Zwanglose Blätter, Nr. 69, vom 11. November 1848

290 nur zu bedauern, daß es so weit kommen mußte, daß Ströme von Bürgerblut den Boden Wiens düngen, um die Saat der Freiheit zum blühenden Wachsthume zu bringen, daß es des fürstlichen Zuchtmeisters bedurfte, der, wie er sagt, nicht kam an dem Baume der Freiheit auch nur ein Blatt zu knicken, nur den Uebergang von Anarchie zur Ordnung anzubahnen, und dieß ist nur möglich durch die Mäßigung, von der wir Eingangs redeten. Hält die gemischte Central=Kommission unter Cor¬ dons Vorsitze dieses im Auge, und das Patent des Kaisers vom 19. Oktober streng aufrecht, dann allein ist Heil zu hoffen, aber dann drängt die schmerzliche Frage in jedes guten Bürgers Auge eine Thräne: wozu floß Bürger¬ blut?! — und die Verführung und Verirrung Wiens findet keinen anderen Entschuldigungsgrund, als den, daß die Hofparthei und ein paar Minister stets unter der Decke spielten, und das Mißtrauen des Volkes so weit steigerten, daß dieses selbst an das Wort des Kaisers Zweifel hängt. Dieß zu bannen erwarten wir von einem neuen Mi¬ nisterium,*) welches das Vertrauen des Volkes als Stütze hat, von dem Reichstage, dem Gemeinderathe, von dem Benehmen des Fürsten Windischgrätz,**) der dem Be¬ lagerungszustande so bald wie möglich ein Ende machen, aber auch machen können möge. Die Ueberzeugung aber lebt in jedem Oesterreicher, daß es auf dieser Welt kein Heer von Soldaten gebe, welches im Stande wäre, das Volk zu unterdrücken, wenn man ihm seine Errungenschaften antastet, denn dann stehen auch die Provinzen alle auf wie Ein Mann, dann braucht es keinen Landsturm erst zu organisiren, denn seine Glocken durchheulen Berg und Thal, und jeder Arm schwingt ein Schwert des Zornes für das höchste Gut des Menschen — die Freiheit; es gäbe ja auch nichts Erbärmlicheres, als das gebrochene Wort eines Kaisers — mit dem Worte bräche auch der Thron, brächen alle Stützen des Kaiserreiches wie ein Kartenhaus zusammen.“ ) Wo ist ei? **) Auch wir wollen jetzt noch nicht glauben, daß der Fürst 32 Studenten in der Hetzendorfer Allee aufknüpfen ließ — öbwohl sonst glaubwürdige Briefe es uns Die Red. verbürgen. Pfeffe Unmittelbar nach den Wärz= und Maitagen begann in dem Staatsleben Oesterreichs ein Element anerkannt und kräftig zu erscheinen, von dem man früher aber keine Notiz zu nehmen schien — wir meinen das Volk. Seit den Oktobertagen hört man in den Erlässen, sie mögen nun Manifeste oder wie immer heißen, dieses Wort nicht mehr mit der gewohnten Verschwendung gebraucht, mit der selbst die Sprache ihre Moden abnutzt. Statt vom Volke ist jetzt desto häufiger von den Wohlgesinnten die Rede. Die Wohlgesinnten, d. h. Jene, die für die Diktatur sammt Anhang stimmen, sind das Volk — die nicht dafür stimmen sind Wühler. „Sterbliche Leute, Futter für Kanonen, füllen ihre Grube so gut wie Andere,“ sagt Fallstaff. Eine der nachträglichen „Bedingungen“ (eigentlich Befehle), die Windischgrätz der Stadt Wien auferlegte, besteht darin, statt der geliebten deutschen Fahne auf dem Stephansthurme eine große schwarzgelbe aufzuziehen. Diese Maßregel ist sehr konsequent. Denn da Windischgrätz nur Beruf hatte der Anarchie in Wien zu steuern, so gehört es auch folgerecht zu seiner Sendung, die schwarzgelbe Fahne wehen zu lassen. Denn wo die schwarzgelbe Fahne weht, da herrscht Ordnung, Ruhe und doch Freiheit. Ei¬ genthum und Leben sind gesichert, Niemand wird seinem ordentlichen Richter entzogen — Freiheit der Meinung und der Presse — Wissenschaft und Kunst, Handel und Wandel blühen in unbeschränktester Entfaltung, und die milde Herr¬ schaft des Bajonnetes ersetzt ein volksthümliches Ministe¬ rium, den konstituirenden Reichstag, und verbürgt einen dauernden Frieden. rkörner. Der berühmte Johann Quirin Endlich, ein Volksfreund von scharf ausgeprägter Tendenz, kündet in der Wiener¬ zeitung vom 8. d. M. eine neue Zeitung an, die den Titel Schild und Schwert führen soll. Nach dem Pro¬ gramme dürfte sie sich aber passender „Zopf und Schwert“ nennen. Eine Stelle dieses Programmes lautet: „Unsere Revolution hat glorreich begonnen, ist aber durch die Erbärmlichkeit ihrer aufgedrungenen Führer zur schmachvollsten (?) herabgesunken welche die Welt¬ geschichte aufzuweisen hat!“ Der Korneuburger Magistrat soll dem Vernehmen nach für diese Stelle dem Herrn Endlich eine Dankadresse zu überreichen gesonnen sein. Alle Rathskeller haben bereits pränumerirt. Eines war uns im Programme ganz neu: „darum sei haupt¬ sächlich unsere Revolution entstanden, weil die Aristokratie durch jüdische Geldmänner ausgesaugt worden sei.“ Mit andern Worten, weil die Aristokraten durch eigene Schuld um ihr Geld kamen, entstand die Revolution — wahr¬ scheinlich entstand daher die Gegenrevolution, damit sie es umge¬ wieder bekommen? Nicht wahr Herr Endlich — kehrt hat die Hacke auch einen Stiel? Weiter unten kommt vor, daß unsere Revolution keine Revolution der Ideen, sondern eine Revolution der Noth und des Hungers sei. Hierauf erlaube ich mir die be¬ scheidene Bemerkung, daß das Volk von Kanonen¬ kugeln nicht satt wird. Frage. Welches sind die Erfolge des Beschlusses, der am 20. August d. J. im ständ. Saale zu Linz versammelten Gewerbsmeister Oberösterreichs in Bezug auf die Bildung eines Gewerbe=Comité's? Von einem seinsollenden Mitgliede. Mit einem Anzeiger Nr. 36 und einer politischen Wochenschau Nr. 6. Verantwortlicher Redakteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2