Zwanglose Blätter, Nr. 70, vom 15. November 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 15. November 1848. 70. Te facta loquuntur! Pfroverbium. Oesterreichische Zustände. Dargestellt durch Aktenstücke und Zeitungs=Auszüge. Die Kritik folgt später. Auszug aus dem Bericht der an das k. k. Hof¬ lager zu Olmütz abgesendeten Prager De¬ putation. Prag. Am 30. Oktober l. J. kam die Deputation nach Olmütz. Sie machte sogleich mehrere vorbereitende Schritte zur Erwirkung einer Audienz bei Seiner k. k. Ma¬ jestät. Diese wurde ihr vom Generaladjutanten Herrn Fürsten Joseph Lobkowitz auf den 31. Oktober 9¾ Uhr Vormittags, bestimmt. Noch am selben Tage begab sich die gesammte Deputation zu dem Herrn Minister=Präsi¬ denten Wessenberg, um ihm Zweck und Absicht der Sen¬ dung mitzutheilen. Am Abende desselben Tages wurde mittelst telegraphi¬ scher Depesche in Olmütz bekannt, daß Wien kapitulirt habe, und die Deputation sah wegen dieses wichtigen Um¬ standes sich veranlaßt, bei der geänderten Sachlage sogleich zu einer Berathung zusammen zu treten, deren Ergebniß der Beschluß war, eine Nachtragsadresse an Se. k. k. Ma¬ jestät zu verfassen. Zur bestimmten Stunde begab sich die gesammte De¬ putation in den erzbischöflichen Palast, um zur Audienz bei Sr. k. k. Majestät zu gelangen. Der wachhabende Offizier fragte die Deputation um ihr Begehren, erklärte von der anberaumten Audienz nichts zu wissen, und erst dem Fürsten Lobkowitz die Meldung machen zu müssen, ließ die gesammte Deputation in der Durchfahrt stehen, welche nach einigen Minuten die unter¬ sten Stufen der Treppe betrat, von dem rückkehrenden Offizier aber mit dem zurückgehalten wurde, daß nur der Bürgermeister sich zum Fürsten Lobkowitz hinauf verfügen möge. Nach längerem Harren beschwerte sich die Deputation bei demselben Offiziere darüber, daß man sie auf der Treppe warten lasse; der Offizier entschuldigte sich mit seinem Auftrage und gab die Antwort, daß man sich dießfalls beim Fürsten beschweren möge. Endlich kam der Bürgermeister vom Herrn Fürsten Lobkowitz mit der Nachricht zurück, daß die Audienz erst später stattfinden könne, und daß uns Fürst Lobkowitz so¬ gleich die neuerliche Audienzstunde bekannt geben werde. Nach Zurückkunft des Bürgermeisters gestattete der Offizier endlich der Deputation die Treppe hinaufzusteigen, und nachdem selbe abermals einige Minuten im Korridor vor der Wache warten mußte, kam Herr Fürst Lobkowitz aus den kaiserlichen Gemächern und rief, hinter den Wachen stehen bleibend, bloß die neue Stunde der Audienz hinaus. Die Art und Weise dieses Empfanges veranlaßte die Deputation, sogleich den nachstehenden Protest zu verfassen und dem Herrn Ministerpräsidenten zu überreichen. Herr Minister! Ein Gefühl der gerechtesten Entrüstung durchdringt alle Glieder der Prager Deputation. Sie war berufen gewesen, um 10 Uhr vor Sr. Majestät zu erscheinen; das wußte die Umgebung Sr. Majestät, das wußte insbeson¬ dere der Herr Generaladjutant Fürst Joseph Lobkowitz. Angelangt in der Residenz wurde die Deputation auf der Treppe von einem Offizier angehalten, der angab, von der Audienz nichts zu wissen. Der Bürgermeister allein wurde vor den Fürsten gelassen; dieser wußte also, daß die Deputation der ihr zugesicherten Audienz harre. Gleichwohl nahm man nicht Anstand, die