Zwanglose Blätter, Nr. 66, vom 1. November 1848

Zwanglose Blätter aus Oberösterreich. Nro. Steyr am 1. November 1848. 66. O Aberglaube, dickste Nacht, Wie drückst du schwer die Welt! Das Licht, es ist umsonst erwacht Am hohen Sternenzelt! Platen. Vaterländische Staatsschriften. Adresse des prov. Gemeinde=Ausschusses der Stadt Salzburg an den Wiener Reichstag. Hohe Reichsversammlung! Die Ereignisse, deren Schauplatz seit dem 6. Oktober Wien und dessen Umgebung geworden sind, haben uns auf's Tiefste erschüttert. Wir verkennen die unermeßliche Bedeutung und Trag¬ weite dieser beklagenswerthen Vorgänge so wenig, daß wir es für unsere Pflicht halten, der h. Reichsversammlung deßhalb unsere vollste Theilnahme zu bezeugen. Vor Allem entgeht uns nicht die entscheidende Wich¬ tigkeit, welche die Schlichtung dieser Wirren für die deutsche Sache auf sich hat, und wir halten die Gleichberechtigung der Völker und die Aufrechthaltung der freien Institutionen für die nothwendigen Stützen des kon¬ stitutionellen Thrones und der Volksrechte. Wir erblicken in den Beschlüssen und Prokla¬ mationen des Reichstages das edle und aufrichtige Bestreben, das Verhängniß des Bürgerkrieges und die Gräuel der Gesetzlosigkeit von Oesterreich abzuwenden, und glauben, daß sich die hohe Reichsversammlung eben so sehr um die Rechte des Kaisers, wie um die Sache des Volkes verdient gemacht habe. Deßhalb drücken wir der ganzen Versammlung und ihren Mitgliedern, welche in den Tagen der Bedrängniß an ihrem Platze blieben, wohin sie das Vertrauen dee Volkes berief, unsern innigsten Dank aus, und erklären zugleich, daß jene, die aus Sondergründen den Reichstag verließen, zum mindesten ihrer Sendung und Aufgabe untreu geworden sind. Die Anwesenheit von Heerabtheilungen, die den Be¬ fehlen unseres verantwortlichen Ministeriums nicht unter¬ stehen, die bedrohliche Entwickelung großer Militärmacht und die Entwaffnung der Nationalgarde um den Sitz des Reichstages — hat uns für die Freiheit seiner Berathungen, für die Aufrechthaltung kon¬ stitutioneller Rechte mit banger Besorgniß erfüllt. Wir halten im Einklange mit den Worten des Reichs¬ tages Wien für den Mittelpunkt der Interessen aller österreichischen Völker und für den einzig möglichen Sitz einer Reichsversammlung, welche der Gleichberech¬ tigung so verschiedener Völker entspricht. Wir unterwerfen uns allen Beschlüssen und Anordnungen, welche der Reichstag, so lange dessen Mitglieder in beschlußfähiger Anzahl vorhanden sind, erläßt und kundgibt, und sind bereit, zu deren kräftigen Handhabung das Unsrige beizutragen, in der festen Ueber¬ zeugung, daß nur die Aufrechthaltung der rechtmäßigen Staatsgewalten und das aufrichtige Einverständniß zwischen Regierung und Volk Ruhe, Ordnung und Sicher¬ heit herzustellen und die Rechte des konstitutionellen Thrones und der Bürger zu sichern im Stande seien. — Geneh¬ mige die hohe Reichsversammlung die Versicherung unserer Treue und Ergebenheit! Der prov. Gemeinde=Ausschuß der Stadt Salzburg am 24. Oktober 1848. Nachdem wir unsern Lesern jetzt die Adressen der Städte Steyr und Salzburg mitgetheilt haben, welche den erhebenden Ausdruck echt freisinniger