272 für die Stimmung und Gesinnung des deutschen Landes, in dem sie ihre Thürme und Dächer erhebt. Friede, Versöhnung und Vertrauen rufen wir an den Stufen des Thrones; — dann wird wieder der Wohlstand sein goldenes Netz ausbreiten über die Gefilde unseres ge¬ liebten deutschen Vaterlandes, und des Volkes Liebe und des Himmels Segen werden dauernd haften an dem Scepter unseres mächtigen Kaisers. Steyr am 24. Oktober 1848. Der Gemeinderath der Stadt Steyr in Ober¬ österreich. (Die Unterschriften.) Die stehenden Heere und die neue Zeit. Eine Interpellation von Dr. Reyer. (Schluß.) Was die Mannschaft betrifft, so finden wir sie unbedingt von den Offizieren geleitet. Aus ihrem früheren Leben haben sie wenig politisches Bewußtsein mitgebracht. Die große Mehrzahl waren meist Arbeiter des Landes und der Stadt. Die Reichen und Gebildeten haben ja stets Mittel gefunden, sich dem lästigen Dienste zu entziehen. Als Soldaten haben militärische Uebungen und der Wacht¬ dienst den größten Theil ihrer Zeit in Anspruch genommen der Rest wurde durch Wein und Liebe erträglich gemacht Für Weckung des Selbstbewußtseins wurde weniger ge¬ leistet, da es ganz außerhalb ihrer Bestimmung lag, sie selbstbewußt zu machen. Herr Latour fand es beleidigend, die Offiziere über ihre konstitutionellen Rechte und Pflichten zu belehren. Wir enthalten uns jedes Urtheiles über diese Aeußerung. Gewiß aber glauben wir, daß die Mann¬ schaft, durch eine Belehrung nicht beleidigt werden würde, die ihr zu neuen Pflichten neue Rechte bringt. Die Mannschaft in Unwissenheit zu lassen, erscheint uns ungerecht gegen sie und das Volk. Eine zeitgemäße Be¬ lehrung durch die vorgesetzten Organe fordert die Disciplin nicht. Jedenfalls ist die Gefahr dieser Lockerung größer, wenn die Belehrung von anderswo kömmt, wofür Pots¬ dam Beweise liefert. In Oesterreich scheint übrigens die Mannschaft die neue Zeit noch nicht zu würdigen. Sie ist vielmehr gereizt durch den ärgerlichen Anblick bewaff¬ neter Civilisten und durch die mannigfachen Beleidigungen von Seite eines unbesonnenen Proletariates. Aus dem Gesagten geht hervor daß die Regierungen Grund haben, anzunehmen, die stehenden Heere würden sich nicht weigern, sobald man sie ruft. Wären die ge¬ mäßigten Freunde des Fortschrittes gewiß, daß die Re¬ gierungen ihre stehenden Heere nur gegen gewaltthätige Bestrebungen einer äußersten, kleinen Partbei verwenden wollen so würden sie die Schlachtopfer übersehen der er¬ möglichten ruhigen Entwicklung halber. Aber die Geschichte lehrt, daß die Siege der stehenden Heere das Grab der Freiheit gewesen sind, und daß die Regierungen der äußer¬ sten Linken stets die ganze Linke zu Boden geschlagen haben. Die Gewalt in der Hand eines Siegers hat mit wenigen Ausnahmen zum Mißbrauch derselben geführt. Diese Gefahr haben die Volksvertreter der Linken ge¬ würdigt. Sie haben es nicht übersehen, daß den stehenden Heeren derzeit wohl Rechte der Könige und Pflichten gegen das Volk, keineswegs aber Rechte des Volkes und Pflichten für das Volk geläufig sind, daß die stehenden Heere sich höchstens mit einer Verfassung, die beiläufig alles beim Alten läßt, wie z. B. mit der österreichischen vom April, einverstanden erklären, daß sie aber alle folgenden Kämpfe um eine volksthümliche Verfassung höchlich mißbil¬ ligen; daß ihnen die für demokratisch eingerichtete Staaten nothwendige Veränderungen im Heerwesen durchaus nicht behagen, und daß sie in den für Alle gemeinsamen Staats¬ bürgerrechten keinen Ersatz für ihre erclusive Stellung auf¬ zufinden vermögen. Die Abgeordneten der Linken haben es ferner nicht übersehen, daß von den Regierungen die freiwillige Berichtigung irriger Ansichten im Heere, sobald solche Ansichten Nutzen versprechen, billigerweise nicht ver¬ langt werden kann; daß den Regierungen ohne Anmaßung nicht zugemuthet werden darf, aus eigenem Antriebe ge¬ reizte Stimmungen im Heere zu besänftigen, wenn solche Stimmungen ihren Zwecken dienlich erscheinen; daß endlich die Regierungen ohne Gefahr für den Antragsteller, lächer¬ lich zu erscheinen, nicht angegangen werden können, zur Verschmelzung des Bürgerthums mit der Heeresmacht, aus freien Stücken mitzuwirken, sobald diese Verschmelzung ihrer Hoheit Eintrag thun könnte. Abgeordnete der Linken haben es sich daher in Berlin und Wien zur Aufgabe gemacht, Reichstagsbeschlüsse zu erwirken, welche die Regierungen in die Nothwendig¬ keit versetzen, den volksfeindlichen Geist in den stehenden Heeren zu brechen. Anträge, wie z. B. der Stein'sche, erreichen ihren Zweck nicht. Sie reizen durch Schroffheit, erwecken keine bessere Ueberzeugung und stählen den Wider¬ stand. Auch die verbrauchte Redensart: Soldaten! ihr seid vom Volke und müßt für das Volk sein! führt nicht zum erwünschten Ziele, so lange die Hinweisung auf das Volk dem Wehrstande als Beleidigung klingt. Ebenso ist das beständige Drängen nach Beeidigung des Heeres auf eine Konstitution, die nicht da ist, unfruchtbar, weil abweisliche Antworten begründet werden können. Praktischer ist die Interpellation Rigers, der das Associations=, Petitions¬ und Preßfreiheitsrecht für das Militär in Anspruch nimmt. Meine Ansicht geht dahin, daß der Reichstag etwas thun müsse, was die Mehrzahl der Wehrmänner von der Nützlichkeit der Bewegung handgreiflich überzeugen und die stehenden Heere durch die Pflichten der Dankbarkeit an de Reichstag fesseln müßte. Der Reichstag möge aber be¬ denken, daß die Regierungen klug genug sein könnten, ihm
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