Deputation von Prag, die Deputation der böhmischen Nation auf der Treppe, endlich in der Treppenhalle beinahe eine halbe Stunde stehen zu lassen, und Herr Fürst Lobkowitz er¬ dreistete sich, der in dieser Treppenhalle harrenden De¬ putation vom Korridor hinaus die neue Stunde der An¬ dienz auf 12½ Uhr anzusagen. Wir Abgeordneten der böhmischen Nation erklären dieses Benehmen des Fürsten Lobkowitz für unwürdig, ihn selbst für verantwortlich und protestiren hiermit feierlichst gegen diese Art, die Deputation einer Nation zu empfangen und zu bescheiden. Wir verwahren es uns, diese Unwür¬

292 digkeit Sr. Majestät selbst zur Kenntniß zu bringen und auf Genugthuung zu dringen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. U. D. J. Wanka, Bürgermeister. Die Deputirten des Stadtverordneten=Kollegiums: J. U. D. E. Eiselt, Ferles, F. Jaros, J. U. D. Rozkosny, V. Rott, K. Suchy. Die Deputirten des Verwaltungsrathes der Nationalgarde: Bernt, J. U. D. Kliebert, Popler, Teiß, Uhlir. Die Deputirten der akademischen Legion: L. Aull, J. Jaros, Palliardi, Ruß, W. Väter. Die Deputirten der Slovanská lipa: J. U. D. Chrudimsky, J. U. C. Gauc, J. U. C. Fr. Hawljcek, W. Seidl, J. U. D. Swestka, Wysek. Die Deputirten des deutschen Vereins: Cristl, Güttling, J. U. D. Fr. Klier, Seutter, Zintl. Der Herr Ministerialrath Pipitz übernahm den von einigen Deputationsmitgliedern überreichten Protest, über¬ gab ihn dem Herrn Ministerpräsidenten, und brachte die Antwort: „Es sei wohl nur ein Mißverständniß, und Aehnliches werde nicht mehr vorfallen.“ Hierauf begab sich um 12½ Uhr die gesammte De¬ putation in die Residenz, wurde nunmehr mit gebührender Achtung empfangen und sogleich bei Sr= k. k. Majestät vorgelassen. Ihre k. k. Majestät die Kaiserin geruhte dieser Audienz beizuwohnen, und der Bürgermeister überreichte nach einer passenden Einbegleitungsrede zwei Adressen, wovon die erste eine dringende Vorstellung um die Pacifikation Wiens mit unwiderleglichen Hinweisungen auf den Widerspruch der ergriffenen militärischen Maßregeln mit den frühern Versprechungen des Kaisers war. Die zweite lautete: Euere k. k. Majestät! Seit der Abfassung unserer ersten Adresse ist das Schicksal Wiens entschieden worden, nichts destoweniger beharren wir bei unserer dort allgemein gestellten Bitte, die wir gegenwärtig dahin näher aussprechen, daß nur durch Civilautoritäten der gesetzliche Zustand der Dinge in Wien wieder in's Leben trete und den Militärautori¬ äten nur die militärischen Maßregeln sowie die Unter¬ stützung der Civilbehörden zugewiesen werde. „ Prags Einwohner haben gefühlt, was es heiße, wenn die Militär= mit der Civilautorität in einer Person ver¬ einigt ist, sie kennen aus Erfahrung die Schrecken und traurigen Folgen eines Belagerungszustandes für die Stadt und das ganze Land, sie kennen die Prozedur einer kriegs¬ rechtlichen Kommission, das hiemit verbundene Denunzian¬ tenwesen und die damit verknüpfte Beeinträchtigung der von E. k. k. Majestät allergnädigst garantirten konstitu¬ tionellen Freiheiten. Cinen solchen ausnahmsweisen Zu¬ stand über die Schwesterstadt Wien hereinbrechen zu lassen, wäre ein zu hartes Schicksal für die Hunderttausende der loyalen Einwohner derselben. Müssen wir schon aus menschlichem Mitgefühl für Wien gegen einen solchen