undecht deut¬ scher Gesinnung an der Stirne tragen, erfüllen wir der Vollständigkeit willen die bittere Pflicht, auch die Adresse des ob der ennsischen Verordneten=Collegiums zu Linz an den Kaiser hier abzudrucken. Daß die deutsche Frage bei jeder Bewegung dieser Tage in dem Vordergrunde steht und stehen muß, wird wohl nur von Jenen widersprochen, deren politisches Glau¬ bensbekenntniß mit den Worten Gesinnungslosigkeit und Egoismus erschöpft ist. Die Verhandlungen der Slovanska Lipa, der Brief Jellachichs an diese slavische Versammlung öffnet Jedem die Augen über die Richtung der Politik, die jetzt ohne Zuhülfenehmen des Weltgeistes in den Zim¬

276 mern des erzbischöflichen Palastes zu Olmütz gemacht wird. Aber in dieser ständischen Adresse mahnt kein Wort daran, daß sie die Rechte eines deutschen Volkes vertreten wolle, daß sie aus der Feder eines deutschen Mannes geflossen sei. Sie könnte eben so gut von einem Collegium von Mandarinen an den Beherrscher des himmlischen Reiches gerichtet sein. Sie ist ein weiter faltiger Mantel, der sich bequem und weich den Schultern jedes servilen Mannes anschmiegt, während er die Brust jedes freien Mannes beengen und ihm eine unangenehme Röthe auf die Wan¬ gen treiben würde. Es ist ein Bitten und Betteln um Schonung, als ob Wien und die ganze deutsche und freisinnige Parthei im Vaterlande die Ruthe verdient hätte; es ist ein dichtes dem Winde, der vom Hofe herweht sich beugendes Gebüsch voll loyaler Schmeichelei und Unter¬ würfigkeiten, und ganz hinten sitzt das arme Zaunköniglein „Freiheit“ versteckt und wagt es kaum ein klein wenig zu zwitschern. Männer! Männer! ist es denn so schwer, die Wahrheit entschlossen und ganz zu sagen!? Nachdem im Anfange der Adresse mit der gewöhn¬ lichen, höchst verdächtigen Begriffsverwechslung die Reaktion unmöglich genannt wird, weil ihr Sieg höchst unwahrscheinlich, vielleicht sogar unmöglich ist, nach¬ dem sich die Bittsteller mit dem Eingeständniß unreifer Ansichten, Selbstsucht u. dgl. den Rücken bußfertig zer¬ geißelt haben und endlich auch die nur im Hirne der Ol¬ mützer Staatsmänner spuckende Anarchie als ein Wesen mit Fleisch und Bein, das am Tage einherschreitet, zu¬ geben, wird nach einem, den bei der Kamarilla unbeliebten Reichstag schwer gravirenden Fragezeichen für das verirrte Wien um Schonung gebeten. „Seine Maje¬ stät wolle doch nicht auch Jene mit strafen, die nicht straf¬ bar sind.“ Wir kennen in Wien keine Strasbaren, als die Mör¬ der Latours den sie dem Spruche des Staatsgerichtshofes entzogen. Oder sind vielleicht jene Bürger Wiens straf¬ bar, die einer inkonstitutionellen, mithin feindlichen Macht ihre Thore verschlossen und ihre Mauern gegen drohende Feuerschlünde wieder mit Feuerschlünden verwahrten!? Uebri¬ gens würde uns eine solche Ansicht von einem Collegium nicht wundern, das auch die Hauptstadt des Landes, das es vertreten soll, von allerhand Duodez=Alba's und der¬ gleichen Leuten mit ganz absonderlichen Erperimenten heimsuchen läßt. Wo die Adresse den Frieden herbeizuführen trachtet, da sympathisiren wir von ganzem Herzen mit ihrem In¬ halte — warum aber kein Wort von dem Rechte des Volkes, von der