293 jestät sich nicht in der Lage fühlen, über unsere Bitte jetzt schon einen bestimmten Ausspruch zu thun. Eine solche Erklärung würde die Besorgnisse unserer Kommittenten nicht beheben, sondern vermehren. Es kann nicht der Wille Eurer Majestät sein, die Deputirten der treuen böhmischen Nation in einer das Gesammtwohl der Monarchie berührenden Angelegenheit ohne eine be¬ ruhigende Antwort zu entlassen. Wenn gleich der gegenwärtige Zustand Wiens unge¬ wiß ist, so glauben wir doch, daß dieses Euere k. k. Ma¬ jestät nicht hindere, über unsere Petition mit Beziehung auf die möglichen Fälle eine bestimmte Erledigung zu geben. Wir bitten demnach: Euere k. k. Majestät geruhen zu verfügen, daß a) falls die Unterwerfung Wiens noch nicht erfolgt ist, ohne Verzug Männer des allseitigen Ver¬ trauens der Militärautorität als Friedensvermittler an die Seite gestellt werden, von deren Einverständniß die An¬ wendung weiterer militärischer Zwangsmaßregeln abhängen soll — und b) daß im Falle der militärischen Besetzung Wiens mit Vermeidung jedes ausnahmsweisen Zustandes die Civilautoritäten ungesäumt wieder in die volle gesetz¬ liche Wirksamkeit treten. Geruhen Euere k. k. Majestät uns zur Beruhigung des Vaterlandes hierüber die bestimmte Zusicherung zu er¬ theilen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.) Zugleich wurde beschlossen, sich in einer Audienz bei Ihrer Majestät der Kaiserin und bei Sr. k. k. Hoheit dem Erzherzoge Franz Karl um Unterstützung dieser Adresse zu verwenden. Die Adresse wurde am 1. November l. J. dem Herrn Ministerpräsidenten mit dem Ersuchen überreicht, wo mög¬ lich ohne eine abermalige Audienz eine schriftliche bestimmte Antwort Sr. Majestät erwirken zu wollen. Um 12½ Uhr Mittags begab sich ein aus der De¬ putation gewählter Ausschuß zur Audienz bei Ihrer Ma¬ jestät der Kaiserin, wurde sogleich vorgelassen und begrün¬ dete vorzugsweise vom Standpunkte der Humanität die Bitte um Unterstützung der an Se. Majestät den Kaiser gerichteten Adresse und um Erwirkung einer bestimmten Antwort. Ihre Majestät nahm diese Bitte auf das Wohlwol¬ lendste auf und beantwortete dieselbe mit folgenden Worten: „Ich erkläre Ihnen, daß Ich ganz an Meinen Ge¬ mahl, den Kaiser, halte, mit dem Ich vollkommen gleich denke! — Mit Freude werde Ich für die Stadt fürsprechen, sobald Mir die Bewohner durch ihr eigenes Benehmen dazu die Möglichkeit bieten und zeigen, daß es ihnen Ernst mit der Befolgung der gesetzlichen Ordnung sei.“ Nach dieser Antwort setzte Ihre Majestät das Gespräch mit den Abgesandten fort und entließ dieselben auf das Freundlichste. Eines gleichen Empfanges erfreute sich die Deputation von Sr. k. k. Hoheit bei der am selben Tage stattgehabten Audienz und erhielt beruhigende Zusicherungen. Statt einer schriftlichen Antwort Sr. Majestät erhielt aber die Deputation von dem Herrn Ministerpräsidenten die Erklärung, Se. Majestät könne sich zu einer schrift¬ lichen Antwort nicht entschließen, man möge übrigens den mündlichen Zusicherungen Ihrer Majestät und Sr. k. k. Hoheit vertrauen, denn es werde sich das, was die De¬ putation gebeten, in Wien durch die That bewähren. Die Deputation wählte sogleich aus ihrer Mitte einen Ausschuß, welcher die Aeußerung von dem Herrn Minister¬ präsidenten offiziell entgegen nehmen sollte. In Ueberein¬ stimmung mit der früheren Aeußerung erklärte der Herr Ministerpräsident dem Ausschusse, er habe dießfalls wieder¬ holt Anträge vorgelegt, Se. Majestät könne sich aber zu einer schriftlichen Antwort nicht entschließen, man möge den mündlichen Zusicherungen Ihrer Majestät und Sr. k. k. Hoheit vertrauen, das, was die Deputation gebeten, werde sich in Wien durch die That bewähren, die Civil¬ autoritäten werden ohne Verzug in ihre volle Wirksamkeit treten, er als Minister werde selbst darauf hinwirken. Schließlich erklärte der Herr Ministerpräsident, daß diese Antwort von der Deputation ihren Kommittenten zur Beruhigung mitgetheilt werden könne. Die Deputation erachtete den erhaltenen Zusicherungen mit Rücksicht auf die unverkennbar schwierige Stellung der Regierung das Vertrauen nicht versagen zu dürfen, weil dieses bei der bereits eingetretenen Unter¬ werfung Wiens durch die zur Anwendung kommenden Regierungsmaßregeln in der kür¬ zesten Fristwirdgerechtfertigt werden müssen. Sie hielt demnach ihre Mission für beendigt und trat noch an demselben Tage die Rückreise an. Prag, den 4. November 1848. In Prag hat die allgemeine Stimmung binnen kurzer Zeit eine merkwürdige Veränderung erlitten. Anfangs ließ sich das für seine Nationalität glühend begeisterte Czechen¬ volk durch die Aussicht auf die Gründung eines slavischen Oesterreichs, weil das deutsche unmöglich geworden für die Regierung und gegen Wien stimmen; seit aber die Be¬ dingungen kund geworden, welche der Fürst Windischgrätz der Stadt Wien gestellt, macht sich die Ansicht geltend, der Streich, der Wien niederschmetterte sei gegen die Freiheit Oesterreichs geführt und werde die slavische De¬ mokratie eben so gut treffen, als die deutsche. Ein Schrei des Unwillens gab sich allgemein kund, als man vernahm, die Wiener Presse sei nicht auf eine unbestimmte Zeit be¬ schränkt, wie dieß in Prag und Paris der Fall war, son¬ dern gänzlich vernichtet, und daß nicht die Auslieferung bestimmter Verbrecher gefordert werde, sondern diese Be¬ dingung ohne Zahl und ohne Namen gestellt sei, also Jedermann, auch Reichstagsdeputirte, treffen könne. Das konstitutionelle Blatt a. B. führt uns eine sehr trübe Zu¬ kunft vor's Auge, weist auf das harmlose Olmütz hin, dessen Zustand einem Belagerungszustande gleicht, und zieht den Schluß, wenn auch die Bewegung in Wien eine anti¬ lavische gewesen sei, so könne die slavische Freiheit dadurch nichts gewinnen, daß jetzt die ganze Freiheit niedergedon¬ nert und die Verfassung verletzt wird, — es ist die freie
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