Zwanglose Blätter, Nr. 66, vom 1. November 1848

deutschen Provinzen mit dem Reichstage und der helden¬ müthigen Bevölkerung Wiens auf demselben gesetzlichen Boden — wir sehen unsere Errungenschaften, die Selbst¬ ständigkeit unserer deutschen Nationalität bedroht, wir for¬ dern Recht und Freiheit, wir fordern, daß man allen Ständen das gegebene Wort halte — wir stehen und fallen mit den Wienern — sind wir darum auch der Horde von Empörern beigesellt.? Was gab dem alten Feldmar¬ schall das Recht so ungerecht zu sprechen? Wir achten die Empfindungen eines alten Soldatenherzens, möge aber auch der siegreiche Greis die Empfindungen alter und junger Bürgerherzen nicht verachten. Er möge den Män¬ nern, die Weib und Kind, Würden und Güter verlassen, um auf den Bollwerken des Volkes zu siegen oder zu ster¬ ben, eine bessere Gesinnung zutrauen, und die Bürger Wiens und ihre gleichgesinnten Freunde in jenen deutschen Landen, die Oesterreichs Kaiser — wenn auch mit abge¬ wendetem Auge — beherrscht, seinen Truppen nicht als Eingese Weyer an der Enns, 22. Oktober 1848. Ich und mit mir gewiß jeder wahrhafte Patriot waren gerührt über die Zartheit und Bruderliebe, als ich dem Leichenbegängnisse eines Soldaten beiwohnte, der auf dem Rückmarsche aus Italien das Ende seiner Strapazen hier fand. Die Nationalgarde mit tiefem Ernste begleitete den Zug, indem sie dem Geschiedenen alle militärische Ehren zu Theil werden ließ. In militärischer Haltung, die Leiche in der Mitte, mit einem Trauermarsche wallte der Zug zur Grabstätte, wobei unser allgeachteter Herr Pfarrer Altes und Der Präsident Serbenskyshat mit Staffette den Kreisämtern den Befehl zugesendet zu erforschen, wie und durch wenn der Gedanke an die nothwendige Aufbietung des Landsturmes auf dem flachen Lande angeregt worden ist. Wird sich ein Kreisamtsbeamter dazu gebrauchen lassen, diesen Spitzeldienst zu verrichten? Vorgestern Abends verbreitete sich hier das Gerücht, ein geachteter Offizier habe durch Staffette die Nachricht er¬ halten, Wien habe kapitulirt. Die Freude unter den Schwarz¬ gelben war groß, auf gestern Abends sollten sie sogar schon eine Punschade arrangirt haben. Gestern aber er¬ fuhren wir noch, daß die Uebergabe Wiens nicht wahr sei. Wien wird sich ohne Hilfe von Außen freilich nicht leicht behaupten können. Fällt es, so ist das traurig, darum aber noch nicht Alles verloren. Ueber den Fall der Burg unserer Freiheit zu jubeln ist aber gelind gesagt — un¬ männlich. Oberkommandant Grammont in Linz hat versprochen viehische Scheusale darstellen, deren einzige Absicht es ist, Alles was dem Menschen heilig und theuer zu ver¬ nichten. Die Zeit ist vorbei, wo die Gerechtigkeit keine Wage hatte für die Großen der Erde. Jetzt wiegt sie die Thaten der Fürsten gegen die Thaten der Völker, und das Züng¬ lein neigt sich entschieden auf die Seite der letzteren. Das größere Gewicht der Völker ist für die Zukunft entschieden. Gestützt auf diese Wahrheit muthen wir dem greisen Hel¬ den, der an den Grenzen der lombardischen Ebenen das Rad der Zeit aufzuhalten gedenkt, zu, die Armee nicht fürder gegen den Bürger zu erbittern, und die Zeit und ihre Kinder nicht weiter zu schmähen. Die Glorie eines neuen Tages bricht in die Abendröthe seines ruhmreichen Lebens herein. Kann es denn ein altes Soldatenherz nicht über sich gewinnen, in die alten blutigen Lorbern einen grünen Zweig des neuen Friedens zu flechten? G ndetes. Zach durch Glockengeläute und Begleitung das Begängniß verherrlichte. Eine Masse Menschen schlossen sich im Ge¬ bete an. Viele Eltern wohnten sympathetisch in heißen Thränen ihrer Söhnen Leichenzug bei. Drei kriegerische Salven von der Garde, und geendet. Militär!!! nehmt euch ein Beispiel, wie sehr hochge¬ achtet ihr im Volke seid, thuet desgleichen! Hoch! jedem Patrioten, unsern Nationalgarden und ihrem Komman¬ danten Herrn Dunkl! Fl. Putschi. Neues. uns aufzurufen, wenn die Errungenschaften in Gefahr sind. Nachdem der Reichstag das Vorgehen Windischgrätzs als feindselig gegen Volk und Thron bezeichnete — was braucht's noch mehr. Hüte sich Jeder, das Volk mit leeren Worten zu betrügen. Wir lasen neulich im Verzeichniß der Spenden für Wien einen Mann mit 1 fl. C.=M. eingetragen, dem die Wiener, als ihm sein Haus abgebrannt war, ein Almosen von Tausenden gereicht hatten. Steyrer denkt an den Brand von 1842 und die großherzigen Wiener. Wenn es Jemand daran gelegen ist die Stimmung Steyrs in dieser unseligen Lage zu kennen, so höre er, daß sie entschieden für das widerrechtlich mißhandelte Wien sich ausspricht. Ein Beweis dafür ist die Adresse des Gemeinderathes — einzelne Stimmen sind kein Gegen¬ beweis. Der Fuchs selbst wird das Hühnerstehlen nie für eine Sünde erkennen. Vermmwerlicher Redatenr Aler. Jul. Schindler; Mircaktur F. 10. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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