deutschen Sache? Wir lassen nun das verunglückte Schriftstück folgen und hoffen die Geschichte wird einst die Gesinnung Ober¬ österreichs nicht darnach beurtheilen. Sie ist das Pri¬ vatunternehmen eines Collegiums, das wohl große Kenner altdeutscher Sprache und Literatur, keineswegs aber kräf¬ tige Beförderer der neuen Blüthe deutscher Länder und Völker in seinem Schooße zu zählen scheint. Euere Majestät! Die Freiheit, des Menschen höchstes Gut, haben die Völker Oesterreichs erworben. Nicht das alte Regierungssystem, welches ganz un¬ möglich geworden ist, sondern andere Feinde bedrohen die Freiheit, die Größe des Kaiserthums Oesterreich. Unreife Ansichten, Selbstsucht, gemeine Verführung sind die Feinde, welche mit der Freiheit nicht zufrieden, auch die Herrschaft der Ordnung hassen. Leider haben sehr Viele, denen goldene Berge ohne Mühe und Arbeit ver¬ sprochen wurden, sich irre leiten lassen. Der Erwerb des Handwerkers, der Fabriken, des Handels ist verschwunden. Zeit und Kräfte werden der nährenden Arbeit entzogen. Der Mangel an baarem Gelde untergräbt den Kredit. Neue Staatsauslagen ver¬ mehren die Verlegenheit der Finanzen. Gesetzlosigkeit, Unsicherheit des Daseins und des Ei¬ genthums erregen bange Sorgen. Wer trat den Bestrebungen des Umsturzes mit leiten¬ der Hand entgegen? Die konstituirende Reichsversammlung ruft die Pro¬ vinzen in der Proklamation vom 20. d. M. zur Hülfe auf, Eure Majestät zu bitten, damit der Stadt Wien und dem Reiche der Frieden werde, damit im Segen des Friedens das neue Heil des Vaterlandes gedeihe. Mit banger Betrübniß muß der Kampf das Vater¬ herz Euer Majestät erfüllen. Nicht gleichgültig kann der Bürgerkrieg den Provinzen sein. Die Gefahren, die die Provinz Niederösterreich, die die Hauptstadt des Kaiserstaates bedrohen, empfindet die Schwester=Provinz Oberösterreich mit. Die Liebe zu Euer Majestät, unserem konstitutionellen Kaiser die Sorge um das Wohl des Kaiserstaates und für die Ruhe der Provinz Oberösterreich begründen die Bitte: für die Stadt Wien und ihre Bewohner jede Scho¬ nung eintreten zu lassen, welche in dem Herzen Euer Majestät ihren Grund findet. Bereits sieben Monate sind verflossen, und die Ent¬ wickelung des konstitutionellen Staatslebens Oesterreichs ist nicht um einen Schritt vorwärts, ist an den Abgrund der völligen Zertrümmerung des bestehenden Organismus gebracht. Nur das Vertrauen der Oesterreicher daß Euer Ma¬ jestät das Glück der Völker wollen, nur das Bewußtsein, die erworbene Freiheit muß zur Wahrheit werden, konnte die moralische Kraft stärken, die materiellen Opfer vergessen lassen. Gegenwärtig wird auch die moralische Kraft, wird die Vaterlandsliebe bedroht. Der Sohn steht gegen den Vater der Bruder gegen den Bruder zum Kampfe gerüstet. Die Gerechtigkeit, der Wahlspruch Euer Majestät, wird nicht auch Jene strafen wollen, welche nicht strafbar sind und wird die Mittel finden, die Freiheit und Ord¬ nung zu befestigen, wird das konstitutionelle Staatsleben herbeiführen die Achtung des Gesetzes, eine kräftigere, die Rechte des Volkes beschützende Regierung begründen. Vom ob der ennsischen ständ. Verordneten¬ Collegium. Linz am 23. Oktober 1848.