ausnahmsweisen Zustand pro¬ testiren, so müssen wir dieß um so mehr nachdem an Wien in so vielen Rücksichten die anderen Länder Oester¬ reichs geknüpft sind, und eine Verletzung der konstitutio¬ nellen Rechte von der schädlichsten Rückwirkung für den Gesammtstaat wäre. Ueberzeugt, daß so wie ganz Böhmen auch andere Länder Oesterreichs gleiches Mitgefühl für Wien hegen und dieselbe Besorgniß theilen: erlauben wir uns in Ehrfurcht Eurer k. k. Majestät angebotene Güte darauf hinzuleiten, daß mit der Kapitulation Wiens der Zweck der außerordentlichen militärischen Zwangsmaßregeln erreicht sei und die Fortdauer des ausnahmsweisen Zu¬ standes gerade nur Schuldlose treffen würde. Euere k. k. Majestät haben zur Zeit, wo die Anwen¬ dung von Strenge weit nothwendiger schien, Milde für Wien zugesichert; die böhmischen Deputirten waren kürzlich erst so glücklich, diese Zusicherung für die Schwesterstadt aus dem Munde Eurer k. k. Majestät zu erhalten, und jetzt wo es Eurer Majestät nach der Lage der Dinge möglich ist, unbeschränkt dem Zuge Ihres edeln Herzens zu folgen, beharren wir um so fester bei unserer Bitte, deren Erfüllung ganz Böhmen mit Zuversicht erwartet. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.) Se. Majestät beantworteten diese Adressen mit folgenden Worten: „Der zur Leitung der militärischen Maßregeln gegen Wien beauftragte Kommandirende hat nichts versäumt (?) um die Anwendung trauriger Zwangsmittel zu vermei¬ den. (?) Erst nach wiederholtem Zögern wurde zu dem Aeußersten geschritten und Ich hoffe, daß der ausnahms¬ weise Zustand, in welchen Wien getreten, vorübergehen und die Besorgnisse, welche von der Prager Bevölkerung ausgehen, bald völlig beseitigt werden.“ „Ich fühle Mich nicht in der Lage, jetzt schon darüber einen bestimmten Ausspruch zu thun,“ und entließ die De¬ putation. Letztere schritt sogleich zur neuen Berathung, erachtete die Antwort Sr. Majestät zur Beruhigung ihrer Komit¬ tenten für unzureichend und beschloß zur Erlangung einer bestimmteren Antwort die nöthigen Schritte zu thun. Zunächst wurde nachstehende Adresse an Se. k. k. Majestät entworfen: Euere k. k. Majestät! Die Sendung, mit welcher wir heute vor Eurer k. k. Majestät erschienen, war eine außerordentlich wichtige. Mit Betrübniß vernehmen wir die Erklärung, daß Euere Ma¬

293 jestät sich nicht in der Lage fühlen, über unsere Bitte jetzt schon einen bestimmten Ausspruch zu thun. Eine solche Erklärung würde die Besorgnisse unserer Kommittenten nicht beheben, sondern vermehren. Es kann nicht der Wille Eurer Majestät sein, die Deputirten der treuen böhmischen Nation in einer das Gesammtwohl der Monarchie berührenden Angelegenheit ohne eine be¬ ruhigende Antwort zu entlassen. Wenn gleich der gegenwärtige Zustand Wiens unge¬ wiß ist, so glauben wir doch, daß dieses Euere k. k. Ma¬ jestät nicht hindere, über unsere Petition mit Beziehung auf die möglichen Fälle eine bestimmte Erledigung zu geben. Wir bitten demnach: Euere k. k. Majestät geruhen zu verfügen, daß a) falls die Unterwerfung Wiens noch nicht erfolgt ist, ohne Verzug Männer des allseitigen Ver¬ trauens der Militärautorität als Friedensvermittler an die Seite gestellt werden, von deren Einverständniß die An¬ wendung weiterer militärischer Zwangsmaßregeln abhängen soll — und b) daß im Falle