande gegen die kaiserlichen Truppen in Folge der von Sr. Durchlaucht dem k. k. Herrn F.=M. Fürsten zu Windischgrätz unterm 20. und 23. Oktober er¬ lassenen Proklamationen zum Tode verurtheilt, und das Urtheil am 9. November 1848 Morgens um halb 8 Uhr in der Brigittenau mit Pulver und Blei vollzogen worden.*) Daß der Fürst Windischgrätz bei der Einnahme Wiens seiner und mancher seiner Untergebenen Erbitterung keine völligen Zügel anlegen konnte, glauben wir gern, allein wir meinen auch, daß das Leben so vieler Tausenden, das nachhaltige Schicksal einer so blühenden herrlichen Stadt mehr Ueberlegung geheischt hätte und die Geschichte, ja vielleicht die Mitwelt schon, richtet strenge. Mit um so größerem Stolz und Freude erfüllt es uns, daß die braven Offiziere und Soldaten der deutschen und böhmischen Regimenter an ihre durch keinen Regimentsbefehl verwisch¬ bare Verwandtschaft mit den Besiegten gedachten und Scho¬ nung und Milde walten ließen, wo ihre traurige Pflicht es erlaubte. — Ein Akt des Drama's ist somit wieder ge¬ schlossen und das Programm zu einem neuen — die Pro¬ klamation des Feldmarschalls liegt vor uns. Schon in Nr. 2 treffen wir auf eine ungesetzliche Bestimmung, denn die Nationalgarde und ihre Reorganisirung geht den Mi¬ litärkommandanten nichts an, weil sie der Civilbehörde und dem verantwortlichen Ministerium des Innern unter¬ steht, und die im Manifeste vom 16. Oktober von Wes¬ senberg unterzeichnete Vollmacht nicht so weit reichen kann, da schon ihre bisherige Tragweite nach konstitu¬ tionellen Grundsätzen dem Minister den Anklagestand im Reichstage zuziehen kann. Der dritte Absatz enthält die schmählichste Maßregel, in die man eine besiegte Stadt zu unterwerfen vermag, ihre Ausführung muß für eine un¬ berechenbare lange Zeit das böseste Blut machen, und die Beisetzung, daß die eigenen Waffen zurückgegeben wer¬ den, scheint uns überflüssig, weil es sonst eine gewaltsame Verletzung des Eigenthums wäre. Die Beschränkung des Associationsrechtes und der Presse war momentan noth¬ wendig, wir hoffen jedoch, daß ein etwa neu zu entwer¬ fendes Preßgesetz weder die Sanktionirung des Windisch¬ *) Blum war Mitglied des deutschen Parlamentes für Leipzig!! Wußte das die Militärbehörde nicht? Wir können nicht verschweigen, daß wir diese Hinrichtung unter die unheilvollsten Ereignisse des Jahres zählen! Die Red. grätz noch eines andern Militärkommandanten brauchen wird. Das nun folgende a) b) c) lassen wir aus, und wünschen nur, daß es in der Freiheits=Grammaire unserer Nachkommen ganz unmöglich werde. — Die gemischte Cen¬ tralkommission, welche den geregelten konstitutionellen Rechts¬ zustand herbeiführen soll, würde unter einem Civilpräsi¬ denten wohl mehr Vertrauen erwecken, und die Wahl von Volks=, nicht blos k. k. Räthen würde dem Fürsten wirklich Ehre machen. Der Sieg roher Gewalt über rohe Gewalt in einem freien Staate kann immer nur dann ge¬ billigt werden, wenn auf der einen Seite der anarchische Pöbel, auf der andern der gesetzschützende Bürger im Kampfe steht, und das Wort Städtebezwinger bleibt für einen Namen immer eine traurige Annale, wenn kein milderes Prädikat dessen blutigen Glanz dämpft! Neue Zeit. Posen, 2. November. Mehrere aus Kalisch hier eingegangene Briefe bestätigen die Nachricht, daß die rus¬ sischen Truppen im Königreiche Polen jetzt großentheils in Eilmärschen an die galizische Grenze rücken. Nach der Wienerzeitung haben die Generäle Dahlen und Nugent nach erhaltener freudigen Nachricht vom Siege über Wien große Kirchenparaden abhalten lassen, um dem Gott der Heerschaaren den schuldigen Dank für — ich mag es nicht weiter herschreiben. Utopia. Viktoria! Wir haben eine Verfassung. Gestern wurde sie durch das offizielle Organ bekannt ge¬ macht. Ihr Hauptinhalt ist folgender: 1) Die Stände, welche sich in der Hauptstadt versammeln, wenn sie ein¬ berufen werden, haben das Recht, die Steuern bewilligen zu müssen. 2) Jedem Staatsbürger ist es gestattet, seine Meinung frei und unumwunden zu unterdrücken. 3) Die Presse ist vollkommen frei, nur findet bei solchen litera¬ rischen Produkten, in denen von Politik im Allgemeinen oder von der vaterländischen im Besonderen die Rede ist, die Censur statt. 4) Die Verwaltung bleibt für immer von der Gerechtigkeit getrennt. 5) Die Todesstrafe bleibt für immer abgeschafft, doch können Hochverräther und Majestätsverbrecher ausnahmsweise gehängt werden. 6) Die Minister sind verantwortlich, doch nur dem Fürsten gegenüber. Durch diesen Schritt zur ständischen Entwickelung ist unser Staat in eine neue Phase getreten. Die sämmtliche Bürgerschaft ist illuminirt. Const. Bote. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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