— 232 — Radetzky und unsere Zeit. Der Feldmarschall Graf Radetzky hat aus dem Haupt¬ quartiere Mailand den 16. Oktober an die Soldaten der Garnison von Wien folgende Worte gerichtet: „Ich bin nicht Euer commandirender General, Ihr seid nicht gewohnt auf meine Stimme zu hören und ihr im Kampfe zu folgen; aber als Feldmarschall und ältester Soldat der Armee steht mir das Recht zu ein ernstes Wort an Euch zu richten. Unerhörte Dinge haben unter Euern Augen stattgefunden, Oesterreichs makellose Fahne ist durch Verrath und Blut befleckt. Zum Zweitenmale hat Euer Kaiser aus seiner Hauptstadt fliehen müssen? der Kriegs¬ minister Feldzeugmeister Graf Latour ward grausam und schändlich ermordet, sein Leichnam entehrt. Ein tapferer General fiel, wie man sagt durch die Hand eines Grena¬ diers! Ein Grenadier=Bataillon vergißt in Orgien und schändlicher Trunkenheit seine Pflicht, verweigert den Ge¬ horsam, und feuert o ewige Schmach! auf seine eigenen Waffenbrüder. Soldaten der Wiener Garnison, sagt mir, im Namen der Armee von Italien, Eurer Waffenbrüder, frage ich Euch — habt ihr Eure Pflicht gethan? Wo war die Wache die den Feldzeugmeister Latour vertheidigen sollte, die eher zu seinen Füßen sterben mußte als ihn der Wuth eines blutdürstigen aufgereizten Pöbels preiszugeben? Wo weilen die Verräther, die unsere Fahne mit Schmach be¬ deckten? Hat sie die gerechte Strafe schon ereilt? Oder schleppen sie ihr verächtliches Daseyn noch in den Reihen der Empörung fort? Soldaten! Schmerz ergriff mich, Thränen erfüllten mein altes Auge, als ich die Kunde dieser in den Annalen der österreichischen Armee unerhör¬ ten Schandthaten erfuhr. Ein Trost blieb mir noch: daß es nur ein kleiner Haufe war, der seine Ehre so schänd¬ lich vergaß, seine Pflicht so schmachvoll verletzte. An Euch, Ihr treugeliebten wackern Männer, ist es nun den Thron Eueres Kaisers und die freisinnigen Instituti¬ onen zu schützen, die seine väterliche Güte seinen Völ¬ kern verlieh, und die eine Horde von Empörern so schändlich mißbraucht.*) Soldaten! öffnet die Augen vor dem Abgrunde der sich vor Euren Füßen auf¬ thut; alles steht auf dem Spiele, die Grundfesten der bür¬ gerlichen Ordnung sind erschüttert, das Besitzthum, Moral und Religion mit Untergang bedroht, alles was dem Menschen heilig und theuer ist, was die Reiche gründet und erhält will man vernichten — das, und nicht die Freiheit ist der Zweck jener Aufwiegler die Euch mit in Schande und Verderben reißen wollen. Sol¬ daten! In Eurer Hand liegt jetzt der Schutz des Thrones**) und mit ihm die Erhaltung des Reiches. Möge Gottes Gnade mir gestatten, den Tag zu erleben, wo man sagen wird: „Die Armee hat Oesterreich gerettet“ dann, erst dann wird der 6. und 7. Oktober dieses unheilschwan¬ gern Jahres! gesühnt seyn und in Vergessenheit sinken, dann reicht Euch die Armee von Italien, die jetzt die *) Hierunter ist wohl auch der Reichstag verstanden!? **) Die freisinnigen Institutionen sind hier schon wieder vergessen. Gränzmarken der Monarchie gegen äußere Feinde schützt, die Bruderhand. (gez.) Radetzky, Feldmarschall.