der militärischen Besetzung Wiens mit Vermeidung jedes ausnahmsweisen Zustandes die Civilautoritäten ungesäumt wieder in die volle gesetz¬ liche Wirksamkeit treten. Geruhen Euere k. k. Majestät uns zur Beruhigung des Vaterlandes hierüber die bestimmte Zusicherung zu er¬ theilen. Olmütz, den 31. Oktober 1848. (Folgen die Unterschriften.) Zugleich wurde beschlossen, sich in einer Audienz bei Ihrer Majestät der Kaiserin und bei Sr. k. k. Hoheit dem Erzherzoge Franz Karl um Unterstützung dieser Adresse zu verwenden. Die Adresse wurde am 1. November l. J. dem Herrn Ministerpräsidenten mit dem Ersuchen überreicht, wo mög¬ lich ohne eine abermalige Audienz eine schriftliche bestimmte Antwort Sr. Majestät erwirken zu wollen. Um 12½ Uhr Mittags begab sich ein aus der De¬ putation gewählter Ausschuß zur Audienz bei Ihrer Ma¬ jestät der Kaiserin, wurde sogleich vorgelassen und begrün¬ dete vorzugsweise vom Standpunkte der Humanität die Bitte um Unterstützung der an Se. Majestät den Kaiser gerichteten Adresse und um Erwirkung einer bestimmten Antwort. Ihre Majestät nahm diese Bitte auf das Wohlwol¬ lendste auf und beantwortete dieselbe mit folgenden Worten: „Ich erkläre Ihnen, daß Ich ganz an Meinen Ge¬ mahl, den Kaiser, halte, mit dem Ich vollkommen gleich denke! — Mit Freude werde Ich für die Stadt fürsprechen, sobald Mir die Bewohner durch ihr eigenes Benehmen dazu die Möglichkeit bieten und zeigen, daß es ihnen Ernst mit der Befolgung der gesetzlichen Ordnung sei.“ Nach dieser Antwort setzte Ihre Majestät das Gespräch mit den Abgesandten fort und entließ dieselben auf das Freundlichste. Eines gleichen Empfanges erfreute sich die Deputation von Sr. k. k. Hoheit bei der am selben Tage stattgehabten Audienz und erhielt beruhigende Zusicherungen. Statt einer schriftlichen Antwort Sr. Majestät erhielt aber die Deputation von dem Herrn Ministerpräsidenten die Erklärung, Se. Majestät könne sich zu einer schrift¬ lichen Antwort nicht entschließen, man möge übrigens den mündlichen Zusicherungen Ihrer Majestät und Sr. k. k. Hoheit vertrauen, denn es werde sich das, was die De¬ putation gebeten, in Wien durch die That bewähren. Die Deputation wählte sogleich aus ihrer Mitte einen Ausschuß, welcher die Aeußerung von dem Herrn Minister¬ präsidenten offiziell entgegen nehmen sollte. In Ueberein¬ stimmung mit der früheren Aeußerung erklärte der Herr Ministerpräsident dem Ausschusse, er habe dießfalls wieder¬ holt Anträge vorgelegt, Se. Majestät könne sich aber zu einer schriftlichen Antwort nicht entschließen, man möge den mündlichen Zusicherungen Ihrer Majestät und Sr. k. k. Hoheit vertrauen, das, was die Deputation gebeten, werde sich in Wien durch die That bewähren, die Civil¬ autoritäten werden ohne Verzug in ihre volle Wirksamkeit treten, er als Minister werde selbst darauf hinwirken. Schließlich erklärte der Herr Ministerpräsident, daß diese Antwort von der Deputation ihren Kommittenten zur Beruhigung mitgetheilt werden könne. Die Deputation erachtete den erhaltenen Zusicherungen mit Rücksicht auf die unverkennbar schwierige Stellung der Regierung das Vertrauen nicht versagen zu dürfen, weil dieses bei der bereits eingetretenen Unter¬ werfung Wiens durch die zur Anwendung kommenden Regierungsmaßregeln in der kür¬ zesten Fristwirdgerechtfertigt