Zwanglose Blätter, Nr. 63, vom 21. Oktober 1848

265 sie unantastbar wäre, und daß jede anständige und ge¬ mäßigte Besprechung gerechtfertigt ist. Ich glaube mich innerhalb des Gebietes von That¬ sachen zu bewegen, wenn ich behaupte, daß die Regierungen fast ohne Ausnahme den gegenwärtigen Bewegungen selbst dort entgegentreten, wo selbe die Monarchie nicht anta¬ sten, aber eine solche auf volksthümlichen Grundlagen be¬ gehren. Die Idee, daß Könige dem Volkswillen ihre Stellung als erste Beamten des Staates verdanken ist den Regierungen der alten Welt nicht genehm. Sie mühen sich ab, Majestätsrechte zu retten, und gewaltig sind die Mittel, die ihnen zu Gebote stehen. Es wäre unverantwortlich, der Bureaukratie das Verdienst absprechen zu wollen, wesentlich für Zurückfüh rung von Zuständen zu wirken, die sich von den früheren nur dem Namen und der Form, nicht aber dem Wesen nach unterscheiden. Es muß auch anerkannt werden, daß die Hierarchie eine namhafte Thätigkeit in gleichem Sinne entwickelt, nicht ohne vernünftiger Berücksichtigung der Vergrößerung ihrer Macht und der Sicherung ihrer Reich¬ thümer. Still aber stetig sind die Bestrebungen dieser geheimnißvollen Gewalten, und wenn sie hie und da un¬ verdiente Schwierigkeiten finden, so liegt der Grund hier¬ von allein darin, daß das Wort eine Waffe ist, der sie nicht Stand halten. (Fortsetzung folgt.) Der konstitutionelle Jubel der Wiener Zeitung. Die Wiener Zeitung von gestern meldet aus Olmütz: „der Empfang des Kaisers war ein konstitutioneller.“ Was ist das für ein Empfang? Ist das Jubel? ist das Schweigen? Wir möchten das Letztere glauben, denn die¬ selbe Nummer der Wiener Zeitung meldet aus Znaim die Begrüßungen des Volkes in einer Weise und in Aus¬ drücken, wie wir sie zur Zeit des seligen Absolutismus schon als „offizielle Phrasen“ belächelten und nicht glaub¬ ten. Die Wiener Zeitung hat aber auch Berichterstatter, wie wir arme Volksblätter sie zu haben nie so glücklich sein werden. Der Schreiber des Berichtes aus Znaim ist kein Anderer, als der hochgeborene Herr Herr Graf Leo¬ pold Lazansky, k. k. mährisch=schlesischer Gubernial=Vice¬ präsident. Es wäre uns interessant zu wissen, ob er schon das Großkreuz des Leopoldordens besitzt, ob nicht? und ob er, ob ein Gubernialpraktikant für ihn den Bericht abgefaßt hat, zu dem er nur gnädigst seinen Namen setzte. Wir konnten nur Einen beklagen, als wir den Bericht lasen, und das ist der „konstitutionelle“ Redakteur der pri¬ vilegirten Wiener Zeitung, Herr Eitelberger, der sich sonst regelmäßig noch von Edelberg nannte. Wir glauben seinen Namen zuerst in den Sonntagsblättern gelesen zu haben, und lernten in ihm einen gelehrten Kunstkenner achten, der stets unpartheiisch und gesinnungsvoll war, und nun?! Czechisches Als vor vier Monaten Fürst Windischgrätz seine Ka¬ nonen auf den Höhen des Belveders von Prag aufführte, da predigten die Allgemeine Zeitung von Augsburg aus, und andere Zeitungen ihres halbliberalen Kalibers der edle Held sei der Retter des deutschen Elementes in Böh¬ men. Die Czechen aber riefen, er sei weder der Retter des Deutschthums, noch der Vernichter des Slaventhums, sondern ein Reaktionär vom reinsten Wasser, dem die Frei¬ heit der Völker zu viel wäre, und der die Spitze des Ba¬ jonnetes an die Stelle der Spitze des Szepters, der auf¬ gehört hat absolut zu sein, zu setzen sich vorgenommen. Windischgrätz lehnte es ab, für die Deutschen gefochten zu haben, und sprach nur von einer tiefverzweigten Verschwö¬ Was konnte den Mann bewegen, all das zu vertreten, was er in die privilegirte Wiener Zeitung aufzunehmen gezwungen ist? Erröthet er nicht, wenn er seinen bis zur Wiener Zeitung unbescholtenen Namen jetzt täglich an die¬ sem Pranger sieht? Was konnte ihn veranlassen, so zu müssen? „Kein Mensch muß müssen!“ Um aber ein Gegenbild zu liefern zu dem konstitu¬ tionellen „Empfange in Olmütz“ und zu der Art und Weise, wie das souveräne Volk von Znaim sich „aller¬ gnädigst beglücken“ ließ, können wir erzählen, daß z. B. in St. Pölten der Durchzug eher einem Leichenzug glich. Der Kaiser sah sehr bleich aus, die Kaiserin, die neben ihm im Wagen saß, weinte, die Prinzen ritten um den Wagen, und die Bevölkerung blieb stumm. Aber noch eine Frage an den Herrn Leopold Grafen Lazansky, mäh¬ risch=schlesischen Gubernial=Vicepräsidenten. Es heißt im Berichte: „Se. Majestät geruhten die wiederholten Glück¬ wünsche gnädigst aufzunehmen.“ Glückwünsche? Wozu, Herr Graf? Zur Flucht? oder weil so großes Heil uns bereitet worden ist? Oder — Wir wissen nicht Ihre Phrase zu deuten. Befleißigen Sie sich eines besseren Gedanken¬ ganges und Styles, sonst verlieren Sie die gewiß einträg¬ liche Korrespondenz der privilegirten Wiener Zeitung. F. A. B. Farbenspiel. rung, um derentwillen die Regierung in Wien Alles gut¬ heißen müsse, was er unternähme. Bis vor wenigen Tagen konnten noch die deutschen und czechischen Blätter Prags nicht des Witzes genug und nicht der Schmähungen zu viel über das Haupt dieses Junihelden schütten, und heute bringen ihm dieselben Bewohner Prags, denen er vor vier Monaten die Dächer über den Häuptern angezündet, die er in monatlanger Gefangenschaft schmachvoll festgehalten, und die er mit dem Namen Verschwörer, Empörer und Verräther gebrandmarkt, einen Fackelzug, und schwingen ihm freudig die Tücher aus den Fenstern zu, da er gen Wien zieht, die herrliche Stadt der Freiheit, die zuerst das Wort ergriffen, und die Parthei für Prag in jenen Tagen

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