“ — Ein zweiter Armeebefehl, Hauptquartier Mailand den 18. Ok¬ tober 1848, lautet wie folgt: „Soldaten! Ich habe Euch den Aufruf bekannt gemacht, den ich an die Garnison von Wien erließ. Ihr werdet daraus ersehen haben, daß das Grenadier=Bataillon Richter im Rausche seiner Pflicht vergaß, den Gehorsam verweigerte, und auf seine Kame¬ raden feuerte. Es ist mir die Nachricht zugekommen, daß dieses Bataillon reumüthig zu seiner Pflicht zurückgekehrt und damit es seine Reue durch die That beweisen könne, den Kommandirenden gebeten habe, es an die Spitze der ersten Sturmcolonne zu stellen. Soldaten! Ich habe Euch mit der Schmach dieses Bataillons bekannt gemacht, ich muß Euch auch seine Reue mittheilen. Ich bin dieses ins¬ besondere der Ehre der tapferen Regimenter schuldig aus denen dieses Bataillon zusammen gesetzt war. Zwar kann diese späte Reue die Makel nicht auslöschen, die dieses Ba¬ taillon seiner Fahne, die auch die Eure ist, jaufgedrückt hat, aber doch thut es einem alten Soldatenherzen wohl, zu hören, daß die Pflicht über den Verrath die Oberhand gewonnen. Bald hoffe ich Euch sagen zu können, daß Eure unglücklichen und verführten Kameraden ihren Fehler mit Blut und Leben ausgelöscht haben. (gez.) Graf Ra¬ detzky m. p., Feldmarschall.“ Wir theilen diese beiden Proklamationen aus der All¬ gemeinen Zeitung mit, und es würde uns von Herzen freuen zu erfahren, daß sie apogryph sind. Wir haben alle Achtung vor dem Feldherrntalente des Grafen Ra¬ detzky, er ist gewiß ein treuer Diener seines Herrn und Kaisers gewesen, nun aber gehen die Gewalten vom Volke aus, das Volk steht auf gleicher Höhe neben dem Kaiser, in dessen Händen die Erekutivgewalt gelegt ist, die er ohne Contrasignirung eines dem Volke verantwortlichen Mini¬ steriums nicht ausüben darf; der Kaiser nennt sich selbst konstitutioneller Kaiser und gibt dadurch zu erkennen, daß er in einem anderen Verhältnisse zu seinem Volke stehe, als dieß bis zum 15. März dieses unheilschwangern Jahres der Fall war — mithin möge Radetzky bedenken, daß man die einmüthige Erhebung des Reichstages und des Volkes, dem man dient, nicht nach Willkür maßlos schmähen darf. Wir vertheidigen nicht die mit blutigen Mackeln behafteten Stunden des 6. Oktobers, aber von dem Augenblicke an, wo mit Verletzung der Freiheiten des Volkes feindselige Truppen vor Wien gestellt wurden und es mit aller Erbitterung bekriegten, von dem Augenblicke an wo, ohne daß ein Mittel der Versöhnung nur versucht worden wäre, der Bevollmächtigte des Kaisers Fürst Windischgrätz der Residenz Bedingungen stellt, erniedri¬ gender als man je einer feindlichen Festung bot, was sage ich — völkerrechtswidrig in einem Maße, das selbst die Kapitulations=Aufforderungen Kara Mustapha's, des Feld¬ herrn der Türken, nicht erreichten; steht die ganze Redlich¬ keit, Selbständigkeit, Freisinnigkeit und Intelligenz der

deutschen Provinzen mit dem Reichstage und der helden¬ müthigen Bevölkerung Wiens auf demselben gesetzlichen Boden — wir sehen unsere Errungenschaften, die Selbst¬ ständigkeit unserer deutschen Nationalität bedroht, wir for¬ dern Recht und Freiheit, wir fordern, daß man allen Ständen das gegebene Wort halte — wir stehen und fallen mit den Wienern — sind wir darum auch der Horde von Empörern beigesellt.? Was gab dem alten Feldmar¬ schall das Recht so ungerecht zu sprechen? Wir achten die Empfindungen eines alten Soldatenherzens, möge aber auch der siegreiche Greis die Empfindungen alter und junger Bürgerherzen nicht verachten. Er möge den Män¬ nern, die Weib und Kind, Würden und Güter verlassen, um auf den Bollwerken des Volkes zu siegen oder zu ster¬ ben, eine bessere Gesinnung zutrauen, und die Bürger Wiens und ihre gleichgesinnten Freunde in jenen deutschen Landen, die Oesterreichs Kaiser — wenn auch mit abge¬ wendetem Auge — beherrscht, seinen Truppen nicht als Eingese Weyer an der Enns, 22. Oktober 1848. Ich und mit mir gewiß jeder wahrhafte Patriot waren gerührt über die Zartheit und Bruderliebe, als ich dem Leichenbegängnisse eines Soldaten beiwohnte, der auf dem Rückmarsche aus Italien das Ende seiner Strapazen