werden müssen. Sie hielt demnach ihre Mission für beendigt und trat noch an demselben Tage die Rückreise an. Prag, den 4. November 1848. In Prag hat die allgemeine Stimmung binnen kurzer Zeit eine merkwürdige Veränderung erlitten. Anfangs ließ sich das für seine Nationalität glühend begeisterte Czechen¬ volk durch die Aussicht auf die Gründung eines slavischen Oesterreichs, weil das deutsche unmöglich geworden für die Regierung und gegen Wien stimmen; seit aber die Be¬ dingungen kund geworden, welche der Fürst Windischgrätz der Stadt Wien gestellt, macht sich die Ansicht geltend, der Streich, der Wien niederschmetterte sei gegen die Freiheit Oesterreichs geführt und werde die slavische De¬ mokratie eben so gut treffen, als die deutsche. Ein Schrei des Unwillens gab sich allgemein kund, als man vernahm, die Wiener Presse sei nicht auf eine unbestimmte Zeit be¬ schränkt, wie dieß in Prag und Paris der Fall war, son¬ dern gänzlich vernichtet, und daß nicht die Auslieferung bestimmter Verbrecher gefordert werde, sondern diese Be¬ dingung ohne Zahl und ohne Namen gestellt sei, also Jedermann, auch Reichstagsdeputirte, treffen könne. Das konstitutionelle Blatt a. B. führt uns eine sehr trübe Zu¬ kunft vor's Auge, weist auf das harmlose Olmütz hin, dessen Zustand einem Belagerungszustande gleicht, und zieht den Schluß, wenn auch die Bewegung in Wien eine anti¬ lavische gewesen sei, so könne die slavische Freiheit dadurch nichts gewinnen, daß jetzt die ganze Freiheit niedergedon¬ nert und die Verfassung verletzt wird, — es ist die freie

294 Presse, gegen welche man jetzt zu Felde zieht, und für diese Freiheit müssen alle Nationalitäten einstehen. Innsb. 3. Mittelst standrechtlichen Urtheils vom 8. d. M. ist Robert Blum, Buchhändler aus Leipzig, überwiesen durch sein eigenes Geständniß, wegen aufrührerischen Reden und bewaffnetem Widerstande gegen die kaiserlichen Truppen in Folge der von Sr. Durchlaucht dem k. k. Herrn F.=M. Fürsten zu Windischgrätz unterm 20. und 23. Oktober er¬ lassenen Proklamationen zum Tode verurtheilt, und das Urtheil am 9. November 1848 Morgens um halb 8 Uhr in der Brigittenau mit Pulver und Blei vollzogen worden.*) Daß der Fürst Windischgrätz bei der Einnahme Wiens seiner und mancher seiner Untergebenen Erbitterung keine völligen Zügel anlegen konnte, glauben wir gern, allein wir meinen auch, daß das Leben so vieler Tausenden, das nachhaltige Schicksal einer so blühenden herrlichen Stadt mehr Ueberlegung geheischt hätte und die Geschichte, ja vielleicht die Mitwelt schon, richtet strenge. Mit um so größerem Stolz und Freude erfüllt es uns, daß die braven Offiziere und Soldaten der deutschen und böhmischen Regimenter an ihre durch keinen Regimentsbefehl verwisch¬ bare Verwandtschaft mit den Besiegten gedachten und Scho¬ nung und Milde walten ließen, wo ihre traurige Pflicht es erlaubte. — Ein Akt des Drama's ist somit wieder ge¬ schlossen und das Programm zu einem neuen — die Pro¬ klamation des Feldmarschalls liegt vor uns. Schon in Nr. 2 treffen wir auf eine ungesetzliche Bestimmung, denn die Nationalgarde und ihre Reorganisirung geht den Mi¬ litärkommandanten nichts an, weil sie der Civilbehörde und dem verantwortlichen Ministerium des Innern unter¬ steht, und die im Manifeste vom 16. Oktober von Wes¬ senberg unterzeichnete Vollmacht nicht so weit reichen kann, da schon ihre bisherige Tragweite nach konstitu¬ tionellen Grundsätzen dem Minister den Anklagestand im Reichstage zuziehen kann. Der dritte Absatz enthält die schmählichste Maßregel, in die man eine besiegte Stadt zu unterwerfen vermag, ihre Ausführung muß für eine un¬ berechenbare lange Zeit das böseste Blut machen, und die Beisetzung, daß die eigenen Waffen zurückgegeben wer¬ den, scheint uns überflüssig, weil es sonst eine gewaltsame Verletzung des Eigenthums wäre. Die Beschränkung des Associationsrechtes und der Presse war momentan noth¬ wendig, wir hoffen jedoch, daß ein etwa neu zu entwer¬ fendes Preßgesetz weder die Sanktionirung des Windisch¬ *) Blum war Mitglied des deutschen Parlamentes für Leipzig!! Wußte das die Militärbehörde nicht? Wir können nicht verschweigen, daß wir diese Hinrichtung unter die unheilvollsten Ereignisse des Jahres zählen! Die Red. grätz noch eines andern Militärkommandanten brauchen wird. Das nun folgende a) b) c) lassen wir aus, und wünschen nur, daß es in der Freiheits=Grammaire unserer Nachkommen ganz unmöglich werde. — Die gemischte Cen¬ tralkommission, welche den geregelten konstitutionellen Rechts¬ zustand herbeiführen soll, würde unter einem Civilpräsi¬ denten wohl mehr Vertrauen erwecken, und die Wahl von Volks=, nicht blos k. k. Räthen würde dem Fürsten wirklich Ehre machen. Der Sieg roher Gewalt über rohe Gewalt in einem freien Staate kann immer nur dann ge¬ billigt werden, wenn auf der einen Seite der anarchische Pöbel, auf der andern der gesetzschützende Bürger im Kampfe steht, und das Wort Städtebezwinger bleibt für einen Namen immer eine traurige Annale, wenn kein milderes Prädikat dessen blutigen Glanz dämpft! Neue Zeit. Posen, 2. November. Mehrere aus Kalisch hier eingegangene Briefe bestätigen die Nachricht, daß die rus¬ sischen Truppen im Königreiche Polen jetzt großentheils in Eilmärschen an die galizische Grenze rücken. Nach der Wienerzeitung haben die Generäle Dahlen und Nugent nach erhaltener freudigen Nachricht vom Siege über Wien große Kirchenparaden abhalten lassen, um dem Gott der Heerschaaren den schuldigen Dank für — ich mag es nicht weiter herschreiben. Utopia. Viktoria! Wir haben eine Verfassung. Gestern wurde sie durch das offizielle Organ bekannt ge¬ macht. Ihr Hauptinhalt ist folgender: 1) Die Stände, welche sich in der Hauptstadt versammeln, wenn sie ein¬ berufen werden, haben das Recht, die Steuern bewilligen zu müssen. 2) Jedem Staatsbürger ist es gestattet, seine Meinung frei und unumwunden zu unterdrücken. 3) Die Presse ist vollkommen frei, nur findet bei solchen litera¬ rischen Produkten, in denen von Politik im Allgemeinen oder von der vaterländischen im Besonderen die Rede ist, die Censur statt. 4) Die Verwaltung bleibt für immer von der Gerechtigkeit getrennt. 5) Die Todesstrafe bleibt für immer abgeschafft, doch können Hochverräther und Majestätsverbrecher ausnahmsweise gehängt werden. 6) Die Minister sind verantwortlich, doch nur dem Fürsten gegenüber. Durch diesen Schritt zur ständischen Entwickelung ist unser Staat in eine neue Phase getreten. Die sämmtliche Bürgerschaft ist illuminirt. Const. Bote. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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