hier fand. Die Nationalgarde mit tiefem Ernste begleitete den Zug, indem sie dem Geschiedenen alle militärische Ehren zu Theil werden ließ. In militärischer Haltung, die Leiche in der Mitte, mit einem Trauermarsche wallte der Zug zur Grabstätte, wobei unser allgeachteter Herr Pfarrer Altes und Der Präsident Serbenskyshat mit Staffette den Kreisämtern den Befehl zugesendet zu erforschen, wie und durch wenn der Gedanke an die nothwendige Aufbietung des Landsturmes auf dem flachen Lande angeregt worden ist. Wird sich ein Kreisamtsbeamter dazu gebrauchen lassen, diesen Spitzeldienst zu verrichten? Vorgestern Abends verbreitete sich hier das Gerücht, ein geachteter Offizier habe durch Staffette die Nachricht er¬ halten, Wien habe kapitulirt. Die Freude unter den Schwarz¬ gelben war groß, auf gestern Abends sollten sie sogar schon eine Punschade arrangirt haben. Gestern aber er¬ fuhren wir noch, daß die Uebergabe Wiens nicht wahr sei. Wien wird sich ohne Hilfe von Außen freilich nicht leicht behaupten können. Fällt es, so ist das traurig, darum aber noch nicht Alles verloren. Ueber den Fall der Burg unserer Freiheit zu jubeln ist aber gelind gesagt — un¬ männlich. Oberkommandant Grammont in Linz hat versprochen viehische Scheusale darstellen, deren einzige Absicht es ist, Alles was dem Menschen heilig und theuer zu ver¬ nichten. Die Zeit ist vorbei, wo die Gerechtigkeit keine Wage hatte für die Großen der Erde. Jetzt wiegt sie die Thaten der Fürsten gegen die Thaten der Völker, und das Züng¬ lein neigt sich entschieden auf die Seite der letzteren. Das größere Gewicht der Völker ist für die Zukunft entschieden. Gestützt auf diese Wahrheit muthen wir dem greisen Hel¬ den, der an den Grenzen der lombardischen Ebenen das Rad der Zeit aufzuhalten gedenkt, zu, die Armee nicht fürder gegen den Bürger zu erbittern, und die Zeit und ihre Kinder nicht weiter zu schmähen. Die Glorie eines neuen Tages bricht in die Abendröthe seines ruhmreichen Lebens herein. Kann es denn ein altes Soldatenherz nicht über sich gewinnen, in die alten blutigen Lorbern einen grünen Zweig des neuen Friedens zu flechten? G ndetes. Zach durch Glockengeläute und Begleitung das Begängniß verherrlichte. Eine Masse Menschen schlossen sich im Ge¬ bete an. Viele Eltern wohnten sympathetisch in heißen Thränen ihrer Söhnen Leichenzug bei. Drei kriegerische Salven von der Garde, und geendet. Militär!!! nehmt euch ein Beispiel, wie sehr hochge¬ achtet ihr im Volke seid, thuet desgleichen! Hoch! jedem Patrioten, unsern Nationalgarden und ihrem Komman¬ danten Herrn Dunkl! Fl. Putschi. Neues. uns aufzurufen, wenn die Errungenschaften in Gefahr sind. Nachdem der Reichstag das Vorgehen Windischgrätzs als feindselig gegen Volk und Thron bezeichnete — was braucht's noch mehr. Hüte sich Jeder, das Volk mit leeren Worten zu betrügen. Wir lasen neulich im Verzeichniß der Spenden für Wien einen Mann mit 1 fl. C.=M. eingetragen, dem die Wiener, als ihm sein Haus abgebrannt war, ein Almosen von Tausenden gereicht hatten. Steyrer denkt an den Brand von 1842 und die großherzigen Wiener. Wenn es Jemand daran gelegen ist die Stimmung Steyrs in dieser unseligen Lage zu kennen, so höre er, daß sie entschieden für das widerrechtlich mißhandelte Wien sich ausspricht. Ein Beweis dafür ist die Adresse des Gemeinderathes — einzelne Stimmen sind kein Gegen¬ beweis. Der Fuchs selbst wird das Hühnerstehlen nie für eine Sünde erkennen. Vermmwerlicher Redatenr Aler. Jul. Schindler; Mircaktur F. 10. Arming. Druck und Verlag von Haas